Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

und die persönlichen Beziehungen des Königs jetzt so stark unterstützte Politik der
englischen Regierung -- so muß mein korrekt nennen, was gewöhnlich die Politik
des Königs Eduard heißt -- schwerlich in dem Maße erfolgreich gewesen wäre,
wenn sie nicht durch den Eindruck, als sei es vor allem auf Deutschland abgesehen,
in den deutschfeindlichen Kreisen verschiedner Länder gewisse Hoffnungen geweckt hätte.
Wir bestreiten nur, daß diese "Einkreisung", die jedenfalls nicht der leitende Ge¬
danke der englischen Politik ist, sondern nur ein nebenbei abfallender Erfolg, der
erst durch die Anerkennung unsrer öffentlichen Meinung ein solcher geworden ist,
mit Recht zum Ausgangspunkt genommen werden kann, um die Behauptung von
unsrer völligen Isolierung in alle Welt hinauszuschreien. In Wirklichkeit liegen
die Dinge nicht so einfach, daß der König von Großbritannien die Mächte Europas
nur mit einiger Liebenswürdigkeit und Schlauheit zu einem kriegerischen Kessel¬
treiben gegen Deutschland zusammenbringen könnte, so wie ein Gutsbesitzer die
Nachbarn zu einer Hasenjagd einladet. Die Zeiten sind denn doch vorüber. Kürzlich
brachte eine französische Zeitung eine angeblich aus England stammende Zuschrift,
wonach der Vorteil eines großen, rings um Deutschland gebildeten Mächtekonzerns
darin liegen sollte, daß Deutschland dann dem "friedlichen" (!) Druck dieser Mächte
nachgeben und sich dem Abrüstungsgedanken anbequeme" müßte. Woher dieser große
Gedanke wirklich stammt, lohnt sich nicht zu erörtern. Jedenfalls enthalt er eine
erstaunliche Fülle von reiner Torheit. Eine Aktion der Mächte gegen Deutschland
müßte doch die natürliche Folge haben, daß es seine Rüstung verstärkt. Daß deutsch¬
feindliche Politiker im Auslande darüber im unklaren sein können, erklärt sich mir
daraus, daß sie in einem große" Teil der deutscheu Presse nicht der selbstbewußten
Festigkeit begegnet sind, die der richtige Ausdruck unsrer öffentlichen Meinung hätte
sein müssen, sondern dein würdelosen Modegeschrei über die Anschläge des Königs
Eduard. Dadurch mußte" sie zu der Meinung kommen, Deutschland lasse sich in
der Tat durch jeden bloßen Schein einer Bedrohung nervös machen und einschüchtern.
Hoffentlich wird diese Stimmung bald -- nicht durch den "rosenfarbne" Optimis¬
mus", von dem in manchen Kreisen oft tadelnd gesprochen wird --, wohl aber
durch eine kältere und sachlichere Beurteilung der Wirklichkeit ersetzt.




Vom Zeitunglesen.

Ich muß bekennen, daß ich so unmodern bin. höchst
ungern Zeitungen zu lesen. Und wenn ich bei andern sehe, daß sie mehrere Stunden
des Tages mit dieser nervenangreifcnden Arbeit verbringen, dann empfinde ich ein
großes Vergnügen über meine Kraft- und Zeitersparnis. Wenn ich aber merke, wie
sehr der Gewohnheitszeitungsleser auch innerlich Schaden leidet, dann empöre ich
mich dagegen! Es ist gar nicht anders möglich, als daß das viele Zeitunglesen
schädigend auf den Geist einwirkt. Einmal untergräbt es die klare, selbständige
Urteilskraft; man kann häufig genug beobachten, daß bei auftauchenden Fragen erst
nach dem Studium der Zeitung ein Urteil abgegeben werden kann. Oder daß sich
das Urteil sofort ändert, je nach dem Leitartikel, der erst später erschien. Vor allem
andern aber: es stumpft ub. Wie ein Narkotikum reizen die täglichen Nachrichten
und Beschreibungen aller denkbaren Morde, Verbrechen und Unglücksfälle momentan
die Phantasie auf. Es sind keine schönen Vorstellungen, die sich unwillkürlich ans
diesen Anreiz einstellen! Und die tägliche Übung in solchen häßlichen, niedrigen
Bildern ist eine sehr ernste Sache im Nerven- und Seelenleben. Unbegreiflich, wie
man diesen Schaden am eignen Ich so gering anschlagen kann, heute, wo alle über
schlechte Nerven zu klagen haben! Die weitere unausweichliche Folge des geistigen
Nnrkotikums ist die Erschlaffung, die Abstumpfung. Wenn man jeden Tag mindestens
von einem halben Dutzend Mord- und Arkaden liest, dann stellt sich kein Grauen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

und die persönlichen Beziehungen des Königs jetzt so stark unterstützte Politik der
englischen Regierung — so muß mein korrekt nennen, was gewöhnlich die Politik
des Königs Eduard heißt — schwerlich in dem Maße erfolgreich gewesen wäre,
wenn sie nicht durch den Eindruck, als sei es vor allem auf Deutschland abgesehen,
in den deutschfeindlichen Kreisen verschiedner Länder gewisse Hoffnungen geweckt hätte.
Wir bestreiten nur, daß diese „Einkreisung", die jedenfalls nicht der leitende Ge¬
danke der englischen Politik ist, sondern nur ein nebenbei abfallender Erfolg, der
erst durch die Anerkennung unsrer öffentlichen Meinung ein solcher geworden ist,
mit Recht zum Ausgangspunkt genommen werden kann, um die Behauptung von
unsrer völligen Isolierung in alle Welt hinauszuschreien. In Wirklichkeit liegen
die Dinge nicht so einfach, daß der König von Großbritannien die Mächte Europas
nur mit einiger Liebenswürdigkeit und Schlauheit zu einem kriegerischen Kessel¬
treiben gegen Deutschland zusammenbringen könnte, so wie ein Gutsbesitzer die
Nachbarn zu einer Hasenjagd einladet. Die Zeiten sind denn doch vorüber. Kürzlich
brachte eine französische Zeitung eine angeblich aus England stammende Zuschrift,
wonach der Vorteil eines großen, rings um Deutschland gebildeten Mächtekonzerns
darin liegen sollte, daß Deutschland dann dem „friedlichen" (!) Druck dieser Mächte
nachgeben und sich dem Abrüstungsgedanken anbequeme» müßte. Woher dieser große
Gedanke wirklich stammt, lohnt sich nicht zu erörtern. Jedenfalls enthalt er eine
erstaunliche Fülle von reiner Torheit. Eine Aktion der Mächte gegen Deutschland
müßte doch die natürliche Folge haben, daß es seine Rüstung verstärkt. Daß deutsch¬
feindliche Politiker im Auslande darüber im unklaren sein können, erklärt sich mir
daraus, daß sie in einem große» Teil der deutscheu Presse nicht der selbstbewußten
Festigkeit begegnet sind, die der richtige Ausdruck unsrer öffentlichen Meinung hätte
sein müssen, sondern dein würdelosen Modegeschrei über die Anschläge des Königs
Eduard. Dadurch mußte» sie zu der Meinung kommen, Deutschland lasse sich in
der Tat durch jeden bloßen Schein einer Bedrohung nervös machen und einschüchtern.
Hoffentlich wird diese Stimmung bald — nicht durch den „rosenfarbne» Optimis¬
mus", von dem in manchen Kreisen oft tadelnd gesprochen wird —, wohl aber
durch eine kältere und sachlichere Beurteilung der Wirklichkeit ersetzt.




Vom Zeitunglesen.

Ich muß bekennen, daß ich so unmodern bin. höchst
ungern Zeitungen zu lesen. Und wenn ich bei andern sehe, daß sie mehrere Stunden
des Tages mit dieser nervenangreifcnden Arbeit verbringen, dann empfinde ich ein
großes Vergnügen über meine Kraft- und Zeitersparnis. Wenn ich aber merke, wie
sehr der Gewohnheitszeitungsleser auch innerlich Schaden leidet, dann empöre ich
mich dagegen! Es ist gar nicht anders möglich, als daß das viele Zeitunglesen
schädigend auf den Geist einwirkt. Einmal untergräbt es die klare, selbständige
Urteilskraft; man kann häufig genug beobachten, daß bei auftauchenden Fragen erst
nach dem Studium der Zeitung ein Urteil abgegeben werden kann. Oder daß sich
das Urteil sofort ändert, je nach dem Leitartikel, der erst später erschien. Vor allem
andern aber: es stumpft ub. Wie ein Narkotikum reizen die täglichen Nachrichten
und Beschreibungen aller denkbaren Morde, Verbrechen und Unglücksfälle momentan
die Phantasie auf. Es sind keine schönen Vorstellungen, die sich unwillkürlich ans
diesen Anreiz einstellen! Und die tägliche Übung in solchen häßlichen, niedrigen
Bildern ist eine sehr ernste Sache im Nerven- und Seelenleben. Unbegreiflich, wie
man diesen Schaden am eignen Ich so gering anschlagen kann, heute, wo alle über
schlechte Nerven zu klagen haben! Die weitere unausweichliche Folge des geistigen
Nnrkotikums ist die Erschlaffung, die Abstumpfung. Wenn man jeden Tag mindestens
von einem halben Dutzend Mord- und Arkaden liest, dann stellt sich kein Grauen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312234"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2137" prev="#ID_2136"> und die persönlichen Beziehungen des Königs jetzt so stark unterstützte Politik der<lb/>
englischen Regierung &#x2014; so muß mein korrekt nennen, was gewöhnlich die Politik<lb/>
des Königs Eduard heißt &#x2014; schwerlich in dem Maße erfolgreich gewesen wäre,<lb/>
wenn sie nicht durch den Eindruck, als sei es vor allem auf Deutschland abgesehen,<lb/>
in den deutschfeindlichen Kreisen verschiedner Länder gewisse Hoffnungen geweckt hätte.<lb/>
Wir bestreiten nur, daß diese &#x201E;Einkreisung", die jedenfalls nicht der leitende Ge¬<lb/>
danke der englischen Politik ist, sondern nur ein nebenbei abfallender Erfolg, der<lb/>
erst durch die Anerkennung unsrer öffentlichen Meinung ein solcher geworden ist,<lb/>
mit Recht zum Ausgangspunkt genommen werden kann, um die Behauptung von<lb/>
unsrer völligen Isolierung in alle Welt hinauszuschreien. In Wirklichkeit liegen<lb/>
die Dinge nicht so einfach, daß der König von Großbritannien die Mächte Europas<lb/>
nur mit einiger Liebenswürdigkeit und Schlauheit zu einem kriegerischen Kessel¬<lb/>
treiben gegen Deutschland zusammenbringen könnte, so wie ein Gutsbesitzer die<lb/>
Nachbarn zu einer Hasenjagd einladet. Die Zeiten sind denn doch vorüber. Kürzlich<lb/>
brachte eine französische Zeitung eine angeblich aus England stammende Zuschrift,<lb/>
wonach der Vorteil eines großen, rings um Deutschland gebildeten Mächtekonzerns<lb/>
darin liegen sollte, daß Deutschland dann dem &#x201E;friedlichen" (!) Druck dieser Mächte<lb/>
nachgeben und sich dem Abrüstungsgedanken anbequeme» müßte. Woher dieser große<lb/>
Gedanke wirklich stammt, lohnt sich nicht zu erörtern. Jedenfalls enthalt er eine<lb/>
erstaunliche Fülle von reiner Torheit. Eine Aktion der Mächte gegen Deutschland<lb/>
müßte doch die natürliche Folge haben, daß es seine Rüstung verstärkt. Daß deutsch¬<lb/>
feindliche Politiker im Auslande darüber im unklaren sein können, erklärt sich mir<lb/>
daraus, daß sie in einem große» Teil der deutscheu Presse nicht der selbstbewußten<lb/>
Festigkeit begegnet sind, die der richtige Ausdruck unsrer öffentlichen Meinung hätte<lb/>
sein müssen, sondern dein würdelosen Modegeschrei über die Anschläge des Königs<lb/>
Eduard. Dadurch mußte» sie zu der Meinung kommen, Deutschland lasse sich in<lb/>
der Tat durch jeden bloßen Schein einer Bedrohung nervös machen und einschüchtern.<lb/>
Hoffentlich wird diese Stimmung bald &#x2014; nicht durch den &#x201E;rosenfarbne» Optimis¬<lb/>
mus", von dem in manchen Kreisen oft tadelnd gesprochen wird &#x2014;, wohl aber<lb/>
durch eine kältere und sachlichere Beurteilung der Wirklichkeit ersetzt.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Vom Zeitunglesen.</head>
            <p xml:id="ID_2138" next="#ID_2139"> Ich muß bekennen, daß ich so unmodern bin. höchst<lb/>
ungern Zeitungen zu lesen. Und wenn ich bei andern sehe, daß sie mehrere Stunden<lb/>
des Tages mit dieser nervenangreifcnden Arbeit verbringen, dann empfinde ich ein<lb/>
großes Vergnügen über meine Kraft- und Zeitersparnis. Wenn ich aber merke, wie<lb/>
sehr der Gewohnheitszeitungsleser auch innerlich Schaden leidet, dann empöre ich<lb/>
mich dagegen! Es ist gar nicht anders möglich, als daß das viele Zeitunglesen<lb/>
schädigend auf den Geist einwirkt. Einmal untergräbt es die klare, selbständige<lb/>
Urteilskraft; man kann häufig genug beobachten, daß bei auftauchenden Fragen erst<lb/>
nach dem Studium der Zeitung ein Urteil abgegeben werden kann. Oder daß sich<lb/>
das Urteil sofort ändert, je nach dem Leitartikel, der erst später erschien. Vor allem<lb/>
andern aber: es stumpft ub. Wie ein Narkotikum reizen die täglichen Nachrichten<lb/>
und Beschreibungen aller denkbaren Morde, Verbrechen und Unglücksfälle momentan<lb/>
die Phantasie auf. Es sind keine schönen Vorstellungen, die sich unwillkürlich ans<lb/>
diesen Anreiz einstellen! Und die tägliche Übung in solchen häßlichen, niedrigen<lb/>
Bildern ist eine sehr ernste Sache im Nerven- und Seelenleben. Unbegreiflich, wie<lb/>
man diesen Schaden am eignen Ich so gering anschlagen kann, heute, wo alle über<lb/>
schlechte Nerven zu klagen haben! Die weitere unausweichliche Folge des geistigen<lb/>
Nnrkotikums ist die Erschlaffung, die Abstumpfung. Wenn man jeden Tag mindestens<lb/>
von einem halben Dutzend Mord- und Arkaden liest, dann stellt sich kein Grauen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0549] Maßgebliches und Unmaßgebliches und die persönlichen Beziehungen des Königs jetzt so stark unterstützte Politik der englischen Regierung — so muß mein korrekt nennen, was gewöhnlich die Politik des Königs Eduard heißt — schwerlich in dem Maße erfolgreich gewesen wäre, wenn sie nicht durch den Eindruck, als sei es vor allem auf Deutschland abgesehen, in den deutschfeindlichen Kreisen verschiedner Länder gewisse Hoffnungen geweckt hätte. Wir bestreiten nur, daß diese „Einkreisung", die jedenfalls nicht der leitende Ge¬ danke der englischen Politik ist, sondern nur ein nebenbei abfallender Erfolg, der erst durch die Anerkennung unsrer öffentlichen Meinung ein solcher geworden ist, mit Recht zum Ausgangspunkt genommen werden kann, um die Behauptung von unsrer völligen Isolierung in alle Welt hinauszuschreien. In Wirklichkeit liegen die Dinge nicht so einfach, daß der König von Großbritannien die Mächte Europas nur mit einiger Liebenswürdigkeit und Schlauheit zu einem kriegerischen Kessel¬ treiben gegen Deutschland zusammenbringen könnte, so wie ein Gutsbesitzer die Nachbarn zu einer Hasenjagd einladet. Die Zeiten sind denn doch vorüber. Kürzlich brachte eine französische Zeitung eine angeblich aus England stammende Zuschrift, wonach der Vorteil eines großen, rings um Deutschland gebildeten Mächtekonzerns darin liegen sollte, daß Deutschland dann dem „friedlichen" (!) Druck dieser Mächte nachgeben und sich dem Abrüstungsgedanken anbequeme» müßte. Woher dieser große Gedanke wirklich stammt, lohnt sich nicht zu erörtern. Jedenfalls enthalt er eine erstaunliche Fülle von reiner Torheit. Eine Aktion der Mächte gegen Deutschland müßte doch die natürliche Folge haben, daß es seine Rüstung verstärkt. Daß deutsch¬ feindliche Politiker im Auslande darüber im unklaren sein können, erklärt sich mir daraus, daß sie in einem große» Teil der deutscheu Presse nicht der selbstbewußten Festigkeit begegnet sind, die der richtige Ausdruck unsrer öffentlichen Meinung hätte sein müssen, sondern dein würdelosen Modegeschrei über die Anschläge des Königs Eduard. Dadurch mußte» sie zu der Meinung kommen, Deutschland lasse sich in der Tat durch jeden bloßen Schein einer Bedrohung nervös machen und einschüchtern. Hoffentlich wird diese Stimmung bald — nicht durch den „rosenfarbne» Optimis¬ mus", von dem in manchen Kreisen oft tadelnd gesprochen wird —, wohl aber durch eine kältere und sachlichere Beurteilung der Wirklichkeit ersetzt. Vom Zeitunglesen. Ich muß bekennen, daß ich so unmodern bin. höchst ungern Zeitungen zu lesen. Und wenn ich bei andern sehe, daß sie mehrere Stunden des Tages mit dieser nervenangreifcnden Arbeit verbringen, dann empfinde ich ein großes Vergnügen über meine Kraft- und Zeitersparnis. Wenn ich aber merke, wie sehr der Gewohnheitszeitungsleser auch innerlich Schaden leidet, dann empöre ich mich dagegen! Es ist gar nicht anders möglich, als daß das viele Zeitunglesen schädigend auf den Geist einwirkt. Einmal untergräbt es die klare, selbständige Urteilskraft; man kann häufig genug beobachten, daß bei auftauchenden Fragen erst nach dem Studium der Zeitung ein Urteil abgegeben werden kann. Oder daß sich das Urteil sofort ändert, je nach dem Leitartikel, der erst später erschien. Vor allem andern aber: es stumpft ub. Wie ein Narkotikum reizen die täglichen Nachrichten und Beschreibungen aller denkbaren Morde, Verbrechen und Unglücksfälle momentan die Phantasie auf. Es sind keine schönen Vorstellungen, die sich unwillkürlich ans diesen Anreiz einstellen! Und die tägliche Übung in solchen häßlichen, niedrigen Bildern ist eine sehr ernste Sache im Nerven- und Seelenleben. Unbegreiflich, wie man diesen Schaden am eignen Ich so gering anschlagen kann, heute, wo alle über schlechte Nerven zu klagen haben! Die weitere unausweichliche Folge des geistigen Nnrkotikums ist die Erschlaffung, die Abstumpfung. Wenn man jeden Tag mindestens von einem halben Dutzend Mord- und Arkaden liest, dann stellt sich kein Grauen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/549
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/549>, abgerufen am 01.05.2024.