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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Meine Jugend und die Religion

erinnert vorteilhaft an seine Vorbilder, ohne daß der Gedanke an Nachahmung
aufkommt.

Von den plastischen Darstellungen mag an erster Stelle die Salome von
Friedrich (Berlin) genannt sein, ein ernstes Werk, das Beachtung verdient, dann
eine Vronzefigur des David, das Haupt Goliaths im Triumph in die Höhe
haltend, von Levy (Friedenau), sowie ein Brunnen mit der Figur eines Mädchens
von Ludwig Cauer und von demselben eine Mutter mit Kind, Arbeiten, die weit
über das Durchschnittsmaß hinausragen. Fritz Klimschs Mädchen und Jüngling
gehören wohl zu den besten Arbeiten des Meisters aus der letzten Zeit, August
Gauls Bär (schwarzer Marmor) sowie sein Fischotter als Brunnenfigur ver¬
raten, obwohl Schöpfungen kleinern Stils, die Klaue des Löwen. Das Bronze¬
relief des Kaisers von A. v. Hildebrand bereitet den Verehrern des Münchner
Bildhauers eine kleine Enttäuschung durch seine etwas konventionelle Auffassung.
Unter den ausgestellten Büsten befindet sich manche Arbeit von bemerkens¬
werten Talent.

Die Sezession könnte einheitlicher wirken, wenn sie allzu unfertige oder
bizarre und unverständliche Darbietungen entweder ganz verbannen oder doch
wenigstens nicht geflissentlich in den Vordergrund schieben wollte. Vorerst aber
handelt man nach dem Wort des Dichters: "Sucht nur die Menschen zu ver¬
H. Eisenträger wirren, sie zu befriedigen ist schwer!"




Meine Jugend und die Religion
von Ludwig Germersheim (Fortsetzung)

l le Schule belad mich nicht schwer mit Arbeit. Ich mußte meinen
Platz als xrimulus mit andern xrimM aus andern Schulen teilen,
>dann verlor ich ihn ganz, aber das schmerzte mich nicht. Schwer
zu ertragen waren die Hänseleien einzelner Mitschüler, die mit der
Grausamkeit der Jugend meine Ungelenkheit, Schwerfälligkeit und
Schwäche ausnützten und mich vor und nach dem Unterricht höhnten
und mißhandelten. Da tat sich besonders der Sohn eines Universitätsprofessors hervor,
ein kleiner, ungemein beweglicher Junge, der mit dem Gesichte und mit Armen und
Beinen Grimassen schnitt und sich darin gefiel, mit Clownpossen den leichten Sieg
über den schwachen Goliath zu erringen und dann seinen Triumph über den hilf¬
losen Gegner, der viel mehr unter der Erfolglosigkeit und Lächerlichkeit seiner
Gegenwehr als unter den Mißhandlungen litt, zu feiern.

Mein Quäler war älter als ich und gut genährt, an Muskelkraft und Be¬
weglichkeit mir weit überlegen, sein Publikum nahm nicht nur an seinen Triumphen,
sondern auch an seinen Kämpfen teil, daher war meine ingrimmige Gegenwehr


Meine Jugend und die Religion

erinnert vorteilhaft an seine Vorbilder, ohne daß der Gedanke an Nachahmung
aufkommt.

Von den plastischen Darstellungen mag an erster Stelle die Salome von
Friedrich (Berlin) genannt sein, ein ernstes Werk, das Beachtung verdient, dann
eine Vronzefigur des David, das Haupt Goliaths im Triumph in die Höhe
haltend, von Levy (Friedenau), sowie ein Brunnen mit der Figur eines Mädchens
von Ludwig Cauer und von demselben eine Mutter mit Kind, Arbeiten, die weit
über das Durchschnittsmaß hinausragen. Fritz Klimschs Mädchen und Jüngling
gehören wohl zu den besten Arbeiten des Meisters aus der letzten Zeit, August
Gauls Bär (schwarzer Marmor) sowie sein Fischotter als Brunnenfigur ver¬
raten, obwohl Schöpfungen kleinern Stils, die Klaue des Löwen. Das Bronze¬
relief des Kaisers von A. v. Hildebrand bereitet den Verehrern des Münchner
Bildhauers eine kleine Enttäuschung durch seine etwas konventionelle Auffassung.
Unter den ausgestellten Büsten befindet sich manche Arbeit von bemerkens¬
werten Talent.

Die Sezession könnte einheitlicher wirken, wenn sie allzu unfertige oder
bizarre und unverständliche Darbietungen entweder ganz verbannen oder doch
wenigstens nicht geflissentlich in den Vordergrund schieben wollte. Vorerst aber
handelt man nach dem Wort des Dichters: „Sucht nur die Menschen zu ver¬
H. Eisenträger wirren, sie zu befriedigen ist schwer!"




Meine Jugend und die Religion
von Ludwig Germersheim (Fortsetzung)

l le Schule belad mich nicht schwer mit Arbeit. Ich mußte meinen
Platz als xrimulus mit andern xrimM aus andern Schulen teilen,
>dann verlor ich ihn ganz, aber das schmerzte mich nicht. Schwer
zu ertragen waren die Hänseleien einzelner Mitschüler, die mit der
Grausamkeit der Jugend meine Ungelenkheit, Schwerfälligkeit und
Schwäche ausnützten und mich vor und nach dem Unterricht höhnten
und mißhandelten. Da tat sich besonders der Sohn eines Universitätsprofessors hervor,
ein kleiner, ungemein beweglicher Junge, der mit dem Gesichte und mit Armen und
Beinen Grimassen schnitt und sich darin gefiel, mit Clownpossen den leichten Sieg
über den schwachen Goliath zu erringen und dann seinen Triumph über den hilf¬
losen Gegner, der viel mehr unter der Erfolglosigkeit und Lächerlichkeit seiner
Gegenwehr als unter den Mißhandlungen litt, zu feiern.

Mein Quäler war älter als ich und gut genährt, an Muskelkraft und Be¬
weglichkeit mir weit überlegen, sein Publikum nahm nicht nur an seinen Triumphen,
sondern auch an seinen Kämpfen teil, daher war meine ingrimmige Gegenwehr


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[0186] Meine Jugend und die Religion erinnert vorteilhaft an seine Vorbilder, ohne daß der Gedanke an Nachahmung aufkommt. Von den plastischen Darstellungen mag an erster Stelle die Salome von Friedrich (Berlin) genannt sein, ein ernstes Werk, das Beachtung verdient, dann eine Vronzefigur des David, das Haupt Goliaths im Triumph in die Höhe haltend, von Levy (Friedenau), sowie ein Brunnen mit der Figur eines Mädchens von Ludwig Cauer und von demselben eine Mutter mit Kind, Arbeiten, die weit über das Durchschnittsmaß hinausragen. Fritz Klimschs Mädchen und Jüngling gehören wohl zu den besten Arbeiten des Meisters aus der letzten Zeit, August Gauls Bär (schwarzer Marmor) sowie sein Fischotter als Brunnenfigur ver¬ raten, obwohl Schöpfungen kleinern Stils, die Klaue des Löwen. Das Bronze¬ relief des Kaisers von A. v. Hildebrand bereitet den Verehrern des Münchner Bildhauers eine kleine Enttäuschung durch seine etwas konventionelle Auffassung. Unter den ausgestellten Büsten befindet sich manche Arbeit von bemerkens¬ werten Talent. Die Sezession könnte einheitlicher wirken, wenn sie allzu unfertige oder bizarre und unverständliche Darbietungen entweder ganz verbannen oder doch wenigstens nicht geflissentlich in den Vordergrund schieben wollte. Vorerst aber handelt man nach dem Wort des Dichters: „Sucht nur die Menschen zu ver¬ H. Eisenträger wirren, sie zu befriedigen ist schwer!" Meine Jugend und die Religion von Ludwig Germersheim (Fortsetzung) l le Schule belad mich nicht schwer mit Arbeit. Ich mußte meinen Platz als xrimulus mit andern xrimM aus andern Schulen teilen, >dann verlor ich ihn ganz, aber das schmerzte mich nicht. Schwer zu ertragen waren die Hänseleien einzelner Mitschüler, die mit der Grausamkeit der Jugend meine Ungelenkheit, Schwerfälligkeit und Schwäche ausnützten und mich vor und nach dem Unterricht höhnten und mißhandelten. Da tat sich besonders der Sohn eines Universitätsprofessors hervor, ein kleiner, ungemein beweglicher Junge, der mit dem Gesichte und mit Armen und Beinen Grimassen schnitt und sich darin gefiel, mit Clownpossen den leichten Sieg über den schwachen Goliath zu erringen und dann seinen Triumph über den hilf¬ losen Gegner, der viel mehr unter der Erfolglosigkeit und Lächerlichkeit seiner Gegenwehr als unter den Mißhandlungen litt, zu feiern. Mein Quäler war älter als ich und gut genährt, an Muskelkraft und Be¬ weglichkeit mir weit überlegen, sein Publikum nahm nicht nur an seinen Triumphen, sondern auch an seinen Kämpfen teil, daher war meine ingrimmige Gegenwehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/186>, abgerufen am 28.04.2024.