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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Das Gerichtswesen bei den Negern in Britisch-Jentralafrika

Zutreffend sind auch die Schlußbetrcichtnngen, in denen das Werk aus¬
klingt. Nosberg - Rekow widerlegt hier den Standpunkt gewisser politischer
Parteien, wonach wir Europäer keinen Rechtstitel Hütten, friedlichen Völkern
ins Land zu brechen und ihnen unsre Kulturformen aufzudrängen, mit
dem Hinweis, daß nur die Kultur wahrhaft groß und fortschrittlich genannt
werden kann, die in ihrem innersten Wesen davon durchdrungen ist, daß ihre
Ziele die höchsten sind und von den Zielen keiner andern übertroffen werden,
v. F. und die infolgedessen den innern Drang hat, sich andern mitzuteilen.




Das Gerichtswesen bei den Negern in Vritisch-
Zentralafrika
nark Fricke von in Lhiromo (Britisch - Zentralafrika)

n der letzten Zeit ist man an maßgebenden Stellen in Berlin
damit beschäftigt, für das Gerichtswesen in unsern Kolonien das
Recht für die Neger festzustellen. Da diese wohl eine gewisse
Gerichtsbarkeit unter sich kennen, wird es darauf ankommen
müssen, sich die Rechtsanschauungen der Neger zu eigen zu
machen, wenn man die Negersecle vollkommen versteh" will. Es dürfte deshalb
interessieren, von den Gebräuchen bei der Ncgerjustiz der Eingebornen in
Britisch-Zentralafrika etwas zu erfahren. Dieses Land wird von verschiednen
Stämmen bewohnt, die jedoch alle zu der bekannten Bantunegergruppe ge¬
hören. Unter den hauptsächlichsten Stämmen finden wir am Westufer des
Nyassasces die Aw-emba, Angoni, A-longa, A-chipeta. A-chewa, am südlichen
Teile des Sees, sowie an den Ufern des Shircflusscs die bedeutende Gruppe
der Anyanja, ferner die Makololo und vor allem die Yaoncger. Swahili¬
neger sind nur in geringem Maße vertreten.

Wir wollen nun zuerst betrachten, wie sich im allgemeinen die Hand¬
habung der Justiz durch die Neger des Protektorats bis zur Einrichtung einer
geordneten Verwaltung durch die Engländer im Laufe der neunziger Jahre
vollzog. Begehen wir uns in ein Negerdorf! Inmitten der vielen Hütten
sehen wir einen offnen Raum, den ein mächtiger Baum von großem Umfange
beschattet. Wegen eines Streitfalles begibt sich der Dorfrat, der aus den
ältern Männern des Dorfes besteht, unter Führung des Dorfhäuptlings auf
diesen Platz. Beide Parteien bringen nun ihre Sache vor, ohne sich, im
Gegensatz zu unsern heimischen Gerichtshöfen, gegenseitig zu unterbrechen.
Ihre große Beredsamkeit, ihre unglaubliche Zungengewandtheit in der Vor-


Das Gerichtswesen bei den Negern in Britisch-Jentralafrika

Zutreffend sind auch die Schlußbetrcichtnngen, in denen das Werk aus¬
klingt. Nosberg - Rekow widerlegt hier den Standpunkt gewisser politischer
Parteien, wonach wir Europäer keinen Rechtstitel Hütten, friedlichen Völkern
ins Land zu brechen und ihnen unsre Kulturformen aufzudrängen, mit
dem Hinweis, daß nur die Kultur wahrhaft groß und fortschrittlich genannt
werden kann, die in ihrem innersten Wesen davon durchdrungen ist, daß ihre
Ziele die höchsten sind und von den Zielen keiner andern übertroffen werden,
v. F. und die infolgedessen den innern Drang hat, sich andern mitzuteilen.




Das Gerichtswesen bei den Negern in Vritisch-
Zentralafrika
nark Fricke von in Lhiromo (Britisch - Zentralafrika)

n der letzten Zeit ist man an maßgebenden Stellen in Berlin
damit beschäftigt, für das Gerichtswesen in unsern Kolonien das
Recht für die Neger festzustellen. Da diese wohl eine gewisse
Gerichtsbarkeit unter sich kennen, wird es darauf ankommen
müssen, sich die Rechtsanschauungen der Neger zu eigen zu
machen, wenn man die Negersecle vollkommen versteh» will. Es dürfte deshalb
interessieren, von den Gebräuchen bei der Ncgerjustiz der Eingebornen in
Britisch-Zentralafrika etwas zu erfahren. Dieses Land wird von verschiednen
Stämmen bewohnt, die jedoch alle zu der bekannten Bantunegergruppe ge¬
hören. Unter den hauptsächlichsten Stämmen finden wir am Westufer des
Nyassasces die Aw-emba, Angoni, A-longa, A-chipeta. A-chewa, am südlichen
Teile des Sees, sowie an den Ufern des Shircflusscs die bedeutende Gruppe
der Anyanja, ferner die Makololo und vor allem die Yaoncger. Swahili¬
neger sind nur in geringem Maße vertreten.

Wir wollen nun zuerst betrachten, wie sich im allgemeinen die Hand¬
habung der Justiz durch die Neger des Protektorats bis zur Einrichtung einer
geordneten Verwaltung durch die Engländer im Laufe der neunziger Jahre
vollzog. Begehen wir uns in ein Negerdorf! Inmitten der vielen Hütten
sehen wir einen offnen Raum, den ein mächtiger Baum von großem Umfange
beschattet. Wegen eines Streitfalles begibt sich der Dorfrat, der aus den
ältern Männern des Dorfes besteht, unter Führung des Dorfhäuptlings auf
diesen Platz. Beide Parteien bringen nun ihre Sache vor, ohne sich, im
Gegensatz zu unsern heimischen Gerichtshöfen, gegenseitig zu unterbrechen.
Ihre große Beredsamkeit, ihre unglaubliche Zungengewandtheit in der Vor-


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[0031] Das Gerichtswesen bei den Negern in Britisch-Jentralafrika Zutreffend sind auch die Schlußbetrcichtnngen, in denen das Werk aus¬ klingt. Nosberg - Rekow widerlegt hier den Standpunkt gewisser politischer Parteien, wonach wir Europäer keinen Rechtstitel Hütten, friedlichen Völkern ins Land zu brechen und ihnen unsre Kulturformen aufzudrängen, mit dem Hinweis, daß nur die Kultur wahrhaft groß und fortschrittlich genannt werden kann, die in ihrem innersten Wesen davon durchdrungen ist, daß ihre Ziele die höchsten sind und von den Zielen keiner andern übertroffen werden, v. F. und die infolgedessen den innern Drang hat, sich andern mitzuteilen. Das Gerichtswesen bei den Negern in Vritisch- Zentralafrika nark Fricke von in Lhiromo (Britisch - Zentralafrika) n der letzten Zeit ist man an maßgebenden Stellen in Berlin damit beschäftigt, für das Gerichtswesen in unsern Kolonien das Recht für die Neger festzustellen. Da diese wohl eine gewisse Gerichtsbarkeit unter sich kennen, wird es darauf ankommen müssen, sich die Rechtsanschauungen der Neger zu eigen zu machen, wenn man die Negersecle vollkommen versteh» will. Es dürfte deshalb interessieren, von den Gebräuchen bei der Ncgerjustiz der Eingebornen in Britisch-Zentralafrika etwas zu erfahren. Dieses Land wird von verschiednen Stämmen bewohnt, die jedoch alle zu der bekannten Bantunegergruppe ge¬ hören. Unter den hauptsächlichsten Stämmen finden wir am Westufer des Nyassasces die Aw-emba, Angoni, A-longa, A-chipeta. A-chewa, am südlichen Teile des Sees, sowie an den Ufern des Shircflusscs die bedeutende Gruppe der Anyanja, ferner die Makololo und vor allem die Yaoncger. Swahili¬ neger sind nur in geringem Maße vertreten. Wir wollen nun zuerst betrachten, wie sich im allgemeinen die Hand¬ habung der Justiz durch die Neger des Protektorats bis zur Einrichtung einer geordneten Verwaltung durch die Engländer im Laufe der neunziger Jahre vollzog. Begehen wir uns in ein Negerdorf! Inmitten der vielen Hütten sehen wir einen offnen Raum, den ein mächtiger Baum von großem Umfange beschattet. Wegen eines Streitfalles begibt sich der Dorfrat, der aus den ältern Männern des Dorfes besteht, unter Führung des Dorfhäuptlings auf diesen Platz. Beide Parteien bringen nun ihre Sache vor, ohne sich, im Gegensatz zu unsern heimischen Gerichtshöfen, gegenseitig zu unterbrechen. Ihre große Beredsamkeit, ihre unglaubliche Zungengewandtheit in der Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/31>, abgerufen am 01.05.2024.