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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die politische Lage in Lngland

Unter die Andeutung von Vorgang, Begebenheit, Rede, die der Oberflächen¬
ausdruck des dichterischen Gesichts sind, ist zu dieseni selbst, dem Gebild eines
eigenen, wesenhaften, dem Dichter ursprünglich offenbarten und in seiner ursprüng¬
lichen Wesenhaftigkeit einzig erregenden Lebens hinabgetaucht, dieses selbst in
den ganzen Dichtungskomplex Bild für Bild und Wort für Wort wieder hinaus¬
geleitet und er so von innen her zu seiner ursprünglich umfänglichen, unmittelbar
ergreifenden dichterischen Ganzheit und Leibhaftigkeit wiederhergestellt. Nicht
das Bild, das Wort, das Drama ist wieder neu und eindrucksvoll: der Dichter
ist zum ersten Male deutschem Wesen gegenwärtig und die Sprache nichts
weiter als das unerläßliche, ihm untrennbar zugeborene Organ, mit dem er
sich vergegenwärtigt. In dieser ungeheuren Erweiterung nehme man das
Ereignis dieser Shakespeare-Übersetzung. In bedingungs- und grenzenloser Hin¬
gabe, mit der heute schon wieder einige fähig und gewohnt wurden, das
ursprünglich Dichterische zu umfassen, nahe man den: Genius, der heute und
heute zum ersten Male mit der überwältigenden Unmittelbarkeit eines Dichters
aus unserm Blute unter uns tritt.




Die politische Lage in England
Ol'. Hans p lebn von

le Verfassnngskonferenz ist gescheitert. Das Parlament ist
wieder zusammengetreten, aber nur, um in kürzester Zeit
von neuem aufgelöst zu werdeu. Es sind fünf Monate her, daß
die Regierung und die Führer der Opposition übereinkämen,
die brennende Verfassungsfrage an eine Kommission zu verweisen.
Die Trauer um König Eduard hatte den allgemeinen Wunsch geweckt,
eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden; der neue König selbst legte
großen Wert darauf, daß die ersten Anfänge seiner Negierung von einem
neuen heftigen Wahlkampf und einer schweren Verfassnngskrisis verschont blieben.
Liberale wie Konservative gingen auf die Anregung des Königs um so bereit¬
williger ein, als sie von den ununterbrochenen parlamentarischen Kämpfen des
letzten Jahres, den unmittelbar darauffolgenden Wählen und der gegenwärtigen
Session so erschöpft waren, daß ihnen jeder stichhaltige Grund für einen Auf¬
schub der Wahlen willkommen sein mußte. Man konstituierte also eine Konferenz,
die aus je vier Führern der Regierung und der Opposition bestand; die sollten
versuchen, einen Kompromiß herzustellen, der für beide Parteien annehmbar
wäre. Es war ein neues verfassnngspolitisches Experiment, das damit gemacht


Die politische Lage in Lngland

Unter die Andeutung von Vorgang, Begebenheit, Rede, die der Oberflächen¬
ausdruck des dichterischen Gesichts sind, ist zu dieseni selbst, dem Gebild eines
eigenen, wesenhaften, dem Dichter ursprünglich offenbarten und in seiner ursprüng¬
lichen Wesenhaftigkeit einzig erregenden Lebens hinabgetaucht, dieses selbst in
den ganzen Dichtungskomplex Bild für Bild und Wort für Wort wieder hinaus¬
geleitet und er so von innen her zu seiner ursprünglich umfänglichen, unmittelbar
ergreifenden dichterischen Ganzheit und Leibhaftigkeit wiederhergestellt. Nicht
das Bild, das Wort, das Drama ist wieder neu und eindrucksvoll: der Dichter
ist zum ersten Male deutschem Wesen gegenwärtig und die Sprache nichts
weiter als das unerläßliche, ihm untrennbar zugeborene Organ, mit dem er
sich vergegenwärtigt. In dieser ungeheuren Erweiterung nehme man das
Ereignis dieser Shakespeare-Übersetzung. In bedingungs- und grenzenloser Hin¬
gabe, mit der heute schon wieder einige fähig und gewohnt wurden, das
ursprünglich Dichterische zu umfassen, nahe man den: Genius, der heute und
heute zum ersten Male mit der überwältigenden Unmittelbarkeit eines Dichters
aus unserm Blute unter uns tritt.




Die politische Lage in England
Ol'. Hans p lebn von

le Verfassnngskonferenz ist gescheitert. Das Parlament ist
wieder zusammengetreten, aber nur, um in kürzester Zeit
von neuem aufgelöst zu werdeu. Es sind fünf Monate her, daß
die Regierung und die Führer der Opposition übereinkämen,
die brennende Verfassungsfrage an eine Kommission zu verweisen.
Die Trauer um König Eduard hatte den allgemeinen Wunsch geweckt,
eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden; der neue König selbst legte
großen Wert darauf, daß die ersten Anfänge seiner Negierung von einem
neuen heftigen Wahlkampf und einer schweren Verfassnngskrisis verschont blieben.
Liberale wie Konservative gingen auf die Anregung des Königs um so bereit¬
williger ein, als sie von den ununterbrochenen parlamentarischen Kämpfen des
letzten Jahres, den unmittelbar darauffolgenden Wählen und der gegenwärtigen
Session so erschöpft waren, daß ihnen jeder stichhaltige Grund für einen Auf¬
schub der Wahlen willkommen sein mußte. Man konstituierte also eine Konferenz,
die aus je vier Führern der Regierung und der Opposition bestand; die sollten
versuchen, einen Kompromiß herzustellen, der für beide Parteien annehmbar
wäre. Es war ein neues verfassnngspolitisches Experiment, das damit gemacht


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[0366] Die politische Lage in Lngland Unter die Andeutung von Vorgang, Begebenheit, Rede, die der Oberflächen¬ ausdruck des dichterischen Gesichts sind, ist zu dieseni selbst, dem Gebild eines eigenen, wesenhaften, dem Dichter ursprünglich offenbarten und in seiner ursprüng¬ lichen Wesenhaftigkeit einzig erregenden Lebens hinabgetaucht, dieses selbst in den ganzen Dichtungskomplex Bild für Bild und Wort für Wort wieder hinaus¬ geleitet und er so von innen her zu seiner ursprünglich umfänglichen, unmittelbar ergreifenden dichterischen Ganzheit und Leibhaftigkeit wiederhergestellt. Nicht das Bild, das Wort, das Drama ist wieder neu und eindrucksvoll: der Dichter ist zum ersten Male deutschem Wesen gegenwärtig und die Sprache nichts weiter als das unerläßliche, ihm untrennbar zugeborene Organ, mit dem er sich vergegenwärtigt. In dieser ungeheuren Erweiterung nehme man das Ereignis dieser Shakespeare-Übersetzung. In bedingungs- und grenzenloser Hin¬ gabe, mit der heute schon wieder einige fähig und gewohnt wurden, das ursprünglich Dichterische zu umfassen, nahe man den: Genius, der heute und heute zum ersten Male mit der überwältigenden Unmittelbarkeit eines Dichters aus unserm Blute unter uns tritt. Die politische Lage in England Ol'. Hans p lebn von le Verfassnngskonferenz ist gescheitert. Das Parlament ist wieder zusammengetreten, aber nur, um in kürzester Zeit von neuem aufgelöst zu werdeu. Es sind fünf Monate her, daß die Regierung und die Führer der Opposition übereinkämen, die brennende Verfassungsfrage an eine Kommission zu verweisen. Die Trauer um König Eduard hatte den allgemeinen Wunsch geweckt, eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden; der neue König selbst legte großen Wert darauf, daß die ersten Anfänge seiner Negierung von einem neuen heftigen Wahlkampf und einer schweren Verfassnngskrisis verschont blieben. Liberale wie Konservative gingen auf die Anregung des Königs um so bereit¬ williger ein, als sie von den ununterbrochenen parlamentarischen Kämpfen des letzten Jahres, den unmittelbar darauffolgenden Wählen und der gegenwärtigen Session so erschöpft waren, daß ihnen jeder stichhaltige Grund für einen Auf¬ schub der Wahlen willkommen sein mußte. Man konstituierte also eine Konferenz, die aus je vier Führern der Regierung und der Opposition bestand; die sollten versuchen, einen Kompromiß herzustellen, der für beide Parteien annehmbar wäre. Es war ein neues verfassnngspolitisches Experiment, das damit gemacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/366>, abgerufen am 29.04.2024.