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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

von 6000 Mark ab eine Einkommensteuer von 3 Prozent treten sollte; doch
versagte der Reichstag damals seine Genehmigung. Erst 1909 kam dann
wieder eine Wehrvorlage im Anschluß an das Neichserbschaftsgesetz, die aber
schmählich Schiffbruch litt und in keiner Weise befriedigen konnte.

Grundlage einer deutschen Wehrsteuer müßte wie gesagt sein, daß sie auch
von denen erhoben werden müßte, welche vor Ablauf von drei Jahren aus
dem aktiven Dienste scheiden; doch sollte bei Mannschaften, die ein Jahr gedient
haben, die Steuer nur 60, bei solchen, die zwei Jahre gedient haben, nur
30 Prozent des Einheitssatzes betragen. Da die Privilegien der Wehrpflichtigen
mit höherer Schulbildung und der Volksschullehrer auf nur einjährige Dienst¬
zeit wegfallen würden und der freiwillig sich zum Heerdienst meldende Wehr¬
pflichtige mit höherer Schulbildung wie jeder andere Mann bei der Kavallerie
drei, bei den Fußtruppen zwei Jahre zu dienen hätte, so hätte er folgerichtig
bei nur zweijähriger Dienstzeit auch die Wehrsteuer von 30 Prozent zu zahlen
und würde nur dann von derselben befreit, wenn er eine Charge erwerben und
sich zu den mit dieser Charge verbundenen achtwöchentlichen Reserveübungen
verpflichten würde.


9. Schluß

Wir sehen also die Lösung der Frage, um kurz zu wiederholen, zunächst
darin, daß das Vorrecht der Mannschaften mit höherer Schulbildung und der
Volksschullehrer auf den nur einjährigen Heerdienst aufgehoben und auch diese
Mannschaften wie andere Heerespflichtige zum zweijährigen Dienst bei den Fu߬
truppen beziehungsweise zum dreijährigen Dienst bei der Kavallerie herangezogen
würden, sofern sie sich nicht freiwillig bei einer Waffe zum Dienst melden.
Bestehen bliebe nur der einjährige Dienst beim Train beziehungsweise bei den
Fußtruppen für Mannschaften, deren Eltern des Sohnes dringend bedürfen,
aber nur in der beschränkten Anzahl von 5 Prozent. Den drei Jahre dienenden
Mannschaften würde eine Entschädigung für ihr drittes Dienstjahr in der Weise
gereicht, als ihnen im dritten Dienstjahre die Kapitulantenzulage zukäme. Allen
Wehrpflichtigen aber, welche nicht voll zum dreijährigen oder gar nicht zum
Heerdienst herangezogen würden, wäre eine zwanzig Jahre lang zu zahlende
Wehrsteuer aufzulegen, welche bei zweijähriger Dienstzeit 30. bei einjähriger
Dienstzeit 60 und bei völliger Befreiung vom Militärdienst 100 Prozent des
Einheitssatzes zu betragen hätte. Alle gedienten Mannschaften aber hätten bei
sonstiger Gleichartigkeit bei Anstellung im Staatsdienst ein Vorrecht vor den
Nichtgedienten erworben und ihre Dienstzeit wäre ihnen voll und ganz in das
Besoldungsdienstalter einzurechnen.

Man mag über diese Vorschläge, namentlich die allgemeine zweijährige
Wehrpflicht, denken, wie man will; jedenfalls würde sich das System einer
materiellen Gegenleistung des vom Heerdienst Befreiten oder nur zu kürzerer
Dienstleistung Herangezogenen aus fiskalischen wie militärischen, sozialen und


Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

von 6000 Mark ab eine Einkommensteuer von 3 Prozent treten sollte; doch
versagte der Reichstag damals seine Genehmigung. Erst 1909 kam dann
wieder eine Wehrvorlage im Anschluß an das Neichserbschaftsgesetz, die aber
schmählich Schiffbruch litt und in keiner Weise befriedigen konnte.

Grundlage einer deutschen Wehrsteuer müßte wie gesagt sein, daß sie auch
von denen erhoben werden müßte, welche vor Ablauf von drei Jahren aus
dem aktiven Dienste scheiden; doch sollte bei Mannschaften, die ein Jahr gedient
haben, die Steuer nur 60, bei solchen, die zwei Jahre gedient haben, nur
30 Prozent des Einheitssatzes betragen. Da die Privilegien der Wehrpflichtigen
mit höherer Schulbildung und der Volksschullehrer auf nur einjährige Dienst¬
zeit wegfallen würden und der freiwillig sich zum Heerdienst meldende Wehr¬
pflichtige mit höherer Schulbildung wie jeder andere Mann bei der Kavallerie
drei, bei den Fußtruppen zwei Jahre zu dienen hätte, so hätte er folgerichtig
bei nur zweijähriger Dienstzeit auch die Wehrsteuer von 30 Prozent zu zahlen
und würde nur dann von derselben befreit, wenn er eine Charge erwerben und
sich zu den mit dieser Charge verbundenen achtwöchentlichen Reserveübungen
verpflichten würde.


9. Schluß

Wir sehen also die Lösung der Frage, um kurz zu wiederholen, zunächst
darin, daß das Vorrecht der Mannschaften mit höherer Schulbildung und der
Volksschullehrer auf den nur einjährigen Heerdienst aufgehoben und auch diese
Mannschaften wie andere Heerespflichtige zum zweijährigen Dienst bei den Fu߬
truppen beziehungsweise zum dreijährigen Dienst bei der Kavallerie herangezogen
würden, sofern sie sich nicht freiwillig bei einer Waffe zum Dienst melden.
Bestehen bliebe nur der einjährige Dienst beim Train beziehungsweise bei den
Fußtruppen für Mannschaften, deren Eltern des Sohnes dringend bedürfen,
aber nur in der beschränkten Anzahl von 5 Prozent. Den drei Jahre dienenden
Mannschaften würde eine Entschädigung für ihr drittes Dienstjahr in der Weise
gereicht, als ihnen im dritten Dienstjahre die Kapitulantenzulage zukäme. Allen
Wehrpflichtigen aber, welche nicht voll zum dreijährigen oder gar nicht zum
Heerdienst herangezogen würden, wäre eine zwanzig Jahre lang zu zahlende
Wehrsteuer aufzulegen, welche bei zweijähriger Dienstzeit 30. bei einjähriger
Dienstzeit 60 und bei völliger Befreiung vom Militärdienst 100 Prozent des
Einheitssatzes zu betragen hätte. Alle gedienten Mannschaften aber hätten bei
sonstiger Gleichartigkeit bei Anstellung im Staatsdienst ein Vorrecht vor den
Nichtgedienten erworben und ihre Dienstzeit wäre ihnen voll und ganz in das
Besoldungsdienstalter einzurechnen.

Man mag über diese Vorschläge, namentlich die allgemeine zweijährige
Wehrpflicht, denken, wie man will; jedenfalls würde sich das System einer
materiellen Gegenleistung des vom Heerdienst Befreiten oder nur zu kürzerer
Dienstleistung Herangezogenen aus fiskalischen wie militärischen, sozialen und


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[0377] Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke von 6000 Mark ab eine Einkommensteuer von 3 Prozent treten sollte; doch versagte der Reichstag damals seine Genehmigung. Erst 1909 kam dann wieder eine Wehrvorlage im Anschluß an das Neichserbschaftsgesetz, die aber schmählich Schiffbruch litt und in keiner Weise befriedigen konnte. Grundlage einer deutschen Wehrsteuer müßte wie gesagt sein, daß sie auch von denen erhoben werden müßte, welche vor Ablauf von drei Jahren aus dem aktiven Dienste scheiden; doch sollte bei Mannschaften, die ein Jahr gedient haben, die Steuer nur 60, bei solchen, die zwei Jahre gedient haben, nur 30 Prozent des Einheitssatzes betragen. Da die Privilegien der Wehrpflichtigen mit höherer Schulbildung und der Volksschullehrer auf nur einjährige Dienst¬ zeit wegfallen würden und der freiwillig sich zum Heerdienst meldende Wehr¬ pflichtige mit höherer Schulbildung wie jeder andere Mann bei der Kavallerie drei, bei den Fußtruppen zwei Jahre zu dienen hätte, so hätte er folgerichtig bei nur zweijähriger Dienstzeit auch die Wehrsteuer von 30 Prozent zu zahlen und würde nur dann von derselben befreit, wenn er eine Charge erwerben und sich zu den mit dieser Charge verbundenen achtwöchentlichen Reserveübungen verpflichten würde. 9. Schluß Wir sehen also die Lösung der Frage, um kurz zu wiederholen, zunächst darin, daß das Vorrecht der Mannschaften mit höherer Schulbildung und der Volksschullehrer auf den nur einjährigen Heerdienst aufgehoben und auch diese Mannschaften wie andere Heerespflichtige zum zweijährigen Dienst bei den Fu߬ truppen beziehungsweise zum dreijährigen Dienst bei der Kavallerie herangezogen würden, sofern sie sich nicht freiwillig bei einer Waffe zum Dienst melden. Bestehen bliebe nur der einjährige Dienst beim Train beziehungsweise bei den Fußtruppen für Mannschaften, deren Eltern des Sohnes dringend bedürfen, aber nur in der beschränkten Anzahl von 5 Prozent. Den drei Jahre dienenden Mannschaften würde eine Entschädigung für ihr drittes Dienstjahr in der Weise gereicht, als ihnen im dritten Dienstjahre die Kapitulantenzulage zukäme. Allen Wehrpflichtigen aber, welche nicht voll zum dreijährigen oder gar nicht zum Heerdienst herangezogen würden, wäre eine zwanzig Jahre lang zu zahlende Wehrsteuer aufzulegen, welche bei zweijähriger Dienstzeit 30. bei einjähriger Dienstzeit 60 und bei völliger Befreiung vom Militärdienst 100 Prozent des Einheitssatzes zu betragen hätte. Alle gedienten Mannschaften aber hätten bei sonstiger Gleichartigkeit bei Anstellung im Staatsdienst ein Vorrecht vor den Nichtgedienten erworben und ihre Dienstzeit wäre ihnen voll und ganz in das Besoldungsdienstalter einzurechnen. Man mag über diese Vorschläge, namentlich die allgemeine zweijährige Wehrpflicht, denken, wie man will; jedenfalls würde sich das System einer materiellen Gegenleistung des vom Heerdienst Befreiten oder nur zu kürzerer Dienstleistung Herangezogenen aus fiskalischen wie militärischen, sozialen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/377>, abgerufen am 29.04.2024.