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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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festgelegte Vermögen aufs äußerste gefährdet. Denn im Auslande beruht die
Konkurrenzfähigkeit sehr oft fast ausschließlich auf dem persönlichen Vertrauen,
das der einzelne Geschäftsmann genießt, und ein geeigneter Ersatzmann ist im
fremden Lande natürlich wesentlich schwerer zu finden. Diesen Gedanken spricht ja
auch der Entwurf aus. Es ist aber eigentlich nicht einzusehen, warum er die
Erleichterungen beschränkt aus die außerhalb Europas lebenden Deutschen. Denn
der Grund für eine Befreiung von der Wehrpflicht -- und darauf kommt ja
die Überweisung zum Landsturm tatsächlich hinaus --, liegt doch am letzten Ende
nicht darin, daß der einzelne Deutsche, weil er mehr oder weniger weit
vom Heimatlande entfernt ist, hier bevorzugt werden soll, beruht vielmehr
auf der Tatsache, daß das Deutsche Reich ein lebhaftes Interesse daran hat,
die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit unseres Handels und somit die Stärkung
unseres Ansehens im Auslande nicht dadurch zu gefährden, daß man den im
Auslande wohnenden Deutschen zwingt, zu wählen zwischen einer starken
Beeinträchtigung seiner kaufmännischen Betätigung oder einem Aufgeben der
Zugehörigkeit zum Deutschen Reich. Und dieses nationale Interesse liegt ebenso
in Europa wie außerhalb Europas vor. Es steht zu erwarten, daß in dieser
Frage der Reichstag noch ein gewichtiges Wort sprechen und auch vielleicht eine
bessere Garantie sür eine richtige Auslegung dieser Bestimmungen durch die
Einführung einer Appellinstanz schaffen wird.

Denn die hier zur Entscheidung stehende Frage ist eine für unsere Stellung
in der Welt so wichtige, daß mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden muß
und vor allem nicht das erstrebte Endziel aus dem Auge verloren werden darf,
die Ausland-Deutschen, die Deutsche bleiben wollen, und die doch allein die
Träger unseres wirtschaftlichen und kulturellen Fortschrittes jenseits der Grenzen
sein können, dem Deutschtum zu erhalten.


Legationsrat Freiherr v, Richthofcn, M, d. R,
Bank und Geld

Die herrschende Depression -- Streik der Bergarbeiter in England -- Seine wirt¬
schaftliche Bedeutung -- Stellung der Regierung -- Rückwirkung in Deutschland --
Kohlensyndiknt und Arbeiterschaft -- Reichsbank und Kreditbanken -- Fehler in
der Kreditgewährung -- Deutsche Bank und Fürstentrust -- Die Kreditgewährung der
Reichsbank -- Die Bardeckung der Depositen -- Spekulationskredit und Emissions-
geschäft

Der wirtschaftliche Ausblick gestaltet sich von Woche zu Woche unbefriedigender.
Eine schwere Depression lastet auf dem Wirtschaftsleben, hemmt jeden Unter¬
nehmungsgeist und legt die bange Frage nahe, was dem: werden soll/wenn aus
den gegenwärtigen Wirrsalen nicht bald ein Ausweg gefunden wird. Neue Sorgen
send zu den schon vorhandenen hinzugetreten. War bisher die Depression nur auf
die Börse beschränkt, die sich an die politische Unsicherheit, die Geldteuerung, die
Uberspekulation und die zu deren Eindämmung geplanten Maßregeln anknüpfte,
so ist gegenwärtig in den Lohnbewegungen der Arbeiterschaft der Industrie selbst
ein Grund zu tiefster Beunruhigung erwachsen. Der Streik der englischen Bergleute,
der mehr als eine Million Arbeiter feiern läßt, ist nach Umfang und Wirkung


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festgelegte Vermögen aufs äußerste gefährdet. Denn im Auslande beruht die
Konkurrenzfähigkeit sehr oft fast ausschließlich auf dem persönlichen Vertrauen,
das der einzelne Geschäftsmann genießt, und ein geeigneter Ersatzmann ist im
fremden Lande natürlich wesentlich schwerer zu finden. Diesen Gedanken spricht ja
auch der Entwurf aus. Es ist aber eigentlich nicht einzusehen, warum er die
Erleichterungen beschränkt aus die außerhalb Europas lebenden Deutschen. Denn
der Grund für eine Befreiung von der Wehrpflicht — und darauf kommt ja
die Überweisung zum Landsturm tatsächlich hinaus —, liegt doch am letzten Ende
nicht darin, daß der einzelne Deutsche, weil er mehr oder weniger weit
vom Heimatlande entfernt ist, hier bevorzugt werden soll, beruht vielmehr
auf der Tatsache, daß das Deutsche Reich ein lebhaftes Interesse daran hat,
die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit unseres Handels und somit die Stärkung
unseres Ansehens im Auslande nicht dadurch zu gefährden, daß man den im
Auslande wohnenden Deutschen zwingt, zu wählen zwischen einer starken
Beeinträchtigung seiner kaufmännischen Betätigung oder einem Aufgeben der
Zugehörigkeit zum Deutschen Reich. Und dieses nationale Interesse liegt ebenso
in Europa wie außerhalb Europas vor. Es steht zu erwarten, daß in dieser
Frage der Reichstag noch ein gewichtiges Wort sprechen und auch vielleicht eine
bessere Garantie sür eine richtige Auslegung dieser Bestimmungen durch die
Einführung einer Appellinstanz schaffen wird.

Denn die hier zur Entscheidung stehende Frage ist eine für unsere Stellung
in der Welt so wichtige, daß mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden muß
und vor allem nicht das erstrebte Endziel aus dem Auge verloren werden darf,
die Ausland-Deutschen, die Deutsche bleiben wollen, und die doch allein die
Träger unseres wirtschaftlichen und kulturellen Fortschrittes jenseits der Grenzen
sein können, dem Deutschtum zu erhalten.


Legationsrat Freiherr v, Richthofcn, M, d. R,
Bank und Geld

Die herrschende Depression — Streik der Bergarbeiter in England — Seine wirt¬
schaftliche Bedeutung — Stellung der Regierung — Rückwirkung in Deutschland —
Kohlensyndiknt und Arbeiterschaft — Reichsbank und Kreditbanken — Fehler in
der Kreditgewährung — Deutsche Bank und Fürstentrust — Die Kreditgewährung der
Reichsbank — Die Bardeckung der Depositen — Spekulationskredit und Emissions-
geschäft

Der wirtschaftliche Ausblick gestaltet sich von Woche zu Woche unbefriedigender.
Eine schwere Depression lastet auf dem Wirtschaftsleben, hemmt jeden Unter¬
nehmungsgeist und legt die bange Frage nahe, was dem: werden soll/wenn aus
den gegenwärtigen Wirrsalen nicht bald ein Ausweg gefunden wird. Neue Sorgen
send zu den schon vorhandenen hinzugetreten. War bisher die Depression nur auf
die Börse beschränkt, die sich an die politische Unsicherheit, die Geldteuerung, die
Uberspekulation und die zu deren Eindämmung geplanten Maßregeln anknüpfte,
so ist gegenwärtig in den Lohnbewegungen der Arbeiterschaft der Industrie selbst
ein Grund zu tiefster Beunruhigung erwachsen. Der Streik der englischen Bergleute,
der mehr als eine Million Arbeiter feiern läßt, ist nach Umfang und Wirkung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/503>, abgerufen am 29.04.2024.