Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Reformvorschläge für die deutschen Universitäten
von <L, H, in, Ivaentig

Die nachstehenden Ausführungen bilden einen Auszug cris der gleichzeitig
im Verlage der Grenzboten in Broschürenform erscheinenden umfangreichen
Arbeit "Zur Reform der deutschen Universitäten". In der Broschüre ist
u a. ein reiches Zahlenmaterial zusammengestellt, auch findet der Leser dort
Die Schriftltg. alle näheren Begründungen und Quellenhinweise.

er Ruf nach einer Universitätsreform ist vor kurzem von sehr
beachtungswerter Stelle bei bedeutsamem Anlaß erhoben morden,
nämlich vom Professor Dr. Karl Lamprecht in Leipzig in seiner
Jnaugurationsrede bei der Übernahme des Rektorats am 31. De¬
zember 1910. Da aber die deutschen Universitäten bekanntlich eine
weitgehende Autonomie genießen, die in den Händen der in Fakultäten zer¬
gliederten und in Senaten vereinigten ordentlichen Professoren liegt, so ist eine
solche Reform kaum ohne deren Zustimmung möglich. Das gilt namentlich auch
von denjenigen drei Gesichtspunkten, unter denen Professor Lamprecht eine
Universitätsreform für nötig erachtet: der Vermehrung der ordentlichen Lehrkräfte,
der Veränderung der bisherigen rein monarchischen Verfassung der Uuiversitäts-
institute und der Erweiterung der Befugnisse der nicht ordentlichen Lehrkräfte
in betreff der Universitätsverwaltung. Von ihnen soll im folgenden zunächst
die Rede sein.

, ,l-

Was zuvörderst die Vermehrung der Zahl der Ordinarien der Fakultäten
betrifft, so ist in der Lamprechtschen Rede auf die fortgesetzte Erweiterung der
Forschungsgebiete wie bei den sogenannten Geisteswissenschaften so auch bei den
Naturwissenschaften hingewiesen worden. Dieser Prozeß hat längst dahin
geführt, daß sich von den früher unter einem einheitlichen Namen begriffenen
Wissenschaften einzelne Teile unter besonderem Namen abgespaltet haben.

Hieraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, das Gesamtgebiet einer
bisherigen Fachprofessur auf mehrere Lehrkräfte zu verteilen. Doch geschieht dies
nicht nur in der Weise, daß jede dieser Lehrkräfte auf dem zugewiesenen Teil¬
gebiet als ordentlicher Professor wirkt, sondern auch in der Weise, daß ein
bestimmter Wissenszweig einer neuen Lehrkraft mit einem untergeordneten Range
als nicht ordentlicher Professor oder als Dozent übertragen wird. Daher der an
den deutschen Universitäten zwischen den ordentlichen und nicht ordentlichen Lehr¬
kräften, den Ordinarien, Extraordinarien und Dozenten bestehende Unterschied!




Reformvorschläge für die deutschen Universitäten
von <L, H, in, Ivaentig

Die nachstehenden Ausführungen bilden einen Auszug cris der gleichzeitig
im Verlage der Grenzboten in Broschürenform erscheinenden umfangreichen
Arbeit „Zur Reform der deutschen Universitäten". In der Broschüre ist
u a. ein reiches Zahlenmaterial zusammengestellt, auch findet der Leser dort
Die Schriftltg. alle näheren Begründungen und Quellenhinweise.

er Ruf nach einer Universitätsreform ist vor kurzem von sehr
beachtungswerter Stelle bei bedeutsamem Anlaß erhoben morden,
nämlich vom Professor Dr. Karl Lamprecht in Leipzig in seiner
Jnaugurationsrede bei der Übernahme des Rektorats am 31. De¬
zember 1910. Da aber die deutschen Universitäten bekanntlich eine
weitgehende Autonomie genießen, die in den Händen der in Fakultäten zer¬
gliederten und in Senaten vereinigten ordentlichen Professoren liegt, so ist eine
solche Reform kaum ohne deren Zustimmung möglich. Das gilt namentlich auch
von denjenigen drei Gesichtspunkten, unter denen Professor Lamprecht eine
Universitätsreform für nötig erachtet: der Vermehrung der ordentlichen Lehrkräfte,
der Veränderung der bisherigen rein monarchischen Verfassung der Uuiversitäts-
institute und der Erweiterung der Befugnisse der nicht ordentlichen Lehrkräfte
in betreff der Universitätsverwaltung. Von ihnen soll im folgenden zunächst
die Rede sein.

, ,l-

Was zuvörderst die Vermehrung der Zahl der Ordinarien der Fakultäten
betrifft, so ist in der Lamprechtschen Rede auf die fortgesetzte Erweiterung der
Forschungsgebiete wie bei den sogenannten Geisteswissenschaften so auch bei den
Naturwissenschaften hingewiesen worden. Dieser Prozeß hat längst dahin
geführt, daß sich von den früher unter einem einheitlichen Namen begriffenen
Wissenschaften einzelne Teile unter besonderem Namen abgespaltet haben.

Hieraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, das Gesamtgebiet einer
bisherigen Fachprofessur auf mehrere Lehrkräfte zu verteilen. Doch geschieht dies
nicht nur in der Weise, daß jede dieser Lehrkräfte auf dem zugewiesenen Teil¬
gebiet als ordentlicher Professor wirkt, sondern auch in der Weise, daß ein
bestimmter Wissenszweig einer neuen Lehrkraft mit einem untergeordneten Range
als nicht ordentlicher Professor oder als Dozent übertragen wird. Daher der an
den deutschen Universitäten zwischen den ordentlichen und nicht ordentlichen Lehr¬
kräften, den Ordinarien, Extraordinarien und Dozenten bestehende Unterschied!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318541"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_318282/figures/grenzboten_341893_318282_318541_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reformvorschläge für die deutschen Universitäten<lb/><note type="byline"> von &lt;L, H, in, Ivaentig</note> </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1271"> Die nachstehenden Ausführungen bilden einen Auszug cris der gleichzeitig<lb/>
im Verlage der Grenzboten in Broschürenform erscheinenden umfangreichen<lb/>
Arbeit &#x201E;Zur Reform der deutschen Universitäten". In der Broschüre ist<lb/>
u a. ein reiches Zahlenmaterial zusammengestellt, auch findet der Leser dort<lb/><note type="byline"> Die Schriftltg.</note> alle näheren Begründungen und Quellenhinweise. </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1272"> er Ruf nach einer Universitätsreform ist vor kurzem von sehr<lb/>
beachtungswerter Stelle bei bedeutsamem Anlaß erhoben morden,<lb/>
nämlich vom Professor Dr. Karl Lamprecht in Leipzig in seiner<lb/>
Jnaugurationsrede bei der Übernahme des Rektorats am 31. De¬<lb/>
zember 1910. Da aber die deutschen Universitäten bekanntlich eine<lb/>
weitgehende Autonomie genießen, die in den Händen der in Fakultäten zer¬<lb/>
gliederten und in Senaten vereinigten ordentlichen Professoren liegt, so ist eine<lb/>
solche Reform kaum ohne deren Zustimmung möglich. Das gilt namentlich auch<lb/>
von denjenigen drei Gesichtspunkten, unter denen Professor Lamprecht eine<lb/>
Universitätsreform für nötig erachtet: der Vermehrung der ordentlichen Lehrkräfte,<lb/>
der Veränderung der bisherigen rein monarchischen Verfassung der Uuiversitäts-<lb/>
institute und der Erweiterung der Befugnisse der nicht ordentlichen Lehrkräfte<lb/>
in betreff der Universitätsverwaltung. Von ihnen soll im folgenden zunächst<lb/>
die Rede sein.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> , ,l-</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1273"> Was zuvörderst die Vermehrung der Zahl der Ordinarien der Fakultäten<lb/>
betrifft, so ist in der Lamprechtschen Rede auf die fortgesetzte Erweiterung der<lb/>
Forschungsgebiete wie bei den sogenannten Geisteswissenschaften so auch bei den<lb/>
Naturwissenschaften hingewiesen worden. Dieser Prozeß hat längst dahin<lb/>
geführt, daß sich von den früher unter einem einheitlichen Namen begriffenen<lb/>
Wissenschaften einzelne Teile unter besonderem Namen abgespaltet haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1274" next="#ID_1275"> Hieraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, das Gesamtgebiet einer<lb/>
bisherigen Fachprofessur auf mehrere Lehrkräfte zu verteilen. Doch geschieht dies<lb/>
nicht nur in der Weise, daß jede dieser Lehrkräfte auf dem zugewiesenen Teil¬<lb/>
gebiet als ordentlicher Professor wirkt, sondern auch in der Weise, daß ein<lb/>
bestimmter Wissenszweig einer neuen Lehrkraft mit einem untergeordneten Range<lb/>
als nicht ordentlicher Professor oder als Dozent übertragen wird. Daher der an<lb/>
den deutschen Universitäten zwischen den ordentlichen und nicht ordentlichen Lehr¬<lb/>
kräften, den Ordinarien, Extraordinarien und Dozenten bestehende Unterschied!</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0258] [Abbildung] Reformvorschläge für die deutschen Universitäten von <L, H, in, Ivaentig Die nachstehenden Ausführungen bilden einen Auszug cris der gleichzeitig im Verlage der Grenzboten in Broschürenform erscheinenden umfangreichen Arbeit „Zur Reform der deutschen Universitäten". In der Broschüre ist u a. ein reiches Zahlenmaterial zusammengestellt, auch findet der Leser dort Die Schriftltg. alle näheren Begründungen und Quellenhinweise. er Ruf nach einer Universitätsreform ist vor kurzem von sehr beachtungswerter Stelle bei bedeutsamem Anlaß erhoben morden, nämlich vom Professor Dr. Karl Lamprecht in Leipzig in seiner Jnaugurationsrede bei der Übernahme des Rektorats am 31. De¬ zember 1910. Da aber die deutschen Universitäten bekanntlich eine weitgehende Autonomie genießen, die in den Händen der in Fakultäten zer¬ gliederten und in Senaten vereinigten ordentlichen Professoren liegt, so ist eine solche Reform kaum ohne deren Zustimmung möglich. Das gilt namentlich auch von denjenigen drei Gesichtspunkten, unter denen Professor Lamprecht eine Universitätsreform für nötig erachtet: der Vermehrung der ordentlichen Lehrkräfte, der Veränderung der bisherigen rein monarchischen Verfassung der Uuiversitäts- institute und der Erweiterung der Befugnisse der nicht ordentlichen Lehrkräfte in betreff der Universitätsverwaltung. Von ihnen soll im folgenden zunächst die Rede sein. , ,l- Was zuvörderst die Vermehrung der Zahl der Ordinarien der Fakultäten betrifft, so ist in der Lamprechtschen Rede auf die fortgesetzte Erweiterung der Forschungsgebiete wie bei den sogenannten Geisteswissenschaften so auch bei den Naturwissenschaften hingewiesen worden. Dieser Prozeß hat längst dahin geführt, daß sich von den früher unter einem einheitlichen Namen begriffenen Wissenschaften einzelne Teile unter besonderem Namen abgespaltet haben. Hieraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, das Gesamtgebiet einer bisherigen Fachprofessur auf mehrere Lehrkräfte zu verteilen. Doch geschieht dies nicht nur in der Weise, daß jede dieser Lehrkräfte auf dem zugewiesenen Teil¬ gebiet als ordentlicher Professor wirkt, sondern auch in der Weise, daß ein bestimmter Wissenszweig einer neuen Lehrkraft mit einem untergeordneten Range als nicht ordentlicher Professor oder als Dozent übertragen wird. Daher der an den deutschen Universitäten zwischen den ordentlichen und nicht ordentlichen Lehr¬ kräften, den Ordinarien, Extraordinarien und Dozenten bestehende Unterschied!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/258
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/258>, abgerufen am 26.05.2024.