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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege nach Vrenburg

war. Der Mann, der im März als siebzigjähriger zu Boston gestorben ist,
hätte in diesem Sinne voller Befriedigung auf seine Arbeit zurückschauen dürfen,
denn er hat mit der Erkenntnis des zunehmenden Alters seine Schriften immer
wieder gesichtet, um der Nachwelt nur das Beste seines Schaffens zu über¬
li Beda prilixp efern. _ _




In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege
nach Grenburg
H. Toepfer Reiseerinnerungen von

le Eisenbahn folgt der umgekehrten Richtung des russischen Vor¬
dringens nach Innerasien; sie berührt verschiedne Punkte von
geschichtlicher Bedeutung, wie die an Baudenkmälern reiche Stadt
Turkestan und die Ruinen von Otrar, auch Orte wie Jkan,
an denen ein Denkmal den Heldenmut der kleinen Häuflein
Erobrer verkündet, die sich im ungleichsten Kampfe behaupteten. Sie be¬
rührt sich vielfach mit dem alten Träte und macht nunmehr Städte wie
Perowsk, Kcisalinsk und Euba zugänglicher, die als befestigte Etappenpunkte
gleich wichtig für die Verbindungen im Rücken wie für den Karawanenhandel
geworden sind, sie verbindet die russischen Kolonien mit der Heimat. Und sie
ist nicht bloß interessant als ein Unternehmen, das Raum und Zeit in be-
wundernswerter Weise überwunden hat, sondern sie bietet auch Schönheiten.
Zuerst begleiten uns reichliche 20 Kilometer weit die fruchtbaren Obst-, Wein-
uud Gemüsegärten, die Getreide-, Baumwollen- und Reisfelder des reichlich
bewässerten Kreises Taschkend. 113 Kunstbauten überspannen ans dieser Strecke
die Wasseradern, den Fluß Ssalar, den Boß-Sön und den Keleß und die von
ihnen abzweigenden Aryks, sämtlich flotte Eisenkonstruktionen auf sauber
gemauerten Landpfeilern. Hinter der Dshilga steigt die Bahn in vielen
Windungen zu der 563 Meter über dem Meere liegenden Paßhöhc des Kasy-
gurt, eines Ausläufers des Kara-lau-Gebirges empor, das bisher rechts in der
Ferne seine schneebedeckten Höhen in der Sonne hatte aufglänzen lassen. Un¬
beschreiblich schön war die Abendlandschaft bei der Station Ssary-Agatsch,
deren noch persische Anklänge verratendes Hauptgebäude sich prachtvoll vornehm
in der reinen klaren Stcppenluft von dem wundervoll gefärbten Abendhimmel
abhob. Längst hatte das Kulturland ausgedehnter Steppe Platz gemacht, die
aber noch ziemlich belebt erschien. Zahlreiche Arbeiter waren tätig, um die
Frostschäden an dem Bahndamm auszubessern, die Wasserabführung zu regeln
und eine Röhrenleitung für die Wasserzuführung nach wasserlosen Stationen
zu verlegen.


Grenzboten III 1907 40
In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege nach Vrenburg

war. Der Mann, der im März als siebzigjähriger zu Boston gestorben ist,
hätte in diesem Sinne voller Befriedigung auf seine Arbeit zurückschauen dürfen,
denn er hat mit der Erkenntnis des zunehmenden Alters seine Schriften immer
wieder gesichtet, um der Nachwelt nur das Beste seines Schaffens zu über¬
li Beda prilixp efern. _ _




In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege
nach Grenburg
H. Toepfer Reiseerinnerungen von

le Eisenbahn folgt der umgekehrten Richtung des russischen Vor¬
dringens nach Innerasien; sie berührt verschiedne Punkte von
geschichtlicher Bedeutung, wie die an Baudenkmälern reiche Stadt
Turkestan und die Ruinen von Otrar, auch Orte wie Jkan,
an denen ein Denkmal den Heldenmut der kleinen Häuflein
Erobrer verkündet, die sich im ungleichsten Kampfe behaupteten. Sie be¬
rührt sich vielfach mit dem alten Träte und macht nunmehr Städte wie
Perowsk, Kcisalinsk und Euba zugänglicher, die als befestigte Etappenpunkte
gleich wichtig für die Verbindungen im Rücken wie für den Karawanenhandel
geworden sind, sie verbindet die russischen Kolonien mit der Heimat. Und sie
ist nicht bloß interessant als ein Unternehmen, das Raum und Zeit in be-
wundernswerter Weise überwunden hat, sondern sie bietet auch Schönheiten.
Zuerst begleiten uns reichliche 20 Kilometer weit die fruchtbaren Obst-, Wein-
uud Gemüsegärten, die Getreide-, Baumwollen- und Reisfelder des reichlich
bewässerten Kreises Taschkend. 113 Kunstbauten überspannen ans dieser Strecke
die Wasseradern, den Fluß Ssalar, den Boß-Sön und den Keleß und die von
ihnen abzweigenden Aryks, sämtlich flotte Eisenkonstruktionen auf sauber
gemauerten Landpfeilern. Hinter der Dshilga steigt die Bahn in vielen
Windungen zu der 563 Meter über dem Meere liegenden Paßhöhc des Kasy-
gurt, eines Ausläufers des Kara-lau-Gebirges empor, das bisher rechts in der
Ferne seine schneebedeckten Höhen in der Sonne hatte aufglänzen lassen. Un¬
beschreiblich schön war die Abendlandschaft bei der Station Ssary-Agatsch,
deren noch persische Anklänge verratendes Hauptgebäude sich prachtvoll vornehm
in der reinen klaren Stcppenluft von dem wundervoll gefärbten Abendhimmel
abhob. Längst hatte das Kulturland ausgedehnter Steppe Platz gemacht, die
aber noch ziemlich belebt erschien. Zahlreiche Arbeiter waren tätig, um die
Frostschäden an dem Bahndamm auszubessern, die Wasserabführung zu regeln
und eine Röhrenleitung für die Wasserzuführung nach wasserlosen Stationen
zu verlegen.


Grenzboten III 1907 40
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[0313] In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege nach Vrenburg war. Der Mann, der im März als siebzigjähriger zu Boston gestorben ist, hätte in diesem Sinne voller Befriedigung auf seine Arbeit zurückschauen dürfen, denn er hat mit der Erkenntnis des zunehmenden Alters seine Schriften immer wieder gesichtet, um der Nachwelt nur das Beste seines Schaffens zu über¬ li Beda prilixp efern. _ _ In Taschkend und auf dem neuen Schienenwege nach Grenburg H. Toepfer Reiseerinnerungen von le Eisenbahn folgt der umgekehrten Richtung des russischen Vor¬ dringens nach Innerasien; sie berührt verschiedne Punkte von geschichtlicher Bedeutung, wie die an Baudenkmälern reiche Stadt Turkestan und die Ruinen von Otrar, auch Orte wie Jkan, an denen ein Denkmal den Heldenmut der kleinen Häuflein Erobrer verkündet, die sich im ungleichsten Kampfe behaupteten. Sie be¬ rührt sich vielfach mit dem alten Träte und macht nunmehr Städte wie Perowsk, Kcisalinsk und Euba zugänglicher, die als befestigte Etappenpunkte gleich wichtig für die Verbindungen im Rücken wie für den Karawanenhandel geworden sind, sie verbindet die russischen Kolonien mit der Heimat. Und sie ist nicht bloß interessant als ein Unternehmen, das Raum und Zeit in be- wundernswerter Weise überwunden hat, sondern sie bietet auch Schönheiten. Zuerst begleiten uns reichliche 20 Kilometer weit die fruchtbaren Obst-, Wein- uud Gemüsegärten, die Getreide-, Baumwollen- und Reisfelder des reichlich bewässerten Kreises Taschkend. 113 Kunstbauten überspannen ans dieser Strecke die Wasseradern, den Fluß Ssalar, den Boß-Sön und den Keleß und die von ihnen abzweigenden Aryks, sämtlich flotte Eisenkonstruktionen auf sauber gemauerten Landpfeilern. Hinter der Dshilga steigt die Bahn in vielen Windungen zu der 563 Meter über dem Meere liegenden Paßhöhc des Kasy- gurt, eines Ausläufers des Kara-lau-Gebirges empor, das bisher rechts in der Ferne seine schneebedeckten Höhen in der Sonne hatte aufglänzen lassen. Un¬ beschreiblich schön war die Abendlandschaft bei der Station Ssary-Agatsch, deren noch persische Anklänge verratendes Hauptgebäude sich prachtvoll vornehm in der reinen klaren Stcppenluft von dem wundervoll gefärbten Abendhimmel abhob. Längst hatte das Kulturland ausgedehnter Steppe Platz gemacht, die aber noch ziemlich belebt erschien. Zahlreiche Arbeiter waren tätig, um die Frostschäden an dem Bahndamm auszubessern, die Wasserabführung zu regeln und eine Röhrenleitung für die Wasserzuführung nach wasserlosen Stationen zu verlegen. Grenzboten III 1907 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/313>, abgerufen am 29.04.2024.