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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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schöne Literatur

Eine Prächtige Gabe fürs deutsche Haus
ist Karl Fröhlichs "Schatten-Lilipur", das
F. Avenarius im Kunstwartverlage Callwey
in München "mit Versen für die Kleinen und
einem Nachwort für die Großen" gleichzeitig
mit Gertrud Stamms "Schattengeist" er¬
scheinen läßt. Das erstere (zu dem billigen
Preise von IM) war bisher unveröffentlicht
und wurde dem bekannten Herausgeber aus
dem Publikum ins Haus gesandt. Es ist eine
ganz frühe Schöpfung, die aber den späteren
Lehrer Konewkas schon ganz auf der Höhe
seiner Meisterschaft zeigt. Wollen wir alle
Feinheiten genießen, müssen wir die Lupe zu
Hilfe nehmen. Virtuoseres ist Wohl auf dem
Gebiete der Silhouettierkunst nie geleistet wor¬
den. Auch finden wir hier schon die ersten
Andeutungen, von dem "geheiligten Gesetz des
Profilausschnittes" abzugehen, wie es unter
den Modernen Gertrud Stamm unbekümmert
int. In ihrer Mappe (zu 2 M.) ist alles der
Ausdruck einer ganz eigenartigen künstlerischen
Persönlichkeit. Wo sie das Leben gepackt hat,
da ist's interessant; und ob sie Kinderszenen
oder widerhaarige Karrengaule, Straßen-
kehreriunen oder badende Backfische oder gar
Phantastische Gebilde wie die "Arbeit der Zeit"
unter die Schere nimmt, immer schlägt sie
uns durch ihr eigenartiges Schauen und Ge¬
stalten stark in ihren Bann.

Aus der Gegenwart in die Vergangenheit
zurück führen uns Rudolf Töpffcrs drei
humorvolle Bände "Die Weltreise", "Das
geliebte Ding", "Das kecke Lüftchen".
Goethes Anerkennung hätte den Künstler, der
lange vor Wilhelm Busch in seinen Werken
die zwerchfellerschütterndsten, pointcnreichsten,
haarsträubendsten Situationen schuf, vor lan¬
gem Vergessenwerden bewahren sollen. "Der
Künstler sprüht ja von Talent und Geist. Ge¬
wisse Stellen zeigen eine unnachähmbare Voll¬
kommenheit." Nun bringt ihn uns der Verlag
E. Baron, Berlin V/. 16, in den billigen drei
Bänden (zu 1,80 M.) wieder nahe, deren jeder
über zweihundert der amüsantesten Bilder mit
modernisierten Tert, steindruckartig auf gelb¬
lichem Papier wiedergegeben, enthält. Alle
Freunde des Wiedensahler Meisters werden
auch an seinem Vorgänger, dessen Bilder

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er vielleicht nie gesehen, ihre helle Freude
haben.

-- l.
Justiz und Verwaltung

Silbernagel: Bekämpfung des Verbrecher¬
tums durch Rettung jugendlicher Delinquen¬
ten. Bestrebungen und Reformen in den
Bereinigten Staaten von Nord-Amerika, Gro߬
britannien, Osterreich, Ungarn, Italien, Däne¬
mark, Schweden, Rußland und in der Schweiz.
Bern, Verlag von Stämpfli u. Co., 1911.
Preis M. 3,26.

Dieses Buch tritt für den Gedanken, eine
oder mehrere internationale Zentralen für
Jugendfürsorge zu schaffen, mit ebenso viel
Sachkenntnis als Begeisterung ein. Die Zu¬
kunft unserer Rechtsentwicklung liegt ebenso
sehr wie in der Erforschung der griechischen
und römischen Rechtsaltertümer auch auf der
vergleichenden Gegenüberstellung der Rcchts-
entwicklung moderner Völker. Aus den rechts¬
vergleichenden Forschungen des Verfassers heben
wir auf Seite 87 folgende Bestimmung aus
einem dänischen Gesetz vom 27. Mai 1908
hervor: "Wenn der uneheliche Bater einen
ihm durch obrigkeitlichen Beschluß auferlegten
Alimentenbeitrag nicht rechtzeitig zahlt, kann
die Mutter -- insofern ihre ökonomischen Ver¬
hältnisse nach Ansicht derKommnnalverwaltung
ihr nicht erlauben, für den Lebensunterhalt
und die Erziehung des Kindes auf passende
Weise zu sorgen -- die Zahlung des Bei¬
trages seitens der öffentlichen Kasse fordern,
ohne daß es als eine ihr geleistete Armen¬
unterstützung betrachtet wird. Die betreffenden
Behörden haben das Rückgriffsrecht gegen den
Vater; und wenn dies ohne Erfolg geltend
gemacht wurde, so wird die Leistung als eine
ihm gewährte Armenunterstützung betrachtet,
die den Verlust gewisser bürgerlichen Rechte
zur Folge hat. Dasselbe gilt für die ver¬
lassene, getrennt lebende über geschiedene Fran
hinsichtlich ihrer ehelichen Kinder."

Aus demselben Buch Seite 96 zitieren
wir folgenden Abschnitt: "Vorbildliches hat
das schweizerische Zivilgesetzbuch geleistet in
der Fürsorge für außereheliche Kinder. Die
Alimentenklage gegen den außerehelichen Vater
wird dem Kinde selbst gewährt. Bei Gut¬
mütigkeit und Gleichgültigkeit der Mutter wird

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Eine Prächtige Gabe fürs deutsche Haus
ist Karl Fröhlichs „Schatten-Lilipur", das
F. Avenarius im Kunstwartverlage Callwey
in München „mit Versen für die Kleinen und
einem Nachwort für die Großen" gleichzeitig
mit Gertrud Stamms „Schattengeist" er¬
scheinen läßt. Das erstere (zu dem billigen
Preise von IM) war bisher unveröffentlicht
und wurde dem bekannten Herausgeber aus
dem Publikum ins Haus gesandt. Es ist eine
ganz frühe Schöpfung, die aber den späteren
Lehrer Konewkas schon ganz auf der Höhe
seiner Meisterschaft zeigt. Wollen wir alle
Feinheiten genießen, müssen wir die Lupe zu
Hilfe nehmen. Virtuoseres ist Wohl auf dem
Gebiete der Silhouettierkunst nie geleistet wor¬
den. Auch finden wir hier schon die ersten
Andeutungen, von dem „geheiligten Gesetz des
Profilausschnittes" abzugehen, wie es unter
den Modernen Gertrud Stamm unbekümmert
int. In ihrer Mappe (zu 2 M.) ist alles der
Ausdruck einer ganz eigenartigen künstlerischen
Persönlichkeit. Wo sie das Leben gepackt hat,
da ist's interessant; und ob sie Kinderszenen
oder widerhaarige Karrengaule, Straßen-
kehreriunen oder badende Backfische oder gar
Phantastische Gebilde wie die „Arbeit der Zeit"
unter die Schere nimmt, immer schlägt sie
uns durch ihr eigenartiges Schauen und Ge¬
stalten stark in ihren Bann.

Aus der Gegenwart in die Vergangenheit
zurück führen uns Rudolf Töpffcrs drei
humorvolle Bände „Die Weltreise", „Das
geliebte Ding", „Das kecke Lüftchen".
Goethes Anerkennung hätte den Künstler, der
lange vor Wilhelm Busch in seinen Werken
die zwerchfellerschütterndsten, pointcnreichsten,
haarsträubendsten Situationen schuf, vor lan¬
gem Vergessenwerden bewahren sollen. „Der
Künstler sprüht ja von Talent und Geist. Ge¬
wisse Stellen zeigen eine unnachähmbare Voll¬
kommenheit." Nun bringt ihn uns der Verlag
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Bänden (zu 1,80 M.) wieder nahe, deren jeder
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lichem Papier wiedergegeben, enthält. Alle
Freunde des Wiedensahler Meisters werden
auch an seinem Vorgänger, dessen Bilder

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er vielleicht nie gesehen, ihre helle Freude
haben.

— l.
Justiz und Verwaltung

Silbernagel: Bekämpfung des Verbrecher¬
tums durch Rettung jugendlicher Delinquen¬
ten. Bestrebungen und Reformen in den
Bereinigten Staaten von Nord-Amerika, Gro߬
britannien, Osterreich, Ungarn, Italien, Däne¬
mark, Schweden, Rußland und in der Schweiz.
Bern, Verlag von Stämpfli u. Co., 1911.
Preis M. 3,26.

Dieses Buch tritt für den Gedanken, eine
oder mehrere internationale Zentralen für
Jugendfürsorge zu schaffen, mit ebenso viel
Sachkenntnis als Begeisterung ein. Die Zu¬
kunft unserer Rechtsentwicklung liegt ebenso
sehr wie in der Erforschung der griechischen
und römischen Rechtsaltertümer auch auf der
vergleichenden Gegenüberstellung der Rcchts-
entwicklung moderner Völker. Aus den rechts¬
vergleichenden Forschungen des Verfassers heben
wir auf Seite 87 folgende Bestimmung aus
einem dänischen Gesetz vom 27. Mai 1908
hervor: „Wenn der uneheliche Bater einen
ihm durch obrigkeitlichen Beschluß auferlegten
Alimentenbeitrag nicht rechtzeitig zahlt, kann
die Mutter — insofern ihre ökonomischen Ver¬
hältnisse nach Ansicht derKommnnalverwaltung
ihr nicht erlauben, für den Lebensunterhalt
und die Erziehung des Kindes auf passende
Weise zu sorgen — die Zahlung des Bei¬
trages seitens der öffentlichen Kasse fordern,
ohne daß es als eine ihr geleistete Armen¬
unterstützung betrachtet wird. Die betreffenden
Behörden haben das Rückgriffsrecht gegen den
Vater; und wenn dies ohne Erfolg geltend
gemacht wurde, so wird die Leistung als eine
ihm gewährte Armenunterstützung betrachtet,
die den Verlust gewisser bürgerlichen Rechte
zur Folge hat. Dasselbe gilt für die ver¬
lassene, getrennt lebende über geschiedene Fran
hinsichtlich ihrer ehelichen Kinder."

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wir folgenden Abschnitt: „Vorbildliches hat
das schweizerische Zivilgesetzbuch geleistet in
der Fürsorge für außereheliche Kinder. Die
Alimentenklage gegen den außerehelichen Vater
wird dem Kinde selbst gewährt. Bei Gut¬
mütigkeit und Gleichgültigkeit der Mutter wird

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[0154] Maßgebliches und Unmaßgebliches schöne Literatur Eine Prächtige Gabe fürs deutsche Haus ist Karl Fröhlichs „Schatten-Lilipur", das F. Avenarius im Kunstwartverlage Callwey in München „mit Versen für die Kleinen und einem Nachwort für die Großen" gleichzeitig mit Gertrud Stamms „Schattengeist" er¬ scheinen läßt. Das erstere (zu dem billigen Preise von IM) war bisher unveröffentlicht und wurde dem bekannten Herausgeber aus dem Publikum ins Haus gesandt. Es ist eine ganz frühe Schöpfung, die aber den späteren Lehrer Konewkas schon ganz auf der Höhe seiner Meisterschaft zeigt. Wollen wir alle Feinheiten genießen, müssen wir die Lupe zu Hilfe nehmen. Virtuoseres ist Wohl auf dem Gebiete der Silhouettierkunst nie geleistet wor¬ den. Auch finden wir hier schon die ersten Andeutungen, von dem „geheiligten Gesetz des Profilausschnittes" abzugehen, wie es unter den Modernen Gertrud Stamm unbekümmert int. In ihrer Mappe (zu 2 M.) ist alles der Ausdruck einer ganz eigenartigen künstlerischen Persönlichkeit. Wo sie das Leben gepackt hat, da ist's interessant; und ob sie Kinderszenen oder widerhaarige Karrengaule, Straßen- kehreriunen oder badende Backfische oder gar Phantastische Gebilde wie die „Arbeit der Zeit" unter die Schere nimmt, immer schlägt sie uns durch ihr eigenartiges Schauen und Ge¬ stalten stark in ihren Bann. Aus der Gegenwart in die Vergangenheit zurück führen uns Rudolf Töpffcrs drei humorvolle Bände „Die Weltreise", „Das geliebte Ding", „Das kecke Lüftchen". Goethes Anerkennung hätte den Künstler, der lange vor Wilhelm Busch in seinen Werken die zwerchfellerschütterndsten, pointcnreichsten, haarsträubendsten Situationen schuf, vor lan¬ gem Vergessenwerden bewahren sollen. „Der Künstler sprüht ja von Talent und Geist. Ge¬ wisse Stellen zeigen eine unnachähmbare Voll¬ kommenheit." Nun bringt ihn uns der Verlag E. Baron, Berlin V/. 16, in den billigen drei Bänden (zu 1,80 M.) wieder nahe, deren jeder über zweihundert der amüsantesten Bilder mit modernisierten Tert, steindruckartig auf gelb¬ lichem Papier wiedergegeben, enthält. Alle Freunde des Wiedensahler Meisters werden auch an seinem Vorgänger, dessen Bilder er vielleicht nie gesehen, ihre helle Freude haben. — l. Justiz und Verwaltung Silbernagel: Bekämpfung des Verbrecher¬ tums durch Rettung jugendlicher Delinquen¬ ten. Bestrebungen und Reformen in den Bereinigten Staaten von Nord-Amerika, Gro߬ britannien, Osterreich, Ungarn, Italien, Däne¬ mark, Schweden, Rußland und in der Schweiz. Bern, Verlag von Stämpfli u. Co., 1911. Preis M. 3,26. Dieses Buch tritt für den Gedanken, eine oder mehrere internationale Zentralen für Jugendfürsorge zu schaffen, mit ebenso viel Sachkenntnis als Begeisterung ein. Die Zu¬ kunft unserer Rechtsentwicklung liegt ebenso sehr wie in der Erforschung der griechischen und römischen Rechtsaltertümer auch auf der vergleichenden Gegenüberstellung der Rcchts- entwicklung moderner Völker. Aus den rechts¬ vergleichenden Forschungen des Verfassers heben wir auf Seite 87 folgende Bestimmung aus einem dänischen Gesetz vom 27. Mai 1908 hervor: „Wenn der uneheliche Bater einen ihm durch obrigkeitlichen Beschluß auferlegten Alimentenbeitrag nicht rechtzeitig zahlt, kann die Mutter — insofern ihre ökonomischen Ver¬ hältnisse nach Ansicht derKommnnalverwaltung ihr nicht erlauben, für den Lebensunterhalt und die Erziehung des Kindes auf passende Weise zu sorgen — die Zahlung des Bei¬ trages seitens der öffentlichen Kasse fordern, ohne daß es als eine ihr geleistete Armen¬ unterstützung betrachtet wird. Die betreffenden Behörden haben das Rückgriffsrecht gegen den Vater; und wenn dies ohne Erfolg geltend gemacht wurde, so wird die Leistung als eine ihm gewährte Armenunterstützung betrachtet, die den Verlust gewisser bürgerlichen Rechte zur Folge hat. Dasselbe gilt für die ver¬ lassene, getrennt lebende über geschiedene Fran hinsichtlich ihrer ehelichen Kinder." Aus demselben Buch Seite 96 zitieren wir folgenden Abschnitt: „Vorbildliches hat das schweizerische Zivilgesetzbuch geleistet in der Fürsorge für außereheliche Kinder. Die Alimentenklage gegen den außerehelichen Vater wird dem Kinde selbst gewährt. Bei Gut¬ mütigkeit und Gleichgültigkeit der Mutter wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/154>, abgerufen am 26.05.2024.