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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Natnrcrkenntnis und Weltanschauung

Zuschlage zur Grundsteuer zu decken, auf diesem Wege ließe sich gegebenenfalls
auch der Reservefonds verstärken.

Wir erheben keinen Anspruch darauf, hiermit einen in allen Punkten fach¬
männisch durchdachten Vorschlag zu bringen, aber wir meinen doch, daß
damit eine Lösung angedeutet ist, die allen Bedürfnissen gerecht wird. Die
Negierung brauchte dann gewissermaßen nichts weiter beizusteuern als die
Zinsen von 1^/2 Millionen, also etwa 60 000 Mark jährlich. Eine gesunde
Entwickelung der Farmwirtschaft ist zehnmal mehr wert.




Naturerkenntnis und Weltanschauung
Von Or. mscZ. U)orthmann

as Bedürfnis nach einer Weltanschauung, d. h. nach einer Vor¬
stellung von dem Wesen der Welt und der Stellung des Menschen
in derselben, ist ein den Menschen aller Zeiten angeborenes. Es
geht hervor ans dem ebenfalls allen Menschen gemeinsamen Triebe,
sich in der Fülle der umgebenden Dinge und Ereignisse dadurch
zurecht zu finden, daß man sie unter dem Gesichtspunkte von Ursache und
Wirkung miteinander zu verketten sucht. Diesen Gesichtspunkt in der Gesamtheit
der Welt wie in allen Einzelheiten klar herauszuarbeiten, ist zugleich das Ziel
alles auf Weltanschauung gerichteten Nachdenkens.

Das Verhältnis von Ursache und Wirkung findet der Mensch zunächst in
sich selber, indem er bemerkt, daß seinen Handlungen sein eigener zwecksetzender
Wille als Ursache zugrunde liegt, und es ist daher nichts natürlicher, als daß
er zunächst den vielfältigen Ereignissen in der Natur und in seinem Leben,
soweit er fühlt, daß sie von seinem Willen unabhängig sind, einen anderen
Willen als Ursache unterschiebt. Und da es dem Urwaldbewohner, den die
Natur von allen Seiten mit den widersprechendsten Geschehnissen bedrängt, nicht
zuzumuten ist, darin etwas Einheitliches herauszufinden, so kommt er ebenso
naturgemäß zu der Annahme einer größeren Menge verschiedener Willen. Er
schreibt so z. B. den: Wind oder dem Meer, ja schließlich jedem Stein lind
jedem Baum eine eigene, vielfach mit den anderen in Widerstreit geratende
Seele zu.

Die Möglichkeit der Weiterentwicklung von diesem primitiven Dmnonen-
glauben aus ergibt sich durch die Beobachtung, daß die Dinge und Ereignisse
in der Natur vielfach in einem nachweisbaren Abhängigkeitsverhältnisse stehen;
wo die Sonne nicht hinscheint, da gibt es kein Pflanzenleben; wenn der Himmel
den segenspendenden Regen versagt, dann müssen die Bäche versiegen. Dadurch
kommt man zu einer gewissen Rangordnung der zugehörigen Dämonen von


Natnrcrkenntnis und Weltanschauung

Zuschlage zur Grundsteuer zu decken, auf diesem Wege ließe sich gegebenenfalls
auch der Reservefonds verstärken.

Wir erheben keinen Anspruch darauf, hiermit einen in allen Punkten fach¬
männisch durchdachten Vorschlag zu bringen, aber wir meinen doch, daß
damit eine Lösung angedeutet ist, die allen Bedürfnissen gerecht wird. Die
Negierung brauchte dann gewissermaßen nichts weiter beizusteuern als die
Zinsen von 1^/2 Millionen, also etwa 60 000 Mark jährlich. Eine gesunde
Entwickelung der Farmwirtschaft ist zehnmal mehr wert.




Naturerkenntnis und Weltanschauung
Von Or. mscZ. U)orthmann

as Bedürfnis nach einer Weltanschauung, d. h. nach einer Vor¬
stellung von dem Wesen der Welt und der Stellung des Menschen
in derselben, ist ein den Menschen aller Zeiten angeborenes. Es
geht hervor ans dem ebenfalls allen Menschen gemeinsamen Triebe,
sich in der Fülle der umgebenden Dinge und Ereignisse dadurch
zurecht zu finden, daß man sie unter dem Gesichtspunkte von Ursache und
Wirkung miteinander zu verketten sucht. Diesen Gesichtspunkt in der Gesamtheit
der Welt wie in allen Einzelheiten klar herauszuarbeiten, ist zugleich das Ziel
alles auf Weltanschauung gerichteten Nachdenkens.

Das Verhältnis von Ursache und Wirkung findet der Mensch zunächst in
sich selber, indem er bemerkt, daß seinen Handlungen sein eigener zwecksetzender
Wille als Ursache zugrunde liegt, und es ist daher nichts natürlicher, als daß
er zunächst den vielfältigen Ereignissen in der Natur und in seinem Leben,
soweit er fühlt, daß sie von seinem Willen unabhängig sind, einen anderen
Willen als Ursache unterschiebt. Und da es dem Urwaldbewohner, den die
Natur von allen Seiten mit den widersprechendsten Geschehnissen bedrängt, nicht
zuzumuten ist, darin etwas Einheitliches herauszufinden, so kommt er ebenso
naturgemäß zu der Annahme einer größeren Menge verschiedener Willen. Er
schreibt so z. B. den: Wind oder dem Meer, ja schließlich jedem Stein lind
jedem Baum eine eigene, vielfach mit den anderen in Widerstreit geratende
Seele zu.

Die Möglichkeit der Weiterentwicklung von diesem primitiven Dmnonen-
glauben aus ergibt sich durch die Beobachtung, daß die Dinge und Ereignisse
in der Natur vielfach in einem nachweisbaren Abhängigkeitsverhältnisse stehen;
wo die Sonne nicht hinscheint, da gibt es kein Pflanzenleben; wenn der Himmel
den segenspendenden Regen versagt, dann müssen die Bäche versiegen. Dadurch
kommt man zu einer gewissen Rangordnung der zugehörigen Dämonen von


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[0016] Natnrcrkenntnis und Weltanschauung Zuschlage zur Grundsteuer zu decken, auf diesem Wege ließe sich gegebenenfalls auch der Reservefonds verstärken. Wir erheben keinen Anspruch darauf, hiermit einen in allen Punkten fach¬ männisch durchdachten Vorschlag zu bringen, aber wir meinen doch, daß damit eine Lösung angedeutet ist, die allen Bedürfnissen gerecht wird. Die Negierung brauchte dann gewissermaßen nichts weiter beizusteuern als die Zinsen von 1^/2 Millionen, also etwa 60 000 Mark jährlich. Eine gesunde Entwickelung der Farmwirtschaft ist zehnmal mehr wert. Naturerkenntnis und Weltanschauung Von Or. mscZ. U)orthmann as Bedürfnis nach einer Weltanschauung, d. h. nach einer Vor¬ stellung von dem Wesen der Welt und der Stellung des Menschen in derselben, ist ein den Menschen aller Zeiten angeborenes. Es geht hervor ans dem ebenfalls allen Menschen gemeinsamen Triebe, sich in der Fülle der umgebenden Dinge und Ereignisse dadurch zurecht zu finden, daß man sie unter dem Gesichtspunkte von Ursache und Wirkung miteinander zu verketten sucht. Diesen Gesichtspunkt in der Gesamtheit der Welt wie in allen Einzelheiten klar herauszuarbeiten, ist zugleich das Ziel alles auf Weltanschauung gerichteten Nachdenkens. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung findet der Mensch zunächst in sich selber, indem er bemerkt, daß seinen Handlungen sein eigener zwecksetzender Wille als Ursache zugrunde liegt, und es ist daher nichts natürlicher, als daß er zunächst den vielfältigen Ereignissen in der Natur und in seinem Leben, soweit er fühlt, daß sie von seinem Willen unabhängig sind, einen anderen Willen als Ursache unterschiebt. Und da es dem Urwaldbewohner, den die Natur von allen Seiten mit den widersprechendsten Geschehnissen bedrängt, nicht zuzumuten ist, darin etwas Einheitliches herauszufinden, so kommt er ebenso naturgemäß zu der Annahme einer größeren Menge verschiedener Willen. Er schreibt so z. B. den: Wind oder dem Meer, ja schließlich jedem Stein lind jedem Baum eine eigene, vielfach mit den anderen in Widerstreit geratende Seele zu. Die Möglichkeit der Weiterentwicklung von diesem primitiven Dmnonen- glauben aus ergibt sich durch die Beobachtung, daß die Dinge und Ereignisse in der Natur vielfach in einem nachweisbaren Abhängigkeitsverhältnisse stehen; wo die Sonne nicht hinscheint, da gibt es kein Pflanzenleben; wenn der Himmel den segenspendenden Regen versagt, dann müssen die Bäche versiegen. Dadurch kommt man zu einer gewissen Rangordnung der zugehörigen Dämonen von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/16>, abgerufen am 26.05.2024.