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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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jür das Erbrecht des Reiches
von Justizrat Band erger 8. Die Vorlage von 1903")

^icht nur bei den überzeugten Anhängern des Reichserbrechts
herrscht die Ansicht, man werde zur Erhöhung der Einnahmen
des Reiches in Kürze auf die Reform des Erbrechts zurückgreifen.
I Ist das richtig -- und verschiedene Anzeichen sprechen dafür --,
> so liegt es nahe, die Vorlage vom 3. November 1908 zugrunde
zu legen. Nun war es sicher erfreulich, daß die Regierung sich entschloß, das
bedeutsame Reformwerk in Angriff zu nehmen und das testamentslose Erbrecht
zugunsten der Gesamtheit einzuschränken. Doch gibt die Durchführung des
Gedankens zu ernsten Bedenken Anlaß, und die Besorgnis, der finanzielle Erfolg
der Maßregel könne nur mäßig sein, ist nicht grundlos.

Der Entwurf sieht ein Erbrecht des Staates, nicht des Reiches vor.
Dabei handelt es sich zwar nur um einen Namen, aber um keinen leeren
Namen. Wenn der Neformgedanke in verhältnismäßig kurzer Zeit allgemeine
Zustimmung gefunden hat, so geschah dies vorzugsweise im Hinblick auf das
erwartete Reichserbrecht. Für ein solches waren und sind Sympathien vor¬
handen. Der Reichsgedanke hat seinen alten Zauber nicht verloren. Auf die
werbende, die erzieherische Kraft des Neichserbrechts ließen sich auch nach der
materiellen Seite hin die besten Hoffnungen gründen. Ich bin davon überzeugt.
Ist die Reform erst einmal verwirklicht und zeigt es sich, wie hier und dort,
in der Nähe und Ferne, der Reichskasse Erbschaften zufallen, wie die gemein¬
same Kasse sich zum gemeinsamen Besten füllt, ohne daß der einzelne aus
eigenen Mitteln dazu beizutragen braucht, so wird die Maßregel als wohltätig
und erfreulich empfunden werden, und mancher, der keine nahen Angehörigen
besitzt, wird den Gedanken willkommen heißen: mein Erbe ist das Vaterland.
Berechtigter Stolz und natürliche Eitelkeit werden zusammenwirken, um vater¬
ländische Gesinnung zu stärken und für den Todesfall zu einem Opfer zu
führen, das doch mit keinen Kosten verbunden ist. Bei solchen Erwägungen
denkt aber niemand an Preußen oder Lippe, man denkt ans Deutsche Reich.
So wird das Reichserbrecht je länger, je mehr volkstümlich werden, ein Landes-



") Vgl. dazu die das gleiche Thema behandelnden Aufsätze desselben Verfassers in den
Grenzboten 1910 Ur. 41 bis 44, 1911 Ur. 6 und 24, 1912 Ur. 3. In einigen Wochen werden diese Aufsätze gesammelt und ergänzt im Verlag der
Grenzvoten als Broschüre erscheinen.


jür das Erbrecht des Reiches
von Justizrat Band erger 8. Die Vorlage von 1903")

^icht nur bei den überzeugten Anhängern des Reichserbrechts
herrscht die Ansicht, man werde zur Erhöhung der Einnahmen
des Reiches in Kürze auf die Reform des Erbrechts zurückgreifen.
I Ist das richtig — und verschiedene Anzeichen sprechen dafür —,
> so liegt es nahe, die Vorlage vom 3. November 1908 zugrunde
zu legen. Nun war es sicher erfreulich, daß die Regierung sich entschloß, das
bedeutsame Reformwerk in Angriff zu nehmen und das testamentslose Erbrecht
zugunsten der Gesamtheit einzuschränken. Doch gibt die Durchführung des
Gedankens zu ernsten Bedenken Anlaß, und die Besorgnis, der finanzielle Erfolg
der Maßregel könne nur mäßig sein, ist nicht grundlos.

Der Entwurf sieht ein Erbrecht des Staates, nicht des Reiches vor.
Dabei handelt es sich zwar nur um einen Namen, aber um keinen leeren
Namen. Wenn der Neformgedanke in verhältnismäßig kurzer Zeit allgemeine
Zustimmung gefunden hat, so geschah dies vorzugsweise im Hinblick auf das
erwartete Reichserbrecht. Für ein solches waren und sind Sympathien vor¬
handen. Der Reichsgedanke hat seinen alten Zauber nicht verloren. Auf die
werbende, die erzieherische Kraft des Neichserbrechts ließen sich auch nach der
materiellen Seite hin die besten Hoffnungen gründen. Ich bin davon überzeugt.
Ist die Reform erst einmal verwirklicht und zeigt es sich, wie hier und dort,
in der Nähe und Ferne, der Reichskasse Erbschaften zufallen, wie die gemein¬
same Kasse sich zum gemeinsamen Besten füllt, ohne daß der einzelne aus
eigenen Mitteln dazu beizutragen braucht, so wird die Maßregel als wohltätig
und erfreulich empfunden werden, und mancher, der keine nahen Angehörigen
besitzt, wird den Gedanken willkommen heißen: mein Erbe ist das Vaterland.
Berechtigter Stolz und natürliche Eitelkeit werden zusammenwirken, um vater¬
ländische Gesinnung zu stärken und für den Todesfall zu einem Opfer zu
führen, das doch mit keinen Kosten verbunden ist. Bei solchen Erwägungen
denkt aber niemand an Preußen oder Lippe, man denkt ans Deutsche Reich.
So wird das Reichserbrecht je länger, je mehr volkstümlich werden, ein Landes-



") Vgl. dazu die das gleiche Thema behandelnden Aufsätze desselben Verfassers in den
Grenzboten 1910 Ur. 41 bis 44, 1911 Ur. 6 und 24, 1912 Ur. 3. In einigen Wochen werden diese Aufsätze gesammelt und ergänzt im Verlag der
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[0171] [Abbildung] jür das Erbrecht des Reiches von Justizrat Band erger 8. Die Vorlage von 1903") ^icht nur bei den überzeugten Anhängern des Reichserbrechts herrscht die Ansicht, man werde zur Erhöhung der Einnahmen des Reiches in Kürze auf die Reform des Erbrechts zurückgreifen. I Ist das richtig — und verschiedene Anzeichen sprechen dafür —, > so liegt es nahe, die Vorlage vom 3. November 1908 zugrunde zu legen. Nun war es sicher erfreulich, daß die Regierung sich entschloß, das bedeutsame Reformwerk in Angriff zu nehmen und das testamentslose Erbrecht zugunsten der Gesamtheit einzuschränken. Doch gibt die Durchführung des Gedankens zu ernsten Bedenken Anlaß, und die Besorgnis, der finanzielle Erfolg der Maßregel könne nur mäßig sein, ist nicht grundlos. Der Entwurf sieht ein Erbrecht des Staates, nicht des Reiches vor. Dabei handelt es sich zwar nur um einen Namen, aber um keinen leeren Namen. Wenn der Neformgedanke in verhältnismäßig kurzer Zeit allgemeine Zustimmung gefunden hat, so geschah dies vorzugsweise im Hinblick auf das erwartete Reichserbrecht. Für ein solches waren und sind Sympathien vor¬ handen. Der Reichsgedanke hat seinen alten Zauber nicht verloren. Auf die werbende, die erzieherische Kraft des Neichserbrechts ließen sich auch nach der materiellen Seite hin die besten Hoffnungen gründen. Ich bin davon überzeugt. Ist die Reform erst einmal verwirklicht und zeigt es sich, wie hier und dort, in der Nähe und Ferne, der Reichskasse Erbschaften zufallen, wie die gemein¬ same Kasse sich zum gemeinsamen Besten füllt, ohne daß der einzelne aus eigenen Mitteln dazu beizutragen braucht, so wird die Maßregel als wohltätig und erfreulich empfunden werden, und mancher, der keine nahen Angehörigen besitzt, wird den Gedanken willkommen heißen: mein Erbe ist das Vaterland. Berechtigter Stolz und natürliche Eitelkeit werden zusammenwirken, um vater¬ ländische Gesinnung zu stärken und für den Todesfall zu einem Opfer zu führen, das doch mit keinen Kosten verbunden ist. Bei solchen Erwägungen denkt aber niemand an Preußen oder Lippe, man denkt ans Deutsche Reich. So wird das Reichserbrecht je länger, je mehr volkstümlich werden, ein Landes- ") Vgl. dazu die das gleiche Thema behandelnden Aufsätze desselben Verfassers in den Grenzboten 1910 Ur. 41 bis 44, 1911 Ur. 6 und 24, 1912 Ur. 3. In einigen Wochen werden diese Aufsätze gesammelt und ergänzt im Verlag der Grenzvoten als Broschüre erscheinen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/171>, abgerufen am 26.05.2024.