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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Förderung des Handwerks auf Aosten der Industrie?
von Regierungsrat a, D, Dr. Schiveighoffer 2. Der Standpunkt der Industrie

Von feiten der Industrie wird die Notwendigkeit einer Änderung des
bestehenden Zustandes keineswegs verkannt, sondern gleichfalls eine Lösung und
Beseitigung der Schwierigkeiten angestrebt, die das Handwerkerorganisationsgesetz
vom 26. Juli 1897 und seine von den Handwerkerkreisen beliebte Auslegung
hervorgerufen hat. Als Angelpunkte der Streitigkeiten werden dabei angesehen:
die unklare Abgrenzung der Gebiete "Fabrik" und "Handwerk", die Unstimmigkeit
der Begriffe "Handwerker", "Fabrikant", "Kaufmann" in den verschiedenen, in
Betracht kommenden Gesetzen und endlich der Mißstand der Zuständigkeit so
zahlreicher Behörden. Die Abänderungsvorschläge der Industrie und ihrer
Vertreter sind indessen sehr verschiedener Art und werden offenbar mehr oder
weniger durch den Nachdruck beeinflußt, den die Handwerkskammern auf diesen
oder jenen der bezeichneten Differenzpunkte legen. Sieht man von einzelnen
Sondervorschlägen ab, so wird ein wesentliches Gewicht entweder auf den
Registereintrag gelegt und verlangt, daß gegen den Ausspruch des Register¬
richters sowohl der Handwerkskammer wie der Handelskammer das Recht der
Beschwerde mit der Wirkung beigelegt werde, daß die rechtskräftig erkannte
Eintragung bindend für alle Behörden sei, oder es wird empfohlen, vor der
Eintragung in das Register die beteiligten Organisationen zu hören. Neben
der zu diesem Zwecke angeregten Abänderung des Handelsgesetzbuches und der
Handelskammergesetze wird aber auch von einzelnen Seiten eine Abänderung
der Gewerbeordnung gefordert, mit der Begründung, daß gegenüber dem Ver¬
langen des Handwerks nicht so sehr die Beitragspflicht für zwei Kammern als
vielmehr die Anwendung der Verordmmgs-, Beaufstchtigungs- und Prüfungs-
rechte der Handwerkerorganisationen das bedenklichste an der ganzen Sache sei.

Im allgemeinen gehen indessen die gemachten Vorschläge darauf hinaus,
entweder die Begriffe "Fabrik" und "Handwerk" juristisch zu definieren oder
durch eine Instanz festzulegen, deren Ausspruch für alle Behörden bindend
sein soll.

Der erste dieser Vorschläge stimmt mit dem von einzelnen Handwerker¬
kreisen geäußerten Wunsche überein. Er muß aber nach der Ansicht aller der-




Förderung des Handwerks auf Aosten der Industrie?
von Regierungsrat a, D, Dr. Schiveighoffer 2. Der Standpunkt der Industrie

Von feiten der Industrie wird die Notwendigkeit einer Änderung des
bestehenden Zustandes keineswegs verkannt, sondern gleichfalls eine Lösung und
Beseitigung der Schwierigkeiten angestrebt, die das Handwerkerorganisationsgesetz
vom 26. Juli 1897 und seine von den Handwerkerkreisen beliebte Auslegung
hervorgerufen hat. Als Angelpunkte der Streitigkeiten werden dabei angesehen:
die unklare Abgrenzung der Gebiete „Fabrik" und „Handwerk", die Unstimmigkeit
der Begriffe „Handwerker", „Fabrikant", „Kaufmann" in den verschiedenen, in
Betracht kommenden Gesetzen und endlich der Mißstand der Zuständigkeit so
zahlreicher Behörden. Die Abänderungsvorschläge der Industrie und ihrer
Vertreter sind indessen sehr verschiedener Art und werden offenbar mehr oder
weniger durch den Nachdruck beeinflußt, den die Handwerkskammern auf diesen
oder jenen der bezeichneten Differenzpunkte legen. Sieht man von einzelnen
Sondervorschlägen ab, so wird ein wesentliches Gewicht entweder auf den
Registereintrag gelegt und verlangt, daß gegen den Ausspruch des Register¬
richters sowohl der Handwerkskammer wie der Handelskammer das Recht der
Beschwerde mit der Wirkung beigelegt werde, daß die rechtskräftig erkannte
Eintragung bindend für alle Behörden sei, oder es wird empfohlen, vor der
Eintragung in das Register die beteiligten Organisationen zu hören. Neben
der zu diesem Zwecke angeregten Abänderung des Handelsgesetzbuches und der
Handelskammergesetze wird aber auch von einzelnen Seiten eine Abänderung
der Gewerbeordnung gefordert, mit der Begründung, daß gegenüber dem Ver¬
langen des Handwerks nicht so sehr die Beitragspflicht für zwei Kammern als
vielmehr die Anwendung der Verordmmgs-, Beaufstchtigungs- und Prüfungs-
rechte der Handwerkerorganisationen das bedenklichste an der ganzen Sache sei.

Im allgemeinen gehen indessen die gemachten Vorschläge darauf hinaus,
entweder die Begriffe „Fabrik" und „Handwerk" juristisch zu definieren oder
durch eine Instanz festzulegen, deren Ausspruch für alle Behörden bindend
sein soll.

Der erste dieser Vorschläge stimmt mit dem von einzelnen Handwerker¬
kreisen geäußerten Wunsche überein. Er muß aber nach der Ansicht aller der-


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[0223] [Abbildung] Förderung des Handwerks auf Aosten der Industrie? von Regierungsrat a, D, Dr. Schiveighoffer 2. Der Standpunkt der Industrie Von feiten der Industrie wird die Notwendigkeit einer Änderung des bestehenden Zustandes keineswegs verkannt, sondern gleichfalls eine Lösung und Beseitigung der Schwierigkeiten angestrebt, die das Handwerkerorganisationsgesetz vom 26. Juli 1897 und seine von den Handwerkerkreisen beliebte Auslegung hervorgerufen hat. Als Angelpunkte der Streitigkeiten werden dabei angesehen: die unklare Abgrenzung der Gebiete „Fabrik" und „Handwerk", die Unstimmigkeit der Begriffe „Handwerker", „Fabrikant", „Kaufmann" in den verschiedenen, in Betracht kommenden Gesetzen und endlich der Mißstand der Zuständigkeit so zahlreicher Behörden. Die Abänderungsvorschläge der Industrie und ihrer Vertreter sind indessen sehr verschiedener Art und werden offenbar mehr oder weniger durch den Nachdruck beeinflußt, den die Handwerkskammern auf diesen oder jenen der bezeichneten Differenzpunkte legen. Sieht man von einzelnen Sondervorschlägen ab, so wird ein wesentliches Gewicht entweder auf den Registereintrag gelegt und verlangt, daß gegen den Ausspruch des Register¬ richters sowohl der Handwerkskammer wie der Handelskammer das Recht der Beschwerde mit der Wirkung beigelegt werde, daß die rechtskräftig erkannte Eintragung bindend für alle Behörden sei, oder es wird empfohlen, vor der Eintragung in das Register die beteiligten Organisationen zu hören. Neben der zu diesem Zwecke angeregten Abänderung des Handelsgesetzbuches und der Handelskammergesetze wird aber auch von einzelnen Seiten eine Abänderung der Gewerbeordnung gefordert, mit der Begründung, daß gegenüber dem Ver¬ langen des Handwerks nicht so sehr die Beitragspflicht für zwei Kammern als vielmehr die Anwendung der Verordmmgs-, Beaufstchtigungs- und Prüfungs- rechte der Handwerkerorganisationen das bedenklichste an der ganzen Sache sei. Im allgemeinen gehen indessen die gemachten Vorschläge darauf hinaus, entweder die Begriffe „Fabrik" und „Handwerk" juristisch zu definieren oder durch eine Instanz festzulegen, deren Ausspruch für alle Behörden bindend sein soll. Der erste dieser Vorschläge stimmt mit dem von einzelnen Handwerker¬ kreisen geäußerten Wunsche überein. Er muß aber nach der Ansicht aller der-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/223>, abgerufen am 26.05.2024.