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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Asiatische Probleme

Gedanken bescheiden, daß nicht der der glücklichste ist, der das meiste an sich
reißt, sondern der, dem es gelingt, die ihm von der Natur verliehenen Fähig¬
keiten voll auszunutzen und damit die Grundlage seines Wesens harmonisch
auszugestalten. Solche Ideen sind vielleicht gut für das einzelne Individuum,
aber grundfalsch für einen Staat. Was hülfe es dem Deutschen Reiche, sich
innerlich harmonisch auszugestalten, wenn es nicht zugleich auch die Macht
seines Heeres und seiner Flotte erweiterte, um diese innere Harmonie jederzeit
vor einem Angriffe von außen her erfolgreich schützen zu können? Unsre
ganze Kultur würde in Stücke geschlagen und vernichtet werden, wenn die
andern Weltmächte eine Wahrscheinlichkeit des Erfolges gegen uns sehen
könnten. Das hat uns die Geschichte gelehrt, und nie dürfen wir vergessen,
daß uns unsre geographische Lage zwingt, vor allem immer für die Unüber¬
windlichkeit unsers Heeres und für die Vergrößerung unsrer Flotte zu sorgen
und erst dann weltbürgerlichen Träumen nachzuhängen.

Überall da, wo der Verfasser objektiv bleibt, sind seine Schilderungen
klar und einwandfrei. Mit großer Anschaulichkeit spricht er von den großen
asiatischen Eisenbahnen. Er erwähnt, daß die sibirische Eisenbahn wegen ihres
sehr leichten Oberbauch und der häufigen Entgleisungen, trotz ihrer Kriegs¬
leistung (die selbst der japanische Kriegsminister als über Erwarten großartig
bezeichnet hat) nicht als ein vollwertiges Verkehrsmittel gelten kann. Mit
Recht hält er die Bagdadbahn für viel bedeutender für den Weltverkehr als
die sibirische Eisenbahn.

Die gelbe Gefahr schätzt Vosberg-Rekow durchaus richtig ein und kommt
zu dem Schluß, daß die weiße Rasse (zu der ja auch wir Deutschen gehören),
die sich heute im Besitz der überlegnen Arbeitsmethoden befindet, den zur
Passivität neigenden Asiaten überwunden haben wird, ehe dieser sich die
Methoden angeeignet haben kann, und daß infolgedessen nicht die europäische
Produktion vor der asiatischen die Segel wird streichen müssen, sondern daß
die^ asiatische Produktion erliegen und erst emporblühen wird, wenn sie sich
unter der Herrschaft des europäischen Geistes die westliche Kultur innerlich
assimiliert hat. Auch der Ansicht des Verfassers, daß eine Abschließung
Chinas durch Japan China selbst nicht dulden wird, und daß der chinesische
Kaufmann im Welthandel immer den sich durch den Mangel jeglicher Ver¬
tragstreue auszeichnenden Japaner in den Schatten stellen wird, wird jeder
Kenner des fernen Ostens zustimmen. Lignitz, der in der Deutschen
Kolonialzeitung im Gegensatz hierzu ausführt, der Japaner sei viel zu klug,
um nicht zu wissen, daß ehrlich am längsten währt, würde sich durch Befragen
irgendeines deutschen, englischen oder amerikanischen Kaufmanns, der mit den
Japanern Handelsgeschäfte getrieben hat, überzeugen können, daß Vosberg-
Rekow völlig richtig urteilt, wenn er sagt: "Der chinesische Kaufmann ist
ebenso ernst zu nehmen, ist ebenso treu und zuverlässig, wie der Japaner un¬
zuverlässig ist."


Asiatische Probleme

Gedanken bescheiden, daß nicht der der glücklichste ist, der das meiste an sich
reißt, sondern der, dem es gelingt, die ihm von der Natur verliehenen Fähig¬
keiten voll auszunutzen und damit die Grundlage seines Wesens harmonisch
auszugestalten. Solche Ideen sind vielleicht gut für das einzelne Individuum,
aber grundfalsch für einen Staat. Was hülfe es dem Deutschen Reiche, sich
innerlich harmonisch auszugestalten, wenn es nicht zugleich auch die Macht
seines Heeres und seiner Flotte erweiterte, um diese innere Harmonie jederzeit
vor einem Angriffe von außen her erfolgreich schützen zu können? Unsre
ganze Kultur würde in Stücke geschlagen und vernichtet werden, wenn die
andern Weltmächte eine Wahrscheinlichkeit des Erfolges gegen uns sehen
könnten. Das hat uns die Geschichte gelehrt, und nie dürfen wir vergessen,
daß uns unsre geographische Lage zwingt, vor allem immer für die Unüber¬
windlichkeit unsers Heeres und für die Vergrößerung unsrer Flotte zu sorgen
und erst dann weltbürgerlichen Träumen nachzuhängen.

Überall da, wo der Verfasser objektiv bleibt, sind seine Schilderungen
klar und einwandfrei. Mit großer Anschaulichkeit spricht er von den großen
asiatischen Eisenbahnen. Er erwähnt, daß die sibirische Eisenbahn wegen ihres
sehr leichten Oberbauch und der häufigen Entgleisungen, trotz ihrer Kriegs¬
leistung (die selbst der japanische Kriegsminister als über Erwarten großartig
bezeichnet hat) nicht als ein vollwertiges Verkehrsmittel gelten kann. Mit
Recht hält er die Bagdadbahn für viel bedeutender für den Weltverkehr als
die sibirische Eisenbahn.

Die gelbe Gefahr schätzt Vosberg-Rekow durchaus richtig ein und kommt
zu dem Schluß, daß die weiße Rasse (zu der ja auch wir Deutschen gehören),
die sich heute im Besitz der überlegnen Arbeitsmethoden befindet, den zur
Passivität neigenden Asiaten überwunden haben wird, ehe dieser sich die
Methoden angeeignet haben kann, und daß infolgedessen nicht die europäische
Produktion vor der asiatischen die Segel wird streichen müssen, sondern daß
die^ asiatische Produktion erliegen und erst emporblühen wird, wenn sie sich
unter der Herrschaft des europäischen Geistes die westliche Kultur innerlich
assimiliert hat. Auch der Ansicht des Verfassers, daß eine Abschließung
Chinas durch Japan China selbst nicht dulden wird, und daß der chinesische
Kaufmann im Welthandel immer den sich durch den Mangel jeglicher Ver¬
tragstreue auszeichnenden Japaner in den Schatten stellen wird, wird jeder
Kenner des fernen Ostens zustimmen. Lignitz, der in der Deutschen
Kolonialzeitung im Gegensatz hierzu ausführt, der Japaner sei viel zu klug,
um nicht zu wissen, daß ehrlich am längsten währt, würde sich durch Befragen
irgendeines deutschen, englischen oder amerikanischen Kaufmanns, der mit den
Japanern Handelsgeschäfte getrieben hat, überzeugen können, daß Vosberg-
Rekow völlig richtig urteilt, wenn er sagt: „Der chinesische Kaufmann ist
ebenso ernst zu nehmen, ist ebenso treu und zuverlässig, wie der Japaner un¬
zuverlässig ist."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/30>, abgerufen am 22.05.2024.