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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

Empfindung hat hier gesprochen, und eine schönere, tiefere Auffassung von dem
Berufe des Herrschers, alle Teile seines Volkes zu gemeinsamer Arbeit in fried¬
licher und versöhnlicher Gesinnung gegeneinander zu vereinigen und in dieser
Gesinnung allen selbst voranzugehn, konnte der Kaiser nicht kundgeben. Er faßt
auch hier seinen monarchischen Beruf ganz persönlich auf, aber dieses Festhalten
an der altpreußischen Tradition entspricht dem deutschen Empfinden, das von
" einem blutlosen Schattenkönigtum niemals etwas hat wissen wollen.




Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

I le Studienreise, die den Kolonialsekretär Exzellenz Dernburg zur¬
zeit nach Ostafrika geführt hat, dürfte aller Voraussicht nach
großenteils auch dem Studium des kolonialen Eisenbahnwesens
dienen, worauf ja insbesondre die in das Neiseprogramm auf-
I genommene und inzwischen ausgeführte Fahrt auf der britischen
Ugandabahn schließen läßt, und wir dürfen davon für die weitere, bis jetzt stark
zurückgebliebne Entwicklung unsrer Kolonialbahnen besonders viel erhoffen.

Kurz vor der Abreise des Staatssekretärs hat unter seinem Vorsitz am
6. Juli zu Berlin im Reichskolonialamt eine Besprechung hervorragender Ver¬
treter der deutschen Handelswelt stattgefunden, in der die Frage behandelt wurde,
mit welchen Mitteln man allgemein den wirtschaftlichen Aufschwung der Kolonien
nach Möglichkeit fördern könne. Bei dieser Gelegenheit ist von verschiednen
Seiten hervorgehoben worden, daß an eine wirtschaftliche Erschließung unsrer
Kolonien in wirklich großem Maßstabe erst zu denken sei, wenn ein ausreichendes
Eisenbahnnetz geschaffen wäre, das eine leichte Ein- und Ausfuhr ermögliche.
Auch Dernburg selbst erklärte die Schaffung von kolonialen Eisenbahnen für
eine Aufgabe von höchster Wichtigkeit, der er seine volle Aufmerksamkeit zuzu¬
wenden gedenke. Es scheint demnach, als ob wir am Beginn einer neuen Ära
in der Entwicklung unsrer kolonialen Schienennetze stehn, und es ist bei dieser
Gelegenheit vielleicht angebracht, einen Blick daraus zu werfen, wie es denn
bisher mit den Bahnbauten in den deutschafrikanischen Besitzungen aussieht.

Eisenbahnen von nennenswerter Länge gibt es bisher eigentlich nur in
Deutschsüdwestafrika. Kamerun entbehrt der Bahnen noch vollkommen, denn
eine kleine, private Feldbahn Viktoria-Sopo (43 Kilometer lang) kann nicht
ernstlich mitzählen, und die von Duala ins Hinterland geplante, wichtige Stich¬
bahn nach den Manengubabergen wird erst gegenwärtig abgesteckt. In Deutsch¬
ostafrika ist das bisher Geleistete ebenfalls kaum der Rede wert: von den
beiden Bahnen, die von Daressalaam oder von Tanga aus ins Hinterland führen
sollen, bis an den Tcmgcmyika- oder den Viktoriasee heran, sind bisher nur


Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

Empfindung hat hier gesprochen, und eine schönere, tiefere Auffassung von dem
Berufe des Herrschers, alle Teile seines Volkes zu gemeinsamer Arbeit in fried¬
licher und versöhnlicher Gesinnung gegeneinander zu vereinigen und in dieser
Gesinnung allen selbst voranzugehn, konnte der Kaiser nicht kundgeben. Er faßt
auch hier seinen monarchischen Beruf ganz persönlich auf, aber dieses Festhalten
an der altpreußischen Tradition entspricht dem deutschen Empfinden, das von
» einem blutlosen Schattenkönigtum niemals etwas hat wissen wollen.




Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

I le Studienreise, die den Kolonialsekretär Exzellenz Dernburg zur¬
zeit nach Ostafrika geführt hat, dürfte aller Voraussicht nach
großenteils auch dem Studium des kolonialen Eisenbahnwesens
dienen, worauf ja insbesondre die in das Neiseprogramm auf-
I genommene und inzwischen ausgeführte Fahrt auf der britischen
Ugandabahn schließen läßt, und wir dürfen davon für die weitere, bis jetzt stark
zurückgebliebne Entwicklung unsrer Kolonialbahnen besonders viel erhoffen.

Kurz vor der Abreise des Staatssekretärs hat unter seinem Vorsitz am
6. Juli zu Berlin im Reichskolonialamt eine Besprechung hervorragender Ver¬
treter der deutschen Handelswelt stattgefunden, in der die Frage behandelt wurde,
mit welchen Mitteln man allgemein den wirtschaftlichen Aufschwung der Kolonien
nach Möglichkeit fördern könne. Bei dieser Gelegenheit ist von verschiednen
Seiten hervorgehoben worden, daß an eine wirtschaftliche Erschließung unsrer
Kolonien in wirklich großem Maßstabe erst zu denken sei, wenn ein ausreichendes
Eisenbahnnetz geschaffen wäre, das eine leichte Ein- und Ausfuhr ermögliche.
Auch Dernburg selbst erklärte die Schaffung von kolonialen Eisenbahnen für
eine Aufgabe von höchster Wichtigkeit, der er seine volle Aufmerksamkeit zuzu¬
wenden gedenke. Es scheint demnach, als ob wir am Beginn einer neuen Ära
in der Entwicklung unsrer kolonialen Schienennetze stehn, und es ist bei dieser
Gelegenheit vielleicht angebracht, einen Blick daraus zu werfen, wie es denn
bisher mit den Bahnbauten in den deutschafrikanischen Besitzungen aussieht.

Eisenbahnen von nennenswerter Länge gibt es bisher eigentlich nur in
Deutschsüdwestafrika. Kamerun entbehrt der Bahnen noch vollkommen, denn
eine kleine, private Feldbahn Viktoria-Sopo (43 Kilometer lang) kann nicht
ernstlich mitzählen, und die von Duala ins Hinterland geplante, wichtige Stich¬
bahn nach den Manengubabergen wird erst gegenwärtig abgesteckt. In Deutsch¬
ostafrika ist das bisher Geleistete ebenfalls kaum der Rede wert: von den
beiden Bahnen, die von Daressalaam oder von Tanga aus ins Hinterland führen
sollen, bis an den Tcmgcmyika- oder den Viktoriasee heran, sind bisher nur


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[0552] Die deutschen Eisenbahnen in Afrika Empfindung hat hier gesprochen, und eine schönere, tiefere Auffassung von dem Berufe des Herrschers, alle Teile seines Volkes zu gemeinsamer Arbeit in fried¬ licher und versöhnlicher Gesinnung gegeneinander zu vereinigen und in dieser Gesinnung allen selbst voranzugehn, konnte der Kaiser nicht kundgeben. Er faßt auch hier seinen monarchischen Beruf ganz persönlich auf, aber dieses Festhalten an der altpreußischen Tradition entspricht dem deutschen Empfinden, das von » einem blutlosen Schattenkönigtum niemals etwas hat wissen wollen. Die deutschen Eisenbahnen in Afrika I le Studienreise, die den Kolonialsekretär Exzellenz Dernburg zur¬ zeit nach Ostafrika geführt hat, dürfte aller Voraussicht nach großenteils auch dem Studium des kolonialen Eisenbahnwesens dienen, worauf ja insbesondre die in das Neiseprogramm auf- I genommene und inzwischen ausgeführte Fahrt auf der britischen Ugandabahn schließen läßt, und wir dürfen davon für die weitere, bis jetzt stark zurückgebliebne Entwicklung unsrer Kolonialbahnen besonders viel erhoffen. Kurz vor der Abreise des Staatssekretärs hat unter seinem Vorsitz am 6. Juli zu Berlin im Reichskolonialamt eine Besprechung hervorragender Ver¬ treter der deutschen Handelswelt stattgefunden, in der die Frage behandelt wurde, mit welchen Mitteln man allgemein den wirtschaftlichen Aufschwung der Kolonien nach Möglichkeit fördern könne. Bei dieser Gelegenheit ist von verschiednen Seiten hervorgehoben worden, daß an eine wirtschaftliche Erschließung unsrer Kolonien in wirklich großem Maßstabe erst zu denken sei, wenn ein ausreichendes Eisenbahnnetz geschaffen wäre, das eine leichte Ein- und Ausfuhr ermögliche. Auch Dernburg selbst erklärte die Schaffung von kolonialen Eisenbahnen für eine Aufgabe von höchster Wichtigkeit, der er seine volle Aufmerksamkeit zuzu¬ wenden gedenke. Es scheint demnach, als ob wir am Beginn einer neuen Ära in der Entwicklung unsrer kolonialen Schienennetze stehn, und es ist bei dieser Gelegenheit vielleicht angebracht, einen Blick daraus zu werfen, wie es denn bisher mit den Bahnbauten in den deutschafrikanischen Besitzungen aussieht. Eisenbahnen von nennenswerter Länge gibt es bisher eigentlich nur in Deutschsüdwestafrika. Kamerun entbehrt der Bahnen noch vollkommen, denn eine kleine, private Feldbahn Viktoria-Sopo (43 Kilometer lang) kann nicht ernstlich mitzählen, und die von Duala ins Hinterland geplante, wichtige Stich¬ bahn nach den Manengubabergen wird erst gegenwärtig abgesteckt. In Deutsch¬ ostafrika ist das bisher Geleistete ebenfalls kaum der Rede wert: von den beiden Bahnen, die von Daressalaam oder von Tanga aus ins Hinterland führen sollen, bis an den Tcmgcmyika- oder den Viktoriasee heran, sind bisher nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/552>, abgerufen am 29.04.2024.