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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

"Gut, gut, Jgn"schla."

"Ich habe ihn aber auch geführt. Er blieb einmal stehen. Wissen Sie,
Onkelchen, an einigen Häusern fehlen die Hausschilde. Da blieb er stehen und
sagte: ,Jch glaube dir nicht; du deutest mir auch auf Gebäude, die nicht Tit
Grigorjewitsch gehören/ Da war gerade in der Nähe das neue Steinhaus, wo
die reiche geizige Witwe wohnt. Sie zahlt gewöhnlich immer etwas zu spät.
Dort fehlt auch das Schild. Ich ging mit ihm hinein. ,Tit Grigorjewitsch läßt
bitten/ sagte ich zur Witwe, ,Sie möchten diesmal die Miete nicht hinziehen und
zum Termin zahlen/ Nun glaubte er."

"Gut. Jgnaschka."

"Jetzt war ich sicher. Wo nur das Schild fehlte, wies ich mit der Hand
hin und sagte: ,Auch unser Haus'. Das Krongebäude, das hinter dem Gefängnisse
gebaut wird -- auch darauf zeigte ich."

"Du Hundesohnl"

"Und als wir aus dem Vorstecker zurückkamen, sah ich, daß auf dem Schilde
des Hauptmanns Schejin die Schrift verwischt war, so daß sie sich nicht lesen
ließ. Da sagte ich: Auch das ist unser Haus'. Er schwieg zuletzt lange. Er
mochte wohl nachrechnen, wieviel alle die Gebäude und Grundstücke ungefähr
wert sein dürften. Endlich meinte er: ,Ja, Tit Grigorjewitsch hat sich ausgebreitet.
Solche Kaufleute gibt es nicht viele im Gouvernement. Er ist einer der ersten/

"Brav, Jgnaschka!"

"Onkelchen, für Sie bin ich stets zu allem bereit. Ich bin doch kein undank¬
barer Hund, Onkelchen." (Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

Der Verfassungsentwurf für die Reichslande -- Entwicklung der Frage --
Die beiden Kammern -- Der Wahlgesetzentwurf -- Das soziale und wirtschaftliche
Element in der Frage.

Zu den großen Angelegenheiten, die während des abgelaufenen Jahres die
nationalen Kreise in Spannung erhielten, gehört auch die Frage.einer Verfassungs-
reform in den Neichslcmden. Nun hat der Bundesrat nach Überwindung von
mancherlei Schwierigkeiten in seiner Sitzung vom 16. Dezember den Entwürfen
zweier Gesetze seine Zustimmung erteilt, die die seit dreißig Jahren in Elsaß-
Lothringen bestehenden Grundlagen des politischen Lebens tiefgehend ändern sollen.
Das eine Gesetz betrifft die Verfassung Elsaß-Lothringens, das andere die Wahlen
zur Zweiten Kammer des Landtages. Beide Entwürfe wurden entsprechend ihrer
Bedeutung am 17., in einer "Sonderaufgabe" der "Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung" auszugsweise veröffentlicht. Nachdem über ein Jahr lang die Verhand¬
lungen der in der Frage beteiligten Behörden und Personen mit dem Mantel


Maßgebliches und Unmaßgebliches

„Gut, gut, Jgn«schla."

„Ich habe ihn aber auch geführt. Er blieb einmal stehen. Wissen Sie,
Onkelchen, an einigen Häusern fehlen die Hausschilde. Da blieb er stehen und
sagte: ,Jch glaube dir nicht; du deutest mir auch auf Gebäude, die nicht Tit
Grigorjewitsch gehören/ Da war gerade in der Nähe das neue Steinhaus, wo
die reiche geizige Witwe wohnt. Sie zahlt gewöhnlich immer etwas zu spät.
Dort fehlt auch das Schild. Ich ging mit ihm hinein. ,Tit Grigorjewitsch läßt
bitten/ sagte ich zur Witwe, ,Sie möchten diesmal die Miete nicht hinziehen und
zum Termin zahlen/ Nun glaubte er."

„Gut. Jgnaschka."

„Jetzt war ich sicher. Wo nur das Schild fehlte, wies ich mit der Hand
hin und sagte: ,Auch unser Haus'. Das Krongebäude, das hinter dem Gefängnisse
gebaut wird — auch darauf zeigte ich."

„Du Hundesohnl"

„Und als wir aus dem Vorstecker zurückkamen, sah ich, daß auf dem Schilde
des Hauptmanns Schejin die Schrift verwischt war, so daß sie sich nicht lesen
ließ. Da sagte ich: Auch das ist unser Haus'. Er schwieg zuletzt lange. Er
mochte wohl nachrechnen, wieviel alle die Gebäude und Grundstücke ungefähr
wert sein dürften. Endlich meinte er: ,Ja, Tit Grigorjewitsch hat sich ausgebreitet.
Solche Kaufleute gibt es nicht viele im Gouvernement. Er ist einer der ersten/

„Brav, Jgnaschka!"

„Onkelchen, für Sie bin ich stets zu allem bereit. Ich bin doch kein undank¬
barer Hund, Onkelchen." (Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

Der Verfassungsentwurf für die Reichslande — Entwicklung der Frage —
Die beiden Kammern — Der Wahlgesetzentwurf — Das soziale und wirtschaftliche
Element in der Frage.

Zu den großen Angelegenheiten, die während des abgelaufenen Jahres die
nationalen Kreise in Spannung erhielten, gehört auch die Frage.einer Verfassungs-
reform in den Neichslcmden. Nun hat der Bundesrat nach Überwindung von
mancherlei Schwierigkeiten in seiner Sitzung vom 16. Dezember den Entwürfen
zweier Gesetze seine Zustimmung erteilt, die die seit dreißig Jahren in Elsaß-
Lothringen bestehenden Grundlagen des politischen Lebens tiefgehend ändern sollen.
Das eine Gesetz betrifft die Verfassung Elsaß-Lothringens, das andere die Wahlen
zur Zweiten Kammer des Landtages. Beide Entwürfe wurden entsprechend ihrer
Bedeutung am 17., in einer „Sonderaufgabe" der „Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung" auszugsweise veröffentlicht. Nachdem über ein Jahr lang die Verhand¬
lungen der in der Frage beteiligten Behörden und Personen mit dem Mantel


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[0639] Maßgebliches und Unmaßgebliches „Gut, gut, Jgn«schla." „Ich habe ihn aber auch geführt. Er blieb einmal stehen. Wissen Sie, Onkelchen, an einigen Häusern fehlen die Hausschilde. Da blieb er stehen und sagte: ,Jch glaube dir nicht; du deutest mir auch auf Gebäude, die nicht Tit Grigorjewitsch gehören/ Da war gerade in der Nähe das neue Steinhaus, wo die reiche geizige Witwe wohnt. Sie zahlt gewöhnlich immer etwas zu spät. Dort fehlt auch das Schild. Ich ging mit ihm hinein. ,Tit Grigorjewitsch läßt bitten/ sagte ich zur Witwe, ,Sie möchten diesmal die Miete nicht hinziehen und zum Termin zahlen/ Nun glaubte er." „Gut. Jgnaschka." „Jetzt war ich sicher. Wo nur das Schild fehlte, wies ich mit der Hand hin und sagte: ,Auch unser Haus'. Das Krongebäude, das hinter dem Gefängnisse gebaut wird — auch darauf zeigte ich." „Du Hundesohnl" „Und als wir aus dem Vorstecker zurückkamen, sah ich, daß auf dem Schilde des Hauptmanns Schejin die Schrift verwischt war, so daß sie sich nicht lesen ließ. Da sagte ich: Auch das ist unser Haus'. Er schwieg zuletzt lange. Er mochte wohl nachrechnen, wieviel alle die Gebäude und Grundstücke ungefähr wert sein dürften. Endlich meinte er: ,Ja, Tit Grigorjewitsch hat sich ausgebreitet. Solche Kaufleute gibt es nicht viele im Gouvernement. Er ist einer der ersten/ „Brav, Jgnaschka!" „Onkelchen, für Sie bin ich stets zu allem bereit. Ich bin doch kein undank¬ barer Hund, Onkelchen." (Fortsetzung folgt.) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel Der Verfassungsentwurf für die Reichslande — Entwicklung der Frage — Die beiden Kammern — Der Wahlgesetzentwurf — Das soziale und wirtschaftliche Element in der Frage. Zu den großen Angelegenheiten, die während des abgelaufenen Jahres die nationalen Kreise in Spannung erhielten, gehört auch die Frage.einer Verfassungs- reform in den Neichslcmden. Nun hat der Bundesrat nach Überwindung von mancherlei Schwierigkeiten in seiner Sitzung vom 16. Dezember den Entwürfen zweier Gesetze seine Zustimmung erteilt, die die seit dreißig Jahren in Elsaß- Lothringen bestehenden Grundlagen des politischen Lebens tiefgehend ändern sollen. Das eine Gesetz betrifft die Verfassung Elsaß-Lothringens, das andere die Wahlen zur Zweiten Kammer des Landtages. Beide Entwürfe wurden entsprechend ihrer Bedeutung am 17., in einer „Sonderaufgabe" der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" auszugsweise veröffentlicht. Nachdem über ein Jahr lang die Verhand¬ lungen der in der Frage beteiligten Behörden und Personen mit dem Mantel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/639>, abgerufen am 29.04.2024.