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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Uolonialxolitik und Rolonialwirtschnft

auch in diesen wie allen sonst namentlich erwähnten Fällen jede Einzelkritik
sern. Ich spreche nur ganz im allgemeinen, wie denn auch meine Belege natür¬
lich durch andere korrigiert werden können. Aber ist es nicht ausfallend, wie
stark die außerordentlichen Professoren ins Hintertreffen zu geraten scheinen?

Niemand wird glauben, daß diese Kategorie heut weniger geeignete Kräfte
enthalte als sonst; jeder Blick in ein akademisches Personalverzeichnis würde das
widerlegen. Aber jene systematische Zweiteilung hat ihnen geschadet. Indem
man die Hälfte scheinbar beförderte, tatsächlich von dem vollen Genuß der ver¬
dienten Ehren und Einnahmen, von dem vollen Umfang der erwünschten
Wirksamkeit ausschloß, hat man die Aussichten auch der "etatsmäßigen" wesent¬
lich verschlechtert. Der Privatdozent ist ein junger Mann, der noch alle Aus¬
sichten hat, der Extraordinarius ein schon gereifter, den man zu vergessen
wünscht. Er hat ja das Extraordinariat! Was will er noch? Anteil an der
Universitätsverwaltung? Beteiligung an Prüfungs- und Besetzungsfragen? Nun
gut, man gibt das nominell der einen Hälfte; und die andere? Wer nichts
hat, dem soll auch das noch genommen werden, was er hat.

Diese Ungerechtigkeiten scheinen aber in höchstem Grade verhängnisvoll.
Denn das ist in Gefahr, worauf die Blüte unserer Hochschulen beruhte: die
Gleichberechtigung und Gleichbewertung aller gleich tüchtigen geistigen Arbeit!




Aolonialpolitik und Aolonialwivtschaft
v Rudolf Wagner on (Schluß.)

^s sind in den Anschauungen mancher Kreise recht augenfällige
Wandlungen eingetreten und über manche Hauptfragen der
Kolonialpolitik gab es überhaupt kaum mehr Meinungs¬
verschiedenheiten.

Das gilt namentlich für die Frage der Besiedlungs¬
fähigkeit der Kolonien, die doch eigentlich der Kolonialpolitik erst einen Sinn
verleiht. Wenn wir von Südwestafrika absehen, das eine ausgesprochene Siedlungs-
kolonie ist, so ist für die Besiedlung der Kolonien in den letzten Jahren herzlich wenig
geschehen; man hat jahrelang theoretisiert, hat wohl auch mit mehr oder weniger
Glück und Geschick Siedlungsversuche gemacht, aber wirkliche Fortschritte sind nicht
gemacht worden. Dernburg hielt bekanntlich von der Besiedlung der Kolonien
nicht viel, sein Ideal waren "Negerhandelskolonien". Diese Auffassung, die
seinem verfehlten Rassenstandpunkt entsprang, war der Irrtum seines Lebens,
der ihn auf die Dauer als Leiter der Kolonialverwaltung unmöglich machte. In


Uolonialxolitik und Rolonialwirtschnft

auch in diesen wie allen sonst namentlich erwähnten Fällen jede Einzelkritik
sern. Ich spreche nur ganz im allgemeinen, wie denn auch meine Belege natür¬
lich durch andere korrigiert werden können. Aber ist es nicht ausfallend, wie
stark die außerordentlichen Professoren ins Hintertreffen zu geraten scheinen?

Niemand wird glauben, daß diese Kategorie heut weniger geeignete Kräfte
enthalte als sonst; jeder Blick in ein akademisches Personalverzeichnis würde das
widerlegen. Aber jene systematische Zweiteilung hat ihnen geschadet. Indem
man die Hälfte scheinbar beförderte, tatsächlich von dem vollen Genuß der ver¬
dienten Ehren und Einnahmen, von dem vollen Umfang der erwünschten
Wirksamkeit ausschloß, hat man die Aussichten auch der „etatsmäßigen" wesent¬
lich verschlechtert. Der Privatdozent ist ein junger Mann, der noch alle Aus¬
sichten hat, der Extraordinarius ein schon gereifter, den man zu vergessen
wünscht. Er hat ja das Extraordinariat! Was will er noch? Anteil an der
Universitätsverwaltung? Beteiligung an Prüfungs- und Besetzungsfragen? Nun
gut, man gibt das nominell der einen Hälfte; und die andere? Wer nichts
hat, dem soll auch das noch genommen werden, was er hat.

Diese Ungerechtigkeiten scheinen aber in höchstem Grade verhängnisvoll.
Denn das ist in Gefahr, worauf die Blüte unserer Hochschulen beruhte: die
Gleichberechtigung und Gleichbewertung aller gleich tüchtigen geistigen Arbeit!




Aolonialpolitik und Aolonialwivtschaft
v Rudolf Wagner on (Schluß.)

^s sind in den Anschauungen mancher Kreise recht augenfällige
Wandlungen eingetreten und über manche Hauptfragen der
Kolonialpolitik gab es überhaupt kaum mehr Meinungs¬
verschiedenheiten.

Das gilt namentlich für die Frage der Besiedlungs¬
fähigkeit der Kolonien, die doch eigentlich der Kolonialpolitik erst einen Sinn
verleiht. Wenn wir von Südwestafrika absehen, das eine ausgesprochene Siedlungs-
kolonie ist, so ist für die Besiedlung der Kolonien in den letzten Jahren herzlich wenig
geschehen; man hat jahrelang theoretisiert, hat wohl auch mit mehr oder weniger
Glück und Geschick Siedlungsversuche gemacht, aber wirkliche Fortschritte sind nicht
gemacht worden. Dernburg hielt bekanntlich von der Besiedlung der Kolonien
nicht viel, sein Ideal waren „Negerhandelskolonien". Diese Auffassung, die
seinem verfehlten Rassenstandpunkt entsprang, war der Irrtum seines Lebens,
der ihn auf die Dauer als Leiter der Kolonialverwaltung unmöglich machte. In


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/514>, abgerufen am 29.04.2024.