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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Lotterie und Literatur
von Dr. B. Westen berger

L
Wffas staatliche Lotteriewesen ist bei den Ethikern schlecht angeschrieben.
Was ließe sich auch vom moralischen Standpunkte viel zu seinen
Gunsten sagen? Keine staatliche Lotterie ist jemals aus einem
andern Grunde eingerichtet worden als aus dem des Geld¬
bedürfnisses. Der Staat benutzt das Verlangen der Menschen
nach Geld und Gut, um sich eine mehr oder minder gute Einnahme zu ver¬
schaffen. Eine Besteuerung der Hoffnungsseligkeit I

Aber ob auch schon viel gegen das staatliche Lotteriewesen moralisiert
wurde, die Staatspraktiker ließen nicht davon ab. Schon das Frankfurter
Bundesparlament wollte den Staatslotterien ein für allemal ein Ende machen,
sie blieben jedoch erhalten, ja sie haben manche andere Staats einrichtung über¬
dauert. Preußen hat seine auf das Jahr 1703 zurückzuführende Lotterie neuer¬
dings durch die Lotterieverträge mit zwanzig Bundesstaaten bedeutend aus¬
gedehnt, und da auch in Sachsen und Hamburg die Lotterien eingebürgert sind
und die süddeutschen Staaten eine Lotteriegemeinschast planen, wird weniger
als jemals früher an einen Rückgang zu denken sein.

Gerade diese Ausdehnung des Lotteriewesens rechtfertigt einen Vorschlag,
der, ob er auf den ersten Augenblick etwas wunderlich erscheinen mag, doch
geeignet sein würde, unsere geistige Kultur auf eine praktische Art zu fördern.

Wir denken an die Nutzbarmachung der Lotterien zur Verbreitung guter
Bücher.

Was auch in den letzten Jahren geschrieben und geredet wurde gegen die
als Gefahr erkannte Schund- und Schmutzliteratur -- immer ist der vernünftige
Schluß der, daß das beste Gegenmittel die Ablenkung vom Schlechten und die
Hinlenkung auf das Gute ist. Zu diesem Zwecke haben sich große Vereine und
Gesellschaften gebildet, aber auch an Aufforderungen an die Regierungen hat
es nicht gefehlt, sich ernsthaft um diese kulturelle Bewegung zu kümmern. Wir
meinen.es braucht nicht bei denbereitwilligzugesagten "wohlwollenden Erwägungen"
zu bleiben.

Man vermutet, daß wir den Regierungen vorschlagen werden, den Gewinn
aus der Staatslotterie zur Unterstützung dieser Bestrebungen herzugeben. Aber
so weit gehen wir nicht. Das wird kein Staat tun, weil jeder die Lotterie




Lotterie und Literatur
von Dr. B. Westen berger

L
Wffas staatliche Lotteriewesen ist bei den Ethikern schlecht angeschrieben.
Was ließe sich auch vom moralischen Standpunkte viel zu seinen
Gunsten sagen? Keine staatliche Lotterie ist jemals aus einem
andern Grunde eingerichtet worden als aus dem des Geld¬
bedürfnisses. Der Staat benutzt das Verlangen der Menschen
nach Geld und Gut, um sich eine mehr oder minder gute Einnahme zu ver¬
schaffen. Eine Besteuerung der Hoffnungsseligkeit I

Aber ob auch schon viel gegen das staatliche Lotteriewesen moralisiert
wurde, die Staatspraktiker ließen nicht davon ab. Schon das Frankfurter
Bundesparlament wollte den Staatslotterien ein für allemal ein Ende machen,
sie blieben jedoch erhalten, ja sie haben manche andere Staats einrichtung über¬
dauert. Preußen hat seine auf das Jahr 1703 zurückzuführende Lotterie neuer¬
dings durch die Lotterieverträge mit zwanzig Bundesstaaten bedeutend aus¬
gedehnt, und da auch in Sachsen und Hamburg die Lotterien eingebürgert sind
und die süddeutschen Staaten eine Lotteriegemeinschast planen, wird weniger
als jemals früher an einen Rückgang zu denken sein.

Gerade diese Ausdehnung des Lotteriewesens rechtfertigt einen Vorschlag,
der, ob er auf den ersten Augenblick etwas wunderlich erscheinen mag, doch
geeignet sein würde, unsere geistige Kultur auf eine praktische Art zu fördern.

Wir denken an die Nutzbarmachung der Lotterien zur Verbreitung guter
Bücher.

Was auch in den letzten Jahren geschrieben und geredet wurde gegen die
als Gefahr erkannte Schund- und Schmutzliteratur — immer ist der vernünftige
Schluß der, daß das beste Gegenmittel die Ablenkung vom Schlechten und die
Hinlenkung auf das Gute ist. Zu diesem Zwecke haben sich große Vereine und
Gesellschaften gebildet, aber auch an Aufforderungen an die Regierungen hat
es nicht gefehlt, sich ernsthaft um diese kulturelle Bewegung zu kümmern. Wir
meinen.es braucht nicht bei denbereitwilligzugesagten „wohlwollenden Erwägungen"
zu bleiben.

Man vermutet, daß wir den Regierungen vorschlagen werden, den Gewinn
aus der Staatslotterie zur Unterstützung dieser Bestrebungen herzugeben. Aber
so weit gehen wir nicht. Das wird kein Staat tun, weil jeder die Lotterie


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[0084] [Abbildung] Lotterie und Literatur von Dr. B. Westen berger L Wffas staatliche Lotteriewesen ist bei den Ethikern schlecht angeschrieben. Was ließe sich auch vom moralischen Standpunkte viel zu seinen Gunsten sagen? Keine staatliche Lotterie ist jemals aus einem andern Grunde eingerichtet worden als aus dem des Geld¬ bedürfnisses. Der Staat benutzt das Verlangen der Menschen nach Geld und Gut, um sich eine mehr oder minder gute Einnahme zu ver¬ schaffen. Eine Besteuerung der Hoffnungsseligkeit I Aber ob auch schon viel gegen das staatliche Lotteriewesen moralisiert wurde, die Staatspraktiker ließen nicht davon ab. Schon das Frankfurter Bundesparlament wollte den Staatslotterien ein für allemal ein Ende machen, sie blieben jedoch erhalten, ja sie haben manche andere Staats einrichtung über¬ dauert. Preußen hat seine auf das Jahr 1703 zurückzuführende Lotterie neuer¬ dings durch die Lotterieverträge mit zwanzig Bundesstaaten bedeutend aus¬ gedehnt, und da auch in Sachsen und Hamburg die Lotterien eingebürgert sind und die süddeutschen Staaten eine Lotteriegemeinschast planen, wird weniger als jemals früher an einen Rückgang zu denken sein. Gerade diese Ausdehnung des Lotteriewesens rechtfertigt einen Vorschlag, der, ob er auf den ersten Augenblick etwas wunderlich erscheinen mag, doch geeignet sein würde, unsere geistige Kultur auf eine praktische Art zu fördern. Wir denken an die Nutzbarmachung der Lotterien zur Verbreitung guter Bücher. Was auch in den letzten Jahren geschrieben und geredet wurde gegen die als Gefahr erkannte Schund- und Schmutzliteratur — immer ist der vernünftige Schluß der, daß das beste Gegenmittel die Ablenkung vom Schlechten und die Hinlenkung auf das Gute ist. Zu diesem Zwecke haben sich große Vereine und Gesellschaften gebildet, aber auch an Aufforderungen an die Regierungen hat es nicht gefehlt, sich ernsthaft um diese kulturelle Bewegung zu kümmern. Wir meinen.es braucht nicht bei denbereitwilligzugesagten „wohlwollenden Erwägungen" zu bleiben. Man vermutet, daß wir den Regierungen vorschlagen werden, den Gewinn aus der Staatslotterie zur Unterstützung dieser Bestrebungen herzugeben. Aber so weit gehen wir nicht. Das wird kein Staat tun, weil jeder die Lotterie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/84>, abgerufen am 26.05.2024.