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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Prediger in Nöten
Thomas Hardy von (Fortsetzung)

le waren jetzt der Reihe der Träger nahe genug gekommen, sodaß
Stockdale bemerken konnte, wie sie sich beim Einbiegen in die Dorf¬
straße in zwei ungleiche Abteilungen teilten, deren jede eine andre
Richtung einschlug. Der eine Trupp, der kleinere von den beiden,
wandte sich nach der Kirche, und sobald Lizzy und Stockdale ihr
Haus erreicht hatten, überstiegen jene die Kirchhofsmauer und
schritten lautlos über das Gras.

Owlett läßt eine Schicht wieder in der Kirche unterbringen, wie ich sehe,
bemerkte Lizzy. Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie dahin führte am ersten Abend,
als Sie kamen?

Ja, natürlich, sagte Stockdale. Kein Wunder, daß Sie Erlaubnis hatten, die
Fässer anzuzapfen --- es waren seine, nicht wahr?

Nein, seine nicht -- es waren meine; die Erlaubnis hatte ich von mir selbst.
Den Tag darauf wanderten sie unter einer Wagenladung Dung viele Meilen land¬
einwärts und verkauften sich sehr gut.

In diesem Augenblick sprangen die Leute, die kurz vorher links abgebogen
waren, einer nach dem andern vom Zaun gegenüber von Lizzys Haus herunter,
und der erste, der keine Mßchen auf den Schultern hatte, trat vor.

Frau Newberry, nicht wahr? sagte er hastig.

Ja. Ilm, sagte sie. Was gibts?

Wir können heut Nacht nichts im Dachswäldchen verstecken, Lizzy, sagte Owlett.
Der Platz wird beobachtet. Wir müssen im Garten den Apfelbaum raufziehen,
wenn wir Zeit haben. Im Kirchengerümpel können wir nicht mehr unterbringen,
als ich hingeschickt habe, und mein Dunghaufen hat auch schon mehr in sich, als
sicher ist.

Ja ja, sagte sie. Machen Sie nur schnell -- darauf kommts an. Kann ich
was helfen?

Ganz und gar nichts. Ach, es ist der Prediger! Sie können beide nichts
helfen. Besser wärs, Sie gingen ins Haus, damit Sie nicht gesehen werden.

Während Owlett so erfüllt von Schmugglerbesorgnis und frei von der leisesten
Eifersucht eines Liebenden sprach, waren die Männer, die ihm folgten, einer nach
dem andern über den Zaun geklettert. Doch als der hinterste heruntersprang, rutschte
zum Unglück der Strick, der seine Fässer zusammenhielt. Das Resultat war, daß
beide Tönlichen auf die Straße fielen und eins davon in Stücken ging.

Der Teufel hole das Zeug! rief Owlett, zurückeilend.

Es hat einen bedeutenden Wert, nicht? fragte Stockdale.

O nein -- etwa zwei und eine halbe Guinee kostets uns jetzt, sagte Lizzy
erregt. Das ists nicht -- aber der Geruch! Es ist so teufelsmäßig stark, ehe es
mit Wasser verdünnt ist, sodaß es furchtbar riecht, wenn es so auf der Straße ver¬
schüttet wird. Wenn bloß Latiner hier nicht vorbeikommt, ehe es verflogen ist!




Der Prediger in Nöten
Thomas Hardy von (Fortsetzung)

le waren jetzt der Reihe der Träger nahe genug gekommen, sodaß
Stockdale bemerken konnte, wie sie sich beim Einbiegen in die Dorf¬
straße in zwei ungleiche Abteilungen teilten, deren jede eine andre
Richtung einschlug. Der eine Trupp, der kleinere von den beiden,
wandte sich nach der Kirche, und sobald Lizzy und Stockdale ihr
Haus erreicht hatten, überstiegen jene die Kirchhofsmauer und
schritten lautlos über das Gras.

Owlett läßt eine Schicht wieder in der Kirche unterbringen, wie ich sehe,
bemerkte Lizzy. Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie dahin führte am ersten Abend,
als Sie kamen?

Ja, natürlich, sagte Stockdale. Kein Wunder, daß Sie Erlaubnis hatten, die
Fässer anzuzapfen -— es waren seine, nicht wahr?

Nein, seine nicht — es waren meine; die Erlaubnis hatte ich von mir selbst.
Den Tag darauf wanderten sie unter einer Wagenladung Dung viele Meilen land¬
einwärts und verkauften sich sehr gut.

In diesem Augenblick sprangen die Leute, die kurz vorher links abgebogen
waren, einer nach dem andern vom Zaun gegenüber von Lizzys Haus herunter,
und der erste, der keine Mßchen auf den Schultern hatte, trat vor.

Frau Newberry, nicht wahr? sagte er hastig.

Ja. Ilm, sagte sie. Was gibts?

Wir können heut Nacht nichts im Dachswäldchen verstecken, Lizzy, sagte Owlett.
Der Platz wird beobachtet. Wir müssen im Garten den Apfelbaum raufziehen,
wenn wir Zeit haben. Im Kirchengerümpel können wir nicht mehr unterbringen,
als ich hingeschickt habe, und mein Dunghaufen hat auch schon mehr in sich, als
sicher ist.

Ja ja, sagte sie. Machen Sie nur schnell — darauf kommts an. Kann ich
was helfen?

Ganz und gar nichts. Ach, es ist der Prediger! Sie können beide nichts
helfen. Besser wärs, Sie gingen ins Haus, damit Sie nicht gesehen werden.

Während Owlett so erfüllt von Schmugglerbesorgnis und frei von der leisesten
Eifersucht eines Liebenden sprach, waren die Männer, die ihm folgten, einer nach
dem andern über den Zaun geklettert. Doch als der hinterste heruntersprang, rutschte
zum Unglück der Strick, der seine Fässer zusammenhielt. Das Resultat war, daß
beide Tönlichen auf die Straße fielen und eins davon in Stücken ging.

Der Teufel hole das Zeug! rief Owlett, zurückeilend.

Es hat einen bedeutenden Wert, nicht? fragte Stockdale.

O nein — etwa zwei und eine halbe Guinee kostets uns jetzt, sagte Lizzy
erregt. Das ists nicht — aber der Geruch! Es ist so teufelsmäßig stark, ehe es
mit Wasser verdünnt ist, sodaß es furchtbar riecht, wenn es so auf der Straße ver¬
schüttet wird. Wenn bloß Latiner hier nicht vorbeikommt, ehe es verflogen ist!


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[0210] [Abbildung] Der Prediger in Nöten Thomas Hardy von (Fortsetzung) le waren jetzt der Reihe der Träger nahe genug gekommen, sodaß Stockdale bemerken konnte, wie sie sich beim Einbiegen in die Dorf¬ straße in zwei ungleiche Abteilungen teilten, deren jede eine andre Richtung einschlug. Der eine Trupp, der kleinere von den beiden, wandte sich nach der Kirche, und sobald Lizzy und Stockdale ihr Haus erreicht hatten, überstiegen jene die Kirchhofsmauer und schritten lautlos über das Gras. Owlett läßt eine Schicht wieder in der Kirche unterbringen, wie ich sehe, bemerkte Lizzy. Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie dahin führte am ersten Abend, als Sie kamen? Ja, natürlich, sagte Stockdale. Kein Wunder, daß Sie Erlaubnis hatten, die Fässer anzuzapfen -— es waren seine, nicht wahr? Nein, seine nicht — es waren meine; die Erlaubnis hatte ich von mir selbst. Den Tag darauf wanderten sie unter einer Wagenladung Dung viele Meilen land¬ einwärts und verkauften sich sehr gut. In diesem Augenblick sprangen die Leute, die kurz vorher links abgebogen waren, einer nach dem andern vom Zaun gegenüber von Lizzys Haus herunter, und der erste, der keine Mßchen auf den Schultern hatte, trat vor. Frau Newberry, nicht wahr? sagte er hastig. Ja. Ilm, sagte sie. Was gibts? Wir können heut Nacht nichts im Dachswäldchen verstecken, Lizzy, sagte Owlett. Der Platz wird beobachtet. Wir müssen im Garten den Apfelbaum raufziehen, wenn wir Zeit haben. Im Kirchengerümpel können wir nicht mehr unterbringen, als ich hingeschickt habe, und mein Dunghaufen hat auch schon mehr in sich, als sicher ist. Ja ja, sagte sie. Machen Sie nur schnell — darauf kommts an. Kann ich was helfen? Ganz und gar nichts. Ach, es ist der Prediger! Sie können beide nichts helfen. Besser wärs, Sie gingen ins Haus, damit Sie nicht gesehen werden. Während Owlett so erfüllt von Schmugglerbesorgnis und frei von der leisesten Eifersucht eines Liebenden sprach, waren die Männer, die ihm folgten, einer nach dem andern über den Zaun geklettert. Doch als der hinterste heruntersprang, rutschte zum Unglück der Strick, der seine Fässer zusammenhielt. Das Resultat war, daß beide Tönlichen auf die Straße fielen und eins davon in Stücken ging. Der Teufel hole das Zeug! rief Owlett, zurückeilend. Es hat einen bedeutenden Wert, nicht? fragte Stockdale. O nein — etwa zwei und eine halbe Guinee kostets uns jetzt, sagte Lizzy erregt. Das ists nicht — aber der Geruch! Es ist so teufelsmäßig stark, ehe es mit Wasser verdünnt ist, sodaß es furchtbar riecht, wenn es so auf der Straße ver¬ schüttet wird. Wenn bloß Latiner hier nicht vorbeikommt, ehe es verflogen ist!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/210>, abgerufen am 29.04.2024.