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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Adolf Stern

>in offnen Geanern. sondern auch den unsichern Freunden und den falschen
Ärzten gegenüber das Panier einer gründlichen auf eins^r Listiger un sitt¬
licher Arbeit beruhenden sprachlichen und geschichtlichen Bildung als der
G^undt^ hochzuMen zum Wohle unsrer Jugend
und zum Segen für die Zukunft unsers Volkes.


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Adolf Stern

cum wir Adolf Stern als Literarhistoriker zwanglos und doch
knapp charakterisieren wollen, so kann das nicht besser geschehn
als durch ein paar Sätze aus einem Hettnerschen Brief an Erich
Schmidt, den Stern, sicherlich nicht ohne besondre Absicht, in
seiner Lebensbeschreibung Hermann Hettners zitiert: "Ich halte
"ach wie vor fest an der Überzeugung, daß es mit der Philologie allein
"lebt getan ist, sondern daß in der Beurteilung von Kunstwerken schließlich
doch das nachempsindende Kunstgefühl die Hauptsache bleiben muß. Aber aller-
dings verachte auch ich das Ästhetisieren, wenn es der geschichtlichen Grund¬
lage entbehrt."

Da haben wir den ganzen Stern, der trotz wertvollen Entdeckungen (er
hat unter andern den Verfasser der "Insel Felsenburg" festgestellt) in seiner
uerarhistorischen Arbeit doch das Hauptgewicht nicht legte auf das Philologische,
wildem auf die Beurteilung der Kunstwerke und der Künstler aus dem eignen
nachempfindenden Kunstgefühl heraus -- und Stern konnte den Bogen dieser
. achempfiiidung weit genug spannen. Welchen großen Kreis er übersah, lehrt
>ewe Geschichte der neuern Literatur, von deren "Freskobildern" Krüger mit
leche spricht. Und derselbe Stern, der verrufen war als ein Gegner der jüngsten
Entwicklung, und dem nach seinem eignen Ausdruck die neusten Revolutionäre
Entdeckungen auf den Kopf schmetterten, die er in aller Stille längst gemacht
und vertreten hatte, hat schon im Jahre 1885 in Henrik Ibsen, mit dessen
Ulterswerken er später freilich nicht mehr mitging, das heiße Herz zu finden
gewußt, wo viele Junge und Alte nur kalt grübelnden Verstand spürten.

Adolf Stern hat Friedrich Hebbel zuerst im Jahre 1855 in Leipzig gesehn
bei einem Besuche, den Hebbel einem dortigen Schriftsteller abstattete. Aber
obwohl er damals schon voll den Eindruck von Hebbels ungewöhnlicher Per¬
sönlichkeit hatte ("mir war, als ob jede Äußerung Hebbels ein Fenster in die
große freie Welt hin aufrisse, welche hierüber den Nebendingen des Handwerks
al??^" wurde"), hat er doch selbst erst die spätere Zusammenkunft in Weimar
den eigentlichen Beginn seiner persönlichen Beziehungen zu Hebbel betrachtet.


Grenzboten IV 1907 7S
Adolf Stern

>in offnen Geanern. sondern auch den unsichern Freunden und den falschen
Ärzten gegenüber das Panier einer gründlichen auf eins^r Listiger un sitt¬
licher Arbeit beruhenden sprachlichen und geschichtlichen Bildung als der
G^undt^ hochzuMen zum Wohle unsrer Jugend
und zum Segen für die Zukunft unsers Volkes.


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Adolf Stern

cum wir Adolf Stern als Literarhistoriker zwanglos und doch
knapp charakterisieren wollen, so kann das nicht besser geschehn
als durch ein paar Sätze aus einem Hettnerschen Brief an Erich
Schmidt, den Stern, sicherlich nicht ohne besondre Absicht, in
seiner Lebensbeschreibung Hermann Hettners zitiert: „Ich halte
"ach wie vor fest an der Überzeugung, daß es mit der Philologie allein
"lebt getan ist, sondern daß in der Beurteilung von Kunstwerken schließlich
doch das nachempsindende Kunstgefühl die Hauptsache bleiben muß. Aber aller-
dings verachte auch ich das Ästhetisieren, wenn es der geschichtlichen Grund¬
lage entbehrt."

Da haben wir den ganzen Stern, der trotz wertvollen Entdeckungen (er
hat unter andern den Verfasser der „Insel Felsenburg" festgestellt) in seiner
uerarhistorischen Arbeit doch das Hauptgewicht nicht legte auf das Philologische,
wildem auf die Beurteilung der Kunstwerke und der Künstler aus dem eignen
nachempfindenden Kunstgefühl heraus — und Stern konnte den Bogen dieser
. achempfiiidung weit genug spannen. Welchen großen Kreis er übersah, lehrt
>ewe Geschichte der neuern Literatur, von deren „Freskobildern" Krüger mit
leche spricht. Und derselbe Stern, der verrufen war als ein Gegner der jüngsten
Entwicklung, und dem nach seinem eignen Ausdruck die neusten Revolutionäre
Entdeckungen auf den Kopf schmetterten, die er in aller Stille längst gemacht
und vertreten hatte, hat schon im Jahre 1885 in Henrik Ibsen, mit dessen
Ulterswerken er später freilich nicht mehr mitging, das heiße Herz zu finden
gewußt, wo viele Junge und Alte nur kalt grübelnden Verstand spürten.

Adolf Stern hat Friedrich Hebbel zuerst im Jahre 1855 in Leipzig gesehn
bei einem Besuche, den Hebbel einem dortigen Schriftsteller abstattete. Aber
obwohl er damals schon voll den Eindruck von Hebbels ungewöhnlicher Per¬
sönlichkeit hatte („mir war, als ob jede Äußerung Hebbels ein Fenster in die
große freie Welt hin aufrisse, welche hierüber den Nebendingen des Handwerks
al??^" wurde"), hat er doch selbst erst die spätere Zusammenkunft in Weimar
den eigentlichen Beginn seiner persönlichen Beziehungen zu Hebbel betrachtet.


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[0581] Adolf Stern >in offnen Geanern. sondern auch den unsichern Freunden und den falschen Ärzten gegenüber das Panier einer gründlichen auf eins^r Listiger un sitt¬ licher Arbeit beruhenden sprachlichen und geschichtlichen Bildung als der G^undt^ hochzuMen zum Wohle unsrer Jugend und zum Segen für die Zukunft unsers Volkes. ^ Adolf Stern cum wir Adolf Stern als Literarhistoriker zwanglos und doch knapp charakterisieren wollen, so kann das nicht besser geschehn als durch ein paar Sätze aus einem Hettnerschen Brief an Erich Schmidt, den Stern, sicherlich nicht ohne besondre Absicht, in seiner Lebensbeschreibung Hermann Hettners zitiert: „Ich halte "ach wie vor fest an der Überzeugung, daß es mit der Philologie allein "lebt getan ist, sondern daß in der Beurteilung von Kunstwerken schließlich doch das nachempsindende Kunstgefühl die Hauptsache bleiben muß. Aber aller- dings verachte auch ich das Ästhetisieren, wenn es der geschichtlichen Grund¬ lage entbehrt." Da haben wir den ganzen Stern, der trotz wertvollen Entdeckungen (er hat unter andern den Verfasser der „Insel Felsenburg" festgestellt) in seiner uerarhistorischen Arbeit doch das Hauptgewicht nicht legte auf das Philologische, wildem auf die Beurteilung der Kunstwerke und der Künstler aus dem eignen nachempfindenden Kunstgefühl heraus — und Stern konnte den Bogen dieser . achempfiiidung weit genug spannen. Welchen großen Kreis er übersah, lehrt >ewe Geschichte der neuern Literatur, von deren „Freskobildern" Krüger mit leche spricht. Und derselbe Stern, der verrufen war als ein Gegner der jüngsten Entwicklung, und dem nach seinem eignen Ausdruck die neusten Revolutionäre Entdeckungen auf den Kopf schmetterten, die er in aller Stille längst gemacht und vertreten hatte, hat schon im Jahre 1885 in Henrik Ibsen, mit dessen Ulterswerken er später freilich nicht mehr mitging, das heiße Herz zu finden gewußt, wo viele Junge und Alte nur kalt grübelnden Verstand spürten. Adolf Stern hat Friedrich Hebbel zuerst im Jahre 1855 in Leipzig gesehn bei einem Besuche, den Hebbel einem dortigen Schriftsteller abstattete. Aber obwohl er damals schon voll den Eindruck von Hebbels ungewöhnlicher Per¬ sönlichkeit hatte („mir war, als ob jede Äußerung Hebbels ein Fenster in die große freie Welt hin aufrisse, welche hierüber den Nebendingen des Handwerks al??^" wurde"), hat er doch selbst erst die spätere Zusammenkunft in Weimar den eigentlichen Beginn seiner persönlichen Beziehungen zu Hebbel betrachtet. Grenzboten IV 1907 7S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/581>, abgerufen am 26.05.2024.