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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche Tendenz

Bank- und Kreditorganisation kurz erwähnt worden. Das Arbeitsfeld der
von der Negierung zu berufenden Enquetekommission ist viel ausgedehnter.
Wir wünschen, daß die Zusammensetzung der Kommission eine recht glückliche
sein möge, damit die schwierigen Aufgaben der Enquete restlos gelöst werden
können.




Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche
Tendenz

>le staatlichen und kommunalen Baubureaux verdanken ihren Bestand
vornehmlich einem ökonomischen Grundsatz der Staatsverwaltung.
Die Bureaukratisiernng des öffentlichen Bauwesens ergab sich aus
dem rechnerischem Denken der unpersönlichen Verwaltung, die sich
! als Bauherr vor allem mit der Frage beschäftigt: Wie mache ich
es am billigsten?

Mit persönlicher Initiative beriefen einst die Fürsten aus künstlerischen
Gründen jene Architekten, die als Baukünstler im höchsten Ansetzn standen. Noch
im achtzehnten Jahrhundert umfaßte die Akademie als Pflegestütte das ganze
Kunst- und Kunstgewerbeleben; sie war Bauakademie, und alle hohen und niedern
Künste, also auch das Handwerk waren ihr angegliedert. Die Staatsbauten
wurden von der Akademie ausgeführt, die Schüler und Handwerker, die bei
entsprechender Befähigung akademische Künstler werden konnten, hatten Gelegen¬
heit, sich an praktischen Arbeiten zu bilden. Der Staat beschäftigte seine Künstler.
Sie waren freie Künstler, auch wenn sie den Titel Hofarchitekt führten. Die
Baubehörde war bloße Rechnungsbehörde.

Als der unpersönlich gewordne moderne Verwaltungsstaat das Erbe der
Fürsten angetreten hatte, übernahm der Bureaukratismus die Funktion des
Architekten und schaltete die Bauakademie aus dem Zusammenhang mit den
Staatsbedürfnissen aus. Die Akademie wurde ein Schattenbild; sie erzog freie
Künstler, die vom Staat nichts zu hoffen hatten. Der Staat erzieht jetzt zwar
Künstler, aber er verwendet nur Beamte.

Die Baukunst im Staatswesen stieg mit dem Nuhmessinn des persönlichen
Bauherrn, aber sie verfiel durch den Sparsinn des unpersönlichen Bnreaukratismus.
Wir können die Konsequenzen aus der veränderten Lage ziehen. Es bieten sich
Vergleichspunkte genug, zu bemessen, ob der Sparsinn des Bureaukratismus
durch Umgehung der freien Künstlerschaft Gewinne oder Verluste gehabt hat;
ferner, ob diese Gewinne oder Verluste künstlerischer oder finanzieller Natur oder
beides zusammen sind. Um der vorherrschenden Betonung der Nützlichkeit zu
genügen, mögen die finanziellen Ergebnisse des bureaukratischen Sparsinnes in
der Staatsbauweise zuerst untersucht werden.


Grenzboten II 1908 29
Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche Tendenz

Bank- und Kreditorganisation kurz erwähnt worden. Das Arbeitsfeld der
von der Negierung zu berufenden Enquetekommission ist viel ausgedehnter.
Wir wünschen, daß die Zusammensetzung der Kommission eine recht glückliche
sein möge, damit die schwierigen Aufgaben der Enquete restlos gelöst werden
können.




Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche
Tendenz

>le staatlichen und kommunalen Baubureaux verdanken ihren Bestand
vornehmlich einem ökonomischen Grundsatz der Staatsverwaltung.
Die Bureaukratisiernng des öffentlichen Bauwesens ergab sich aus
dem rechnerischem Denken der unpersönlichen Verwaltung, die sich
! als Bauherr vor allem mit der Frage beschäftigt: Wie mache ich
es am billigsten?

Mit persönlicher Initiative beriefen einst die Fürsten aus künstlerischen
Gründen jene Architekten, die als Baukünstler im höchsten Ansetzn standen. Noch
im achtzehnten Jahrhundert umfaßte die Akademie als Pflegestütte das ganze
Kunst- und Kunstgewerbeleben; sie war Bauakademie, und alle hohen und niedern
Künste, also auch das Handwerk waren ihr angegliedert. Die Staatsbauten
wurden von der Akademie ausgeführt, die Schüler und Handwerker, die bei
entsprechender Befähigung akademische Künstler werden konnten, hatten Gelegen¬
heit, sich an praktischen Arbeiten zu bilden. Der Staat beschäftigte seine Künstler.
Sie waren freie Künstler, auch wenn sie den Titel Hofarchitekt führten. Die
Baubehörde war bloße Rechnungsbehörde.

Als der unpersönlich gewordne moderne Verwaltungsstaat das Erbe der
Fürsten angetreten hatte, übernahm der Bureaukratismus die Funktion des
Architekten und schaltete die Bauakademie aus dem Zusammenhang mit den
Staatsbedürfnissen aus. Die Akademie wurde ein Schattenbild; sie erzog freie
Künstler, die vom Staat nichts zu hoffen hatten. Der Staat erzieht jetzt zwar
Künstler, aber er verwendet nur Beamte.

Die Baukunst im Staatswesen stieg mit dem Nuhmessinn des persönlichen
Bauherrn, aber sie verfiel durch den Sparsinn des unpersönlichen Bnreaukratismus.
Wir können die Konsequenzen aus der veränderten Lage ziehen. Es bieten sich
Vergleichspunkte genug, zu bemessen, ob der Sparsinn des Bureaukratismus
durch Umgehung der freien Künstlerschaft Gewinne oder Verluste gehabt hat;
ferner, ob diese Gewinne oder Verluste künstlerischer oder finanzieller Natur oder
beides zusammen sind. Um der vorherrschenden Betonung der Nützlichkeit zu
genügen, mögen die finanziellen Ergebnisse des bureaukratischen Sparsinnes in
der Staatsbauweise zuerst untersucht werden.


Grenzboten II 1908 29
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[0229] Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche Tendenz Bank- und Kreditorganisation kurz erwähnt worden. Das Arbeitsfeld der von der Negierung zu berufenden Enquetekommission ist viel ausgedehnter. Wir wünschen, daß die Zusammensetzung der Kommission eine recht glückliche sein möge, damit die schwierigen Aufgaben der Enquete restlos gelöst werden können. Der Baubureaukratismus und seine kunstfeindliche Tendenz >le staatlichen und kommunalen Baubureaux verdanken ihren Bestand vornehmlich einem ökonomischen Grundsatz der Staatsverwaltung. Die Bureaukratisiernng des öffentlichen Bauwesens ergab sich aus dem rechnerischem Denken der unpersönlichen Verwaltung, die sich ! als Bauherr vor allem mit der Frage beschäftigt: Wie mache ich es am billigsten? Mit persönlicher Initiative beriefen einst die Fürsten aus künstlerischen Gründen jene Architekten, die als Baukünstler im höchsten Ansetzn standen. Noch im achtzehnten Jahrhundert umfaßte die Akademie als Pflegestütte das ganze Kunst- und Kunstgewerbeleben; sie war Bauakademie, und alle hohen und niedern Künste, also auch das Handwerk waren ihr angegliedert. Die Staatsbauten wurden von der Akademie ausgeführt, die Schüler und Handwerker, die bei entsprechender Befähigung akademische Künstler werden konnten, hatten Gelegen¬ heit, sich an praktischen Arbeiten zu bilden. Der Staat beschäftigte seine Künstler. Sie waren freie Künstler, auch wenn sie den Titel Hofarchitekt führten. Die Baubehörde war bloße Rechnungsbehörde. Als der unpersönlich gewordne moderne Verwaltungsstaat das Erbe der Fürsten angetreten hatte, übernahm der Bureaukratismus die Funktion des Architekten und schaltete die Bauakademie aus dem Zusammenhang mit den Staatsbedürfnissen aus. Die Akademie wurde ein Schattenbild; sie erzog freie Künstler, die vom Staat nichts zu hoffen hatten. Der Staat erzieht jetzt zwar Künstler, aber er verwendet nur Beamte. Die Baukunst im Staatswesen stieg mit dem Nuhmessinn des persönlichen Bauherrn, aber sie verfiel durch den Sparsinn des unpersönlichen Bnreaukratismus. Wir können die Konsequenzen aus der veränderten Lage ziehen. Es bieten sich Vergleichspunkte genug, zu bemessen, ob der Sparsinn des Bureaukratismus durch Umgehung der freien Künstlerschaft Gewinne oder Verluste gehabt hat; ferner, ob diese Gewinne oder Verluste künstlerischer oder finanzieller Natur oder beides zusammen sind. Um der vorherrschenden Betonung der Nützlichkeit zu genügen, mögen die finanziellen Ergebnisse des bureaukratischen Sparsinnes in der Staatsbauweise zuerst untersucht werden. Grenzboten II 1908 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/229>, abgerufen am 01.05.2024.