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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

und Flotte bedürfen der verschiedensten Ergänzungen, das wird von allen
militärischen und politischen Sachverständigen als notwendig anerkannt. Die
Stimmung im Lande ist dafür geradezu glänzend auch im Hinblick auf die
Deckungsfrage. Das Märchen von dem Zurückweichen vor englischer Drohung
hat wenigstens das eine Gute, daß nun die Nation durch den systematischen
Ausbau seiner Wehr zu Wasser zu zeigen strebt, wie unabhängig von England
s G, <Li. ie ihre Wege wählt. Und nun?


Aoloniales

Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung unserer Kolonien im
Jahre 1910, herausgegeben vom Neichskolonialamt, verlegt bei E. S. Mittler
u. Sohn, sind neulich erschienen. Wie erinnerlich, werden sie seit dem ver¬
flossenen Jahre nicht mehr als Reichstagsdrucksachen der Öffentlichkeit übergeben,
sondern der Reichstag geht im Sparen mit gutem Beispiel voran und gibt
der Kolonialverwaltung gleichzeitig dadurch Gelegenheit, ihren Etat zu ver¬
bessern, denn diese erhält für die Berichte vom Verleger ein ansehnliches Honorar.
Aus den amtlichen Berichten ist damit ein literarisches Erzeugnis geworden.
Im verflossenen Jahre merkte man davon verzweifelt wenig, wie damals auch
an dieser Stelle gerügt wurde; es war ein mechanischer Abklatsch der Berichte
mit sehr wenig organischem Zusammenhang und mangelhafter Statistik, so daß
der Publizist und Politiker, der auf den Band als Quelle angewiesen war,
manchmal geradezu in Verlegenheit kam.

Der vorliegende neue Bericht ist bedeutend brauchbarer, die im letzten
Jahre gerügten Mängel sind im wesentlichen beseitigt. Man kann ihn daher
diesmal auch dem Kolonialfreund, falls diesem der Preis von 10 Mark nicht
zu hoch ist, wohl zur Anschaffung empfehlen. Bedauerlich ist nur. daß nicht
auch der Bericht über unsere Kolonie Kiautschou in dem Band enthalten, ja
daß er überhaupt nicht mehr der Öffentlichkeit zugängig ist.

Was den materiellen Inhalt der Jahresberichte anbelangt, nämlich die
Entwicklung der Kolonien im Jahre 1910, so ergibt sich ein im ganzen recht
erfreuliches Bild. Da unsere Kolonialpolitik im Hinblick auf die Ergebnisse
der Reichstagswahlen vor einer kleinen Krisis insofern steht, als im neuen
Reichstag eine unbedingte Mehrheit für Forderungen auf kolonialen Gebiete
nicht mehr vorhanden ist, kann es vielleicht nichts schaden, wenn wir hier
die Stetigkeit der Entwicklung der Kolonien während der letzten zehn Jahre
betonen und durch eine statistische Übersicht des Außenhandels erhärten.

19011902190319041905
MarkMarkMarlMarkMark
Einfuhr.....38 156 00042 903 00041 808 00046 469 00071 372 000
Ausfuhr.....19 388 00022 119 00025 563 00024 744 00027 836 000
Gesamthandel. ,57 544 00065 022 00067 371 00071 213 00099 208 000

Reichsspiegel

und Flotte bedürfen der verschiedensten Ergänzungen, das wird von allen
militärischen und politischen Sachverständigen als notwendig anerkannt. Die
Stimmung im Lande ist dafür geradezu glänzend auch im Hinblick auf die
Deckungsfrage. Das Märchen von dem Zurückweichen vor englischer Drohung
hat wenigstens das eine Gute, daß nun die Nation durch den systematischen
Ausbau seiner Wehr zu Wasser zu zeigen strebt, wie unabhängig von England
s G, <Li. ie ihre Wege wählt. Und nun?


Aoloniales

Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung unserer Kolonien im
Jahre 1910, herausgegeben vom Neichskolonialamt, verlegt bei E. S. Mittler
u. Sohn, sind neulich erschienen. Wie erinnerlich, werden sie seit dem ver¬
flossenen Jahre nicht mehr als Reichstagsdrucksachen der Öffentlichkeit übergeben,
sondern der Reichstag geht im Sparen mit gutem Beispiel voran und gibt
der Kolonialverwaltung gleichzeitig dadurch Gelegenheit, ihren Etat zu ver¬
bessern, denn diese erhält für die Berichte vom Verleger ein ansehnliches Honorar.
Aus den amtlichen Berichten ist damit ein literarisches Erzeugnis geworden.
Im verflossenen Jahre merkte man davon verzweifelt wenig, wie damals auch
an dieser Stelle gerügt wurde; es war ein mechanischer Abklatsch der Berichte
mit sehr wenig organischem Zusammenhang und mangelhafter Statistik, so daß
der Publizist und Politiker, der auf den Band als Quelle angewiesen war,
manchmal geradezu in Verlegenheit kam.

Der vorliegende neue Bericht ist bedeutend brauchbarer, die im letzten
Jahre gerügten Mängel sind im wesentlichen beseitigt. Man kann ihn daher
diesmal auch dem Kolonialfreund, falls diesem der Preis von 10 Mark nicht
zu hoch ist, wohl zur Anschaffung empfehlen. Bedauerlich ist nur. daß nicht
auch der Bericht über unsere Kolonie Kiautschou in dem Band enthalten, ja
daß er überhaupt nicht mehr der Öffentlichkeit zugängig ist.

Was den materiellen Inhalt der Jahresberichte anbelangt, nämlich die
Entwicklung der Kolonien im Jahre 1910, so ergibt sich ein im ganzen recht
erfreuliches Bild. Da unsere Kolonialpolitik im Hinblick auf die Ergebnisse
der Reichstagswahlen vor einer kleinen Krisis insofern steht, als im neuen
Reichstag eine unbedingte Mehrheit für Forderungen auf kolonialen Gebiete
nicht mehr vorhanden ist, kann es vielleicht nichts schaden, wenn wir hier
die Stetigkeit der Entwicklung der Kolonien während der letzten zehn Jahre
betonen und durch eine statistische Übersicht des Außenhandels erhärten.

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[0456] Reichsspiegel und Flotte bedürfen der verschiedensten Ergänzungen, das wird von allen militärischen und politischen Sachverständigen als notwendig anerkannt. Die Stimmung im Lande ist dafür geradezu glänzend auch im Hinblick auf die Deckungsfrage. Das Märchen von dem Zurückweichen vor englischer Drohung hat wenigstens das eine Gute, daß nun die Nation durch den systematischen Ausbau seiner Wehr zu Wasser zu zeigen strebt, wie unabhängig von England s G, <Li. ie ihre Wege wählt. Und nun? Aoloniales Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung unserer Kolonien im Jahre 1910, herausgegeben vom Neichskolonialamt, verlegt bei E. S. Mittler u. Sohn, sind neulich erschienen. Wie erinnerlich, werden sie seit dem ver¬ flossenen Jahre nicht mehr als Reichstagsdrucksachen der Öffentlichkeit übergeben, sondern der Reichstag geht im Sparen mit gutem Beispiel voran und gibt der Kolonialverwaltung gleichzeitig dadurch Gelegenheit, ihren Etat zu ver¬ bessern, denn diese erhält für die Berichte vom Verleger ein ansehnliches Honorar. Aus den amtlichen Berichten ist damit ein literarisches Erzeugnis geworden. Im verflossenen Jahre merkte man davon verzweifelt wenig, wie damals auch an dieser Stelle gerügt wurde; es war ein mechanischer Abklatsch der Berichte mit sehr wenig organischem Zusammenhang und mangelhafter Statistik, so daß der Publizist und Politiker, der auf den Band als Quelle angewiesen war, manchmal geradezu in Verlegenheit kam. Der vorliegende neue Bericht ist bedeutend brauchbarer, die im letzten Jahre gerügten Mängel sind im wesentlichen beseitigt. Man kann ihn daher diesmal auch dem Kolonialfreund, falls diesem der Preis von 10 Mark nicht zu hoch ist, wohl zur Anschaffung empfehlen. Bedauerlich ist nur. daß nicht auch der Bericht über unsere Kolonie Kiautschou in dem Band enthalten, ja daß er überhaupt nicht mehr der Öffentlichkeit zugängig ist. Was den materiellen Inhalt der Jahresberichte anbelangt, nämlich die Entwicklung der Kolonien im Jahre 1910, so ergibt sich ein im ganzen recht erfreuliches Bild. Da unsere Kolonialpolitik im Hinblick auf die Ergebnisse der Reichstagswahlen vor einer kleinen Krisis insofern steht, als im neuen Reichstag eine unbedingte Mehrheit für Forderungen auf kolonialen Gebiete nicht mehr vorhanden ist, kann es vielleicht nichts schaden, wenn wir hier die Stetigkeit der Entwicklung der Kolonien während der letzten zehn Jahre betonen und durch eine statistische Übersicht des Außenhandels erhärten. 19011902190319041905 MarkMarkMarlMarkMark Einfuhr.....38 156 00042 903 00041 808 00046 469 00071 372 000 Ausfuhr.....19 388 00022 119 00025 563 00024 744 00027 836 000 Gesamthandel. ,57 544 00065 022 00067 371 00071 213 00099 208 000

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/456>, abgerufen am 29.04.2024.