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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

schließt, soll in Preußen ein Gesetz eingeführt werden, das in unser Rechts¬
bewußtsein die schwerste Erschütterung bringt, und das für die gesamte politische
und soziale Entwicklung Deutschlands die schwersten Folgen birgt! Professor
Bernhardt wird viele von der Notwendigkeit eines Enteignungsgesetzes in Posen
und Westpreußen überzeugen, weil er selbst keine Vorschläge macht, viele aber
wird er auch zur Überzeugung bringen, daß zunächst eine Revision unsrer
Polenpolitik am Platz ist, ehe wir weiter arbeiten.

Denn eins geht aus den Ausführungen des Verfassers klar hervor: wir
kennen die Polenfrage noch nicht genügend, als daß wir auf unsre Kenntnisse
gestützt eine im deutsch-staatlichen Sinne erfolgreiche Polenpolitik treiben
können. Der Autor hat recht: mit Schlagen und Vertragen ist es nicht getan,
und in der gegenwärtigen Zeit eine Versöhnungspolitik anzutreten wäre falsch.
Aber ebenso falsch wäre es, sich durch eine Gesetzgebung zu binden, die in sich
die schwersten Gefahren für die Zukunft des ganzen Landes birgt. Aus Herrn
Bernhardts Ausführungen dürfen wir folgern: 1. die Notwendigkeit der Be¬
willigung neuer Mittel an die Ansiedlungskommission zur weitern Durchführung
des bestehenden Ansiedlungsgesetzes, 2. eine Reform der Ansiedlungskommission,
die diese in liberaler Weise den Anforderungen des wirtschaftlichen Kampfes
besser anpaßt als bisher, und 3. die Notwendigkeit von Mitteln zum Studium
der Polenfrage innerhalb und außerhalb Preußens. Zwei Jahre halten wir
den Sturm der Polen unter den bestehenden Bedingungen wohl noch aus, und
in zwei Jahren kann uns das Material zu einer allseitigen Beurteilung der
Polenfrage beschafft werden.




Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika
L. Fitger von

> öge ein Geist im Guten oder im Bösen hervorragen, seine Spuren
prägen sich seiner Zeit, seinem Volke tief ein. Für die letzten
vier Jahrzehnte, für die Vereinigten Staaten wird man einst von
einer Ära Rockefeller sprechen; von einer Ära Roosevelt erst, wenn
!sie jene abgelöst hat, was sich das gegenwärtige Haupt des
amerikanischen Volkes ruhmvoll zum Ziel gesetzt hat. Die sich jetzt in vollstem
Gange befindende amerikanische Handelskrisis wird ihm seine Aufgabe erleichtern.
Der Augiasstall, durch den der Strom der amerikanischen Gesetzgebung ge¬
leitet werden soll, ist nicht erst durch den Petroleumkönig und seine Spie߬
gesellen, "schlimmer als Anarchisten und Straßenräuber", wie der Herkules dieses


Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika

schließt, soll in Preußen ein Gesetz eingeführt werden, das in unser Rechts¬
bewußtsein die schwerste Erschütterung bringt, und das für die gesamte politische
und soziale Entwicklung Deutschlands die schwersten Folgen birgt! Professor
Bernhardt wird viele von der Notwendigkeit eines Enteignungsgesetzes in Posen
und Westpreußen überzeugen, weil er selbst keine Vorschläge macht, viele aber
wird er auch zur Überzeugung bringen, daß zunächst eine Revision unsrer
Polenpolitik am Platz ist, ehe wir weiter arbeiten.

Denn eins geht aus den Ausführungen des Verfassers klar hervor: wir
kennen die Polenfrage noch nicht genügend, als daß wir auf unsre Kenntnisse
gestützt eine im deutsch-staatlichen Sinne erfolgreiche Polenpolitik treiben
können. Der Autor hat recht: mit Schlagen und Vertragen ist es nicht getan,
und in der gegenwärtigen Zeit eine Versöhnungspolitik anzutreten wäre falsch.
Aber ebenso falsch wäre es, sich durch eine Gesetzgebung zu binden, die in sich
die schwersten Gefahren für die Zukunft des ganzen Landes birgt. Aus Herrn
Bernhardts Ausführungen dürfen wir folgern: 1. die Notwendigkeit der Be¬
willigung neuer Mittel an die Ansiedlungskommission zur weitern Durchführung
des bestehenden Ansiedlungsgesetzes, 2. eine Reform der Ansiedlungskommission,
die diese in liberaler Weise den Anforderungen des wirtschaftlichen Kampfes
besser anpaßt als bisher, und 3. die Notwendigkeit von Mitteln zum Studium
der Polenfrage innerhalb und außerhalb Preußens. Zwei Jahre halten wir
den Sturm der Polen unter den bestehenden Bedingungen wohl noch aus, und
in zwei Jahren kann uns das Material zu einer allseitigen Beurteilung der
Polenfrage beschafft werden.




Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika
L. Fitger von

> öge ein Geist im Guten oder im Bösen hervorragen, seine Spuren
prägen sich seiner Zeit, seinem Volke tief ein. Für die letzten
vier Jahrzehnte, für die Vereinigten Staaten wird man einst von
einer Ära Rockefeller sprechen; von einer Ära Roosevelt erst, wenn
!sie jene abgelöst hat, was sich das gegenwärtige Haupt des
amerikanischen Volkes ruhmvoll zum Ziel gesetzt hat. Die sich jetzt in vollstem
Gange befindende amerikanische Handelskrisis wird ihm seine Aufgabe erleichtern.
Der Augiasstall, durch den der Strom der amerikanischen Gesetzgebung ge¬
leitet werden soll, ist nicht erst durch den Petroleumkönig und seine Spie߬
gesellen, „schlimmer als Anarchisten und Straßenräuber", wie der Herkules dieses


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[0562] Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika schließt, soll in Preußen ein Gesetz eingeführt werden, das in unser Rechts¬ bewußtsein die schwerste Erschütterung bringt, und das für die gesamte politische und soziale Entwicklung Deutschlands die schwersten Folgen birgt! Professor Bernhardt wird viele von der Notwendigkeit eines Enteignungsgesetzes in Posen und Westpreußen überzeugen, weil er selbst keine Vorschläge macht, viele aber wird er auch zur Überzeugung bringen, daß zunächst eine Revision unsrer Polenpolitik am Platz ist, ehe wir weiter arbeiten. Denn eins geht aus den Ausführungen des Verfassers klar hervor: wir kennen die Polenfrage noch nicht genügend, als daß wir auf unsre Kenntnisse gestützt eine im deutsch-staatlichen Sinne erfolgreiche Polenpolitik treiben können. Der Autor hat recht: mit Schlagen und Vertragen ist es nicht getan, und in der gegenwärtigen Zeit eine Versöhnungspolitik anzutreten wäre falsch. Aber ebenso falsch wäre es, sich durch eine Gesetzgebung zu binden, die in sich die schwersten Gefahren für die Zukunft des ganzen Landes birgt. Aus Herrn Bernhardts Ausführungen dürfen wir folgern: 1. die Notwendigkeit der Be¬ willigung neuer Mittel an die Ansiedlungskommission zur weitern Durchführung des bestehenden Ansiedlungsgesetzes, 2. eine Reform der Ansiedlungskommission, die diese in liberaler Weise den Anforderungen des wirtschaftlichen Kampfes besser anpaßt als bisher, und 3. die Notwendigkeit von Mitteln zum Studium der Polenfrage innerhalb und außerhalb Preußens. Zwei Jahre halten wir den Sturm der Polen unter den bestehenden Bedingungen wohl noch aus, und in zwei Jahren kann uns das Material zu einer allseitigen Beurteilung der Polenfrage beschafft werden. Trusts, Schwindel, Handelskrisis in Amerika L. Fitger von > öge ein Geist im Guten oder im Bösen hervorragen, seine Spuren prägen sich seiner Zeit, seinem Volke tief ein. Für die letzten vier Jahrzehnte, für die Vereinigten Staaten wird man einst von einer Ära Rockefeller sprechen; von einer Ära Roosevelt erst, wenn !sie jene abgelöst hat, was sich das gegenwärtige Haupt des amerikanischen Volkes ruhmvoll zum Ziel gesetzt hat. Die sich jetzt in vollstem Gange befindende amerikanische Handelskrisis wird ihm seine Aufgabe erleichtern. Der Augiasstall, durch den der Strom der amerikanischen Gesetzgebung ge¬ leitet werden soll, ist nicht erst durch den Petroleumkönig und seine Spie߬ gesellen, „schlimmer als Anarchisten und Straßenräuber", wie der Herkules dieses

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/562>, abgerufen am 26.05.2024.