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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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"Schutzlosigkeit der Untertanen gegen Exzesse der staatlichen Strafgewalt" auf
der andern Seite kann gegenwärtig schon deshalb nicht die Rede sein, weil die
bezüglichen Maßnahmen im Lichte der Öffentlichkeit unter den Augen einer
vielseitigen Kritik getroffen werden. Anzunehmen ist vielmehr -- und es wird
durch die Mitteilungen der Tagespresse über einzelne Fülle bestätigt --, daß
sie jederzeit aus besondern: Anlaß und nach gewissenhafter, eingehender Prüfung
der Umstände erfolgen. Unter dieser Voraussetzung muß aber das nicht vor-
handne oder verwirkte Recht am Titel, Orden usw. der Rücksicht auf die
ehrenwerten Inhaber gleicher Auszeichnungen und mehr noch dem Anspruch
des Staates auf Wahrung seiner Würde und seines Ansehns weichen. Läßt
sich die Entziehung nicht anders ins Werk setzen als durch persönliches Ein¬
greifen des Landesherrn, so ist das für alle Beteiligten unerwünscht, immerhin
aber im Vergleich mit einer schwächlichen Passivität gegenüber Unwürdigen das
kleinere Übel.




August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig
Otto Eduard Schmidt vonl

o die belebteste Verkehrsader des alten Leipzig, die Grimmaische
Straße auf den Markt ausmündet, neben Auerbachs Hof, liegt
eins der vornehmsten und erinnerungsreichsten Barockgebäude der
Stadt, das sich bis in unsre Tage einen gewissen Glanz und
eine gewisse Volkstümlichkeit bewahrt hat: Apels Haus oder, wie
es gewöhnlich genannt wird: das Königshaus. Es hat schon im siebzehnten
Jahrhundert den die Stadt besuchenden sächsischen Kurfürsten als Quartier
gedient; dann kaufte es 1705 der reiche Kaufherr Andreas Dietrich Apel,
baute es im Geschmacke seiner Zeit um und machte es dadurch noch würdiger,
die Landesfürsten gastlich aufzunehmen. August der Starke hat. wenn er die
Messen besuchte, fast regelmäßig dort gewohnt: einen alten Stich, der das Haus
im Jahre 1720 in dem Augenblicke darstellt, wie dem darin abgestiegnen
Fürsten eine Huldigung dargebracht wird, hat Wustmann in seinem Werke
..Leipzig durch drei Jahrhunderte" auf Tafel 40 reproduziert. Im Winter 1760/61
beherbergte das Haus Friedrich den Großen, und am 18. Oktober 1813 hörte
König Friedrich August der Gerechte mit den Seinen im gewölbten Erdgeschoß
das Pfeifen der ringsum einschlagenden Granaten der Völkerschlacht, von hier
aus reiste er am 23. Oktober in die Gefangenschaft nach Berlin.

Noch eine andre Anlage sorgte für den Glanz des Namens Apel: das
war Apels Garten. Derselbe Andreas Dietrich Apel hatte ihn im Anfang des
achtzehnten Jahrhunderts aus einer ältern Anlage erweitert und zum schönsten


„Schutzlosigkeit der Untertanen gegen Exzesse der staatlichen Strafgewalt" auf
der andern Seite kann gegenwärtig schon deshalb nicht die Rede sein, weil die
bezüglichen Maßnahmen im Lichte der Öffentlichkeit unter den Augen einer
vielseitigen Kritik getroffen werden. Anzunehmen ist vielmehr — und es wird
durch die Mitteilungen der Tagespresse über einzelne Fülle bestätigt —, daß
sie jederzeit aus besondern: Anlaß und nach gewissenhafter, eingehender Prüfung
der Umstände erfolgen. Unter dieser Voraussetzung muß aber das nicht vor-
handne oder verwirkte Recht am Titel, Orden usw. der Rücksicht auf die
ehrenwerten Inhaber gleicher Auszeichnungen und mehr noch dem Anspruch
des Staates auf Wahrung seiner Würde und seines Ansehns weichen. Läßt
sich die Entziehung nicht anders ins Werk setzen als durch persönliches Ein¬
greifen des Landesherrn, so ist das für alle Beteiligten unerwünscht, immerhin
aber im Vergleich mit einer schwächlichen Passivität gegenüber Unwürdigen das
kleinere Übel.




August Apel, eine Studie aus dem alten Leipzig
Otto Eduard Schmidt vonl

o die belebteste Verkehrsader des alten Leipzig, die Grimmaische
Straße auf den Markt ausmündet, neben Auerbachs Hof, liegt
eins der vornehmsten und erinnerungsreichsten Barockgebäude der
Stadt, das sich bis in unsre Tage einen gewissen Glanz und
eine gewisse Volkstümlichkeit bewahrt hat: Apels Haus oder, wie
es gewöhnlich genannt wird: das Königshaus. Es hat schon im siebzehnten
Jahrhundert den die Stadt besuchenden sächsischen Kurfürsten als Quartier
gedient; dann kaufte es 1705 der reiche Kaufherr Andreas Dietrich Apel,
baute es im Geschmacke seiner Zeit um und machte es dadurch noch würdiger,
die Landesfürsten gastlich aufzunehmen. August der Starke hat. wenn er die
Messen besuchte, fast regelmäßig dort gewohnt: einen alten Stich, der das Haus
im Jahre 1720 in dem Augenblicke darstellt, wie dem darin abgestiegnen
Fürsten eine Huldigung dargebracht wird, hat Wustmann in seinem Werke
..Leipzig durch drei Jahrhunderte" auf Tafel 40 reproduziert. Im Winter 1760/61
beherbergte das Haus Friedrich den Großen, und am 18. Oktober 1813 hörte
König Friedrich August der Gerechte mit den Seinen im gewölbten Erdgeschoß
das Pfeifen der ringsum einschlagenden Granaten der Völkerschlacht, von hier
aus reiste er am 23. Oktober in die Gefangenschaft nach Berlin.

Noch eine andre Anlage sorgte für den Glanz des Namens Apel: das
war Apels Garten. Derselbe Andreas Dietrich Apel hatte ihn im Anfang des
achtzehnten Jahrhunderts aus einer ältern Anlage erweitert und zum schönsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/415>, abgerufen am 19.05.2024.