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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Line Philosophie des Krieges

städtische und industrielle Arbeiterschaft immer mehr oder weniger geneigt sein
wird, sich den auf Umsturz gerichteten Bestrebungen anzuschließen, weil sie national
niemals so zuverlässig sein wird und sein kann wie der Teil unsers Volkes,
der von dem Ertrage der Scholle lebt und durch sie unlösbar mit der Er¬
haltung der Staatsordnung verknüpft ist.

Wenn man prüfen will, wie das übermäßige Anwachsen der sozialdemo¬
kratischen Stimmen in Deutschland zu erklären sei, so wird man den letzten
Grund darin finden, daß die städtische und industrielle Bevölkerung zu schnell
und zu stark vermehrt, die ländliche Bevölkerung zu sehr geschwächt worden
ist. Will man also die Mächte des Umsturzes nachdrücklich bekämpfen, so wird
das beste Mittel immer sein, den Teil des Volkes zu kräftigen und der Zahl
nach zu vermehren, der, wie die Dinge auch kommen mögen, der sozialdemo¬
kratischen Verführung und Versetzung den stärksten Widerstand entgegenzusetzen
imstande sein wird.

So etwa müßte eine Bevölkerungspolitik aussehen, die es sich zum Ziele
setzt, das deutsche Volk von den Krankheitserscheinungen zu heilen, an denen
es leidet. Eine gesunde Verteilung der Bevölkerung ans Land und Stadt, auf
Osten und Westen und eine planvolle Arbeit, um die von den Hetzern und
Verführern noch nicht vergifteten Teile des Volkes gesund zu erhalten, die
andern aber, soweit es noch möglich ist, für die Staatsordnung zurückzugewinnen,
das ist, was uns fehlt. Natürlich bleiben noch viele andre Aufgaben übrig.
Hier handelt es sich nur um die sozialdemokratische Gefahr und um die Klassen,
die der sozialdemokratischen Verführung um leichtesten verfallen; will man den
auf Umsturz gerichteten Bestrebungen ernstlich entgegentreten, so wird man eine
Politik befolgen müssen, die ungefähr der gleicht, die hier kurz empfohlen
worden ist. _




(Line Philosophie des Krieges

as sich für und wider den Krieg sagen läßt, das ist in den letzten
Jahrzehnten laut genug erörtert worden. Doch hatte es, so viel
ich weiß, nur die Friedenspartei zu großen zusammenhängenden
Darstellungen ihrer Ansicht gebracht. Jetzt hat uns nun auch ein
begeisterter Freund des Krieges mit einer systematischen und gründ¬
lichen Verteidigung seines Standpunktes beschenkt: Die Philosophie des
Krieges von Or. S. Rudolf Steinmetz im Haag. (Leipzig, Johann Ambrosius
Barth, 1907.) Er weist sowohl die sentimentale wie die doktrinär ethische Be¬
urteilung des Krieges als ganz ungenügend zurück und findet in dem um das
Rassenideal bereicherten evolutionistischen Militarismus die wahre und tiefe
Ethik, von der aus allein der Krieg gewürdigt werden könne. Er geht aus


Line Philosophie des Krieges

städtische und industrielle Arbeiterschaft immer mehr oder weniger geneigt sein
wird, sich den auf Umsturz gerichteten Bestrebungen anzuschließen, weil sie national
niemals so zuverlässig sein wird und sein kann wie der Teil unsers Volkes,
der von dem Ertrage der Scholle lebt und durch sie unlösbar mit der Er¬
haltung der Staatsordnung verknüpft ist.

Wenn man prüfen will, wie das übermäßige Anwachsen der sozialdemo¬
kratischen Stimmen in Deutschland zu erklären sei, so wird man den letzten
Grund darin finden, daß die städtische und industrielle Bevölkerung zu schnell
und zu stark vermehrt, die ländliche Bevölkerung zu sehr geschwächt worden
ist. Will man also die Mächte des Umsturzes nachdrücklich bekämpfen, so wird
das beste Mittel immer sein, den Teil des Volkes zu kräftigen und der Zahl
nach zu vermehren, der, wie die Dinge auch kommen mögen, der sozialdemo¬
kratischen Verführung und Versetzung den stärksten Widerstand entgegenzusetzen
imstande sein wird.

So etwa müßte eine Bevölkerungspolitik aussehen, die es sich zum Ziele
setzt, das deutsche Volk von den Krankheitserscheinungen zu heilen, an denen
es leidet. Eine gesunde Verteilung der Bevölkerung ans Land und Stadt, auf
Osten und Westen und eine planvolle Arbeit, um die von den Hetzern und
Verführern noch nicht vergifteten Teile des Volkes gesund zu erhalten, die
andern aber, soweit es noch möglich ist, für die Staatsordnung zurückzugewinnen,
das ist, was uns fehlt. Natürlich bleiben noch viele andre Aufgaben übrig.
Hier handelt es sich nur um die sozialdemokratische Gefahr und um die Klassen,
die der sozialdemokratischen Verführung um leichtesten verfallen; will man den
auf Umsturz gerichteten Bestrebungen ernstlich entgegentreten, so wird man eine
Politik befolgen müssen, die ungefähr der gleicht, die hier kurz empfohlen
worden ist. _




(Line Philosophie des Krieges

as sich für und wider den Krieg sagen läßt, das ist in den letzten
Jahrzehnten laut genug erörtert worden. Doch hatte es, so viel
ich weiß, nur die Friedenspartei zu großen zusammenhängenden
Darstellungen ihrer Ansicht gebracht. Jetzt hat uns nun auch ein
begeisterter Freund des Krieges mit einer systematischen und gründ¬
lichen Verteidigung seines Standpunktes beschenkt: Die Philosophie des
Krieges von Or. S. Rudolf Steinmetz im Haag. (Leipzig, Johann Ambrosius
Barth, 1907.) Er weist sowohl die sentimentale wie die doktrinär ethische Be¬
urteilung des Krieges als ganz ungenügend zurück und findet in dem um das
Rassenideal bereicherten evolutionistischen Militarismus die wahre und tiefe
Ethik, von der aus allein der Krieg gewürdigt werden könne. Er geht aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/673>, abgerufen am 29.04.2024.