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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiegel

korps ebenfalls nur 120 wirklich vollwertig bediente und bespannte besitzen.
(Näheres möge aus dein zitierten Artikel in den N. M. Bl. ersehen werden.)

Ein Gebiet wird von der Wehrvorlage anscheinend gar nicht berührt,
obgleich es mindestens ebenso sehr einer durchgreifenden Reform bedürftig ist
als die organisatorische Gliederung der fechtenden Truppen: die Heeresverwaltung.
"Auch ich bin davon überzeugt, daß Vereinfachungen wie Reformen in unserer
Heeresverwaltung nötig sind". An diesen Ausspruch des preußischen Kriegs¬
ministers in der Reichstagssitzung vom 30. Januar 1911 sei hier schließlich die
Mahnung geknüpft, mit jenen Reformen ehestens planmäßig zu beginnen. nam¬
hafte Geschäftserleichterung und finanzielle Ersparnis im Frieden, insbesondere
aber bessere, der Lösung der vielseitigen und schwierigen Kriegsaufgabeu --
insonderheit des Problems der Verpflegung des Feldheeres -- zweckmäßiger
angepaßte Organisation des gesamten Verwaltungsapparates kann und muß das
Ziel der Reform sein. Auch hier darf es sich nicht um Flink- und Stückwerk
handeln. Es muß ganze Arbeit getan werden: Aufstellung eines großzügigen,
einheitlich gestalteten Reformplanes und Festlegung seiner systematischen Durch¬
führung innerhalb einer bemessenen Zeitspanne. In enger Verbindung mit
diesem Bedürfnis steht die Lösung der Frage der Trainorganisation. Näher
darauf einzugehen wird bei anderer Gelegenheit möglich sein.

Für die Erörterung der Wehrvorlage in Presse und Volksvertretung möge
aber der Wunsch Erfüllung finden: Sachlichkeit auch gegenüber abweichender
Meinung! Möge es uns erspart bleiben, vor unseren Nachbarn und vor denen,
die unsere Zeit einst als "Geschichte" kennen lernen, erröten zu müssen, weil
selbst in solchen Fragen der gemeinsamen Lebensinteressen Egoismus, Klassen¬
hochmut und Klassenhaß ungezügelt sich geltend machten!


Hauptmann Dr. Fritz Roeder
Bank und Geld

Vörsenhausse -- Die Wirtschaftskonjunttnr -- Der Kupfermarkt -- Parallelen zur
letzten Hochkonjunktur -- Kreditüberschreitungen -- Der Geldmarkt -- Privatmonopole
und Banken

Die Beilegung des Bergarbeiterstreiks hat das Signal zu einer fast stür¬
mischen Aufwärtsbewegung an der Börse gegeben. Keinerlei Erwägungen
waren imstande, die plötzlich aufflammende Unternehmungslust zu zügeln. Mochte
die Flottenrede Churchills einiges Unbehagen wecken, weil sie die Hoffnungen
auf eine englisch-deutsche Verständigung nicht zu fördern geeignet war, mochten
die deutschen Wehrvorlagen das Gefühl von der Unsicherheit der politischen Weltlage
aufs neue verstärken -- dies alles konnte den Umschwung der Stimmung ebenso
wenig dämpfen als die unbefriedigende Lage des Geldmarktes und die Nähe
des Ultimo. Alle Bedenken, die monatelang einen solchen Druck auf die Stimmung
ausgeübt hatten, waren im Nu verflogen -- am Barometer des Kurszettels
gemessen, mußte das herrlichste Börsenwetter herrschen. Und doch kann dem


Reichsspiegel

korps ebenfalls nur 120 wirklich vollwertig bediente und bespannte besitzen.
(Näheres möge aus dein zitierten Artikel in den N. M. Bl. ersehen werden.)

Ein Gebiet wird von der Wehrvorlage anscheinend gar nicht berührt,
obgleich es mindestens ebenso sehr einer durchgreifenden Reform bedürftig ist
als die organisatorische Gliederung der fechtenden Truppen: die Heeresverwaltung.
„Auch ich bin davon überzeugt, daß Vereinfachungen wie Reformen in unserer
Heeresverwaltung nötig sind". An diesen Ausspruch des preußischen Kriegs¬
ministers in der Reichstagssitzung vom 30. Januar 1911 sei hier schließlich die
Mahnung geknüpft, mit jenen Reformen ehestens planmäßig zu beginnen. nam¬
hafte Geschäftserleichterung und finanzielle Ersparnis im Frieden, insbesondere
aber bessere, der Lösung der vielseitigen und schwierigen Kriegsaufgabeu —
insonderheit des Problems der Verpflegung des Feldheeres — zweckmäßiger
angepaßte Organisation des gesamten Verwaltungsapparates kann und muß das
Ziel der Reform sein. Auch hier darf es sich nicht um Flink- und Stückwerk
handeln. Es muß ganze Arbeit getan werden: Aufstellung eines großzügigen,
einheitlich gestalteten Reformplanes und Festlegung seiner systematischen Durch¬
führung innerhalb einer bemessenen Zeitspanne. In enger Verbindung mit
diesem Bedürfnis steht die Lösung der Frage der Trainorganisation. Näher
darauf einzugehen wird bei anderer Gelegenheit möglich sein.

Für die Erörterung der Wehrvorlage in Presse und Volksvertretung möge
aber der Wunsch Erfüllung finden: Sachlichkeit auch gegenüber abweichender
Meinung! Möge es uns erspart bleiben, vor unseren Nachbarn und vor denen,
die unsere Zeit einst als „Geschichte" kennen lernen, erröten zu müssen, weil
selbst in solchen Fragen der gemeinsamen Lebensinteressen Egoismus, Klassen¬
hochmut und Klassenhaß ungezügelt sich geltend machten!


Hauptmann Dr. Fritz Roeder
Bank und Geld

Vörsenhausse — Die Wirtschaftskonjunttnr — Der Kupfermarkt — Parallelen zur
letzten Hochkonjunktur — Kreditüberschreitungen — Der Geldmarkt — Privatmonopole
und Banken

Die Beilegung des Bergarbeiterstreiks hat das Signal zu einer fast stür¬
mischen Aufwärtsbewegung an der Börse gegeben. Keinerlei Erwägungen
waren imstande, die plötzlich aufflammende Unternehmungslust zu zügeln. Mochte
die Flottenrede Churchills einiges Unbehagen wecken, weil sie die Hoffnungen
auf eine englisch-deutsche Verständigung nicht zu fördern geeignet war, mochten
die deutschen Wehrvorlagen das Gefühl von der Unsicherheit der politischen Weltlage
aufs neue verstärken — dies alles konnte den Umschwung der Stimmung ebenso
wenig dämpfen als die unbefriedigende Lage des Geldmarktes und die Nähe
des Ultimo. Alle Bedenken, die monatelang einen solchen Druck auf die Stimmung
ausgeübt hatten, waren im Nu verflogen — am Barometer des Kurszettels
gemessen, mußte das herrlichste Börsenwetter herrschen. Und doch kann dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/56>, abgerufen am 26.05.2024.