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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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als er sich gefaßt gemacht hatte. Das ver¬
drießt vielleicht manchen! Anderseits erhält
gerade durch dieses Hervortreten der Persön¬
lichkeit der erzählenden Schwester das neue
Nietzschebuch einen dokumentarischen Wert,
einen Wert für die Beurteilung des Blutes,
aus dem der große Individualist entsprang.
Das Monument auf dem Grabe eines Toten
zeugt nicht nur von seiner Größe, sondern
auch von der Sinnesart derer, die ihm das
Mal errichteten.


Dr. w. Warsta
Pädagogik

Friedrich Pansen, Gesammelte Päda¬
gogische Abhandlungen. Herausgegeben und
eingeleitet von Eduard Sprangcr. I. G.
Cotwsche Buchhandlung Nachfolger. Stutt¬
gart und Berlin 1912.

Pietätvolle Hände haben eine stattliche
Reihe pädagogischer Aufsätze aus der Feder
Friedrich Paniscus, die im Laufe von beinahe
zwei Jahrzehnten (1889 bis 1903) entstanden
und veröffentlicht worden sind, zu einem
starken Bande zusammengefügt -- lose Blätter,
die nicht nüchterne Forschungsergebnisse dar¬
stellen, sondern Persönliche Überzeugungen
künden und Überzeugungen wirken wollen.
Der Hauch rastloser Tätigkeit, in der sich
Paniscus kernige Ratnr verzehrte, weht uns
hier entgegen, aber wir gewahren auch mit
Wehmut die Erbitterung des alternden Mannes,
der im Antlitz der Gegenwart die Züge seiner
Jngendtage nicht mehr zu finden vermochte.

Der schnffensfrohe Paulsen, der mit scharfen
Augen in die Welt blickte, spricht zu uns in
den Abhandlungen, die der Schulbildung und
Organisation gelten. Durch die Vereinigung
dieser verstreuten Arbeiten im vorliegenden
Bande ist uns ein wertvolles Stück deutscher
Bildungsgeschichte und Schulpolitik zur An¬
schauung gebracht worden, das auch für spätere
Zeiten als Quellensammlung von hoher Be¬
deutung sein wird. Paulsen fand sich einst
durch die Veröffentlichung seines Werkes:
"Geschichte des gelehrten Unterrichts" zu seiner
"eigenen Überraschung mitten in den Schul¬
kampf hineingestellt". Auf der Delegierten¬
versammlung des Vereins der Realschulmänner
hielt er im Jahre 1839 jenen Vortrag über
"Das Realgymnasium und die humanistische


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Bildung", der als Programm seiner Wirk¬
amkeit gelten darf und in der vorliegenden
Sammlung an erster Stelle abgedruckt ist.
Es ist sehr wertvoll, daß der Herausgeber
der "Gesammelten Pädagogischen Abhand¬
ungen" zu den den Schulstreit betreffenden
Aufsätzen in seiner "Einleitung" gleichsam
inen Kommentar geschrieben hat, der sie so¬
weit wie möglich in Zusammenhang bringt
und Paniscus Stellung klar hervortreten läßt.
Er kennzeichnet die Leistung Paniscus in dein
Satze, daß dieser als Vorkämpfer seiner Zeit
das Gymnasialmonopol gebrochen habe.

Auch Paniscus Eingreifen in die An¬
gelegenheiten der Universität, das ebenfalls
durch eine umfangreiche Gruppe von Aufsätzen
veranschaulicht wird, erhält in gleicher Weise
durch den Einleitungstext des Herausgebers
in zweckmäßiges Relief. Wie hoch man aber
auch den sachlichen Wert aller dieser Arbeiten
Paniscus einschätzen mag, so kommt doch seine
nnere Persönlichkeit, seine Lebensweisheit
nirgends so sehr zum Ausdruck als in den
Aufsätzen allgemein-Pädagogischen Inhalts, die
die Sammlung enthält. Wir finden hier unter
anderen den schönen Aufsatz aus Rems "Enzy¬
lopädischem Handbuch der Pädagogik" über
"Bildung" wieder, der anch in den Grenz¬
boten abgedruckt worden ist (Jahrg. 62, Heft 48
und 49, 1893), und den Artikel "Deutsche
Bildung -- Menschheitsbildung", der von den
Beziehungen deutscher Nationalkultur zu der
allgemeinen Geisteskultur der Menschheit han¬
delt und mit den stolzen Worten Schillers
eingeleitet wird: "Ihm ist das Höchste be¬
timmt. Und so wie er in der Mitte von
Europas Völkern sich befindet, so ist er der
Kern der Menschheit. Er ist erwählt von dem
Zeitgeist, während des Zeitkampfes an dem
wigen Bau der Menschenbildung zu arbeiten.
Daher hat er bisher Fremdes sich angeeignet
und es in sich bewahrt. Alles, was schätz¬
bares bei anderen Zeiten und Völkern auf¬
am, hat er aufbewahrt, es ist ihm unverloren,
die Schätze von Jahrhunderten. -- Jedes
Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der
Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit."

Aber nicht alle Äußerungen Paniscus sind
auf diesen Ton freudigen Stolzes gestimmt.
Der Mann, der in der Härte und dem
Konservativismus des Bauerntums in un-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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als er sich gefaßt gemacht hatte. Das ver¬
drießt vielleicht manchen! Anderseits erhält
gerade durch dieses Hervortreten der Persön¬
lichkeit der erzählenden Schwester das neue
Nietzschebuch einen dokumentarischen Wert,
einen Wert für die Beurteilung des Blutes,
aus dem der große Individualist entsprang.
Das Monument auf dem Grabe eines Toten
zeugt nicht nur von seiner Größe, sondern
auch von der Sinnesart derer, die ihm das
Mal errichteten.


Dr. w. Warsta
Pädagogik

Friedrich Pansen, Gesammelte Päda¬
gogische Abhandlungen. Herausgegeben und
eingeleitet von Eduard Sprangcr. I. G.
Cotwsche Buchhandlung Nachfolger. Stutt¬
gart und Berlin 1912.

Pietätvolle Hände haben eine stattliche
Reihe pädagogischer Aufsätze aus der Feder
Friedrich Paniscus, die im Laufe von beinahe
zwei Jahrzehnten (1889 bis 1903) entstanden
und veröffentlicht worden sind, zu einem
starken Bande zusammengefügt — lose Blätter,
die nicht nüchterne Forschungsergebnisse dar¬
stellen, sondern Persönliche Überzeugungen
künden und Überzeugungen wirken wollen.
Der Hauch rastloser Tätigkeit, in der sich
Paniscus kernige Ratnr verzehrte, weht uns
hier entgegen, aber wir gewahren auch mit
Wehmut die Erbitterung des alternden Mannes,
der im Antlitz der Gegenwart die Züge seiner
Jngendtage nicht mehr zu finden vermochte.

Der schnffensfrohe Paulsen, der mit scharfen
Augen in die Welt blickte, spricht zu uns in
den Abhandlungen, die der Schulbildung und
Organisation gelten. Durch die Vereinigung
dieser verstreuten Arbeiten im vorliegenden
Bande ist uns ein wertvolles Stück deutscher
Bildungsgeschichte und Schulpolitik zur An¬
schauung gebracht worden, das auch für spätere
Zeiten als Quellensammlung von hoher Be¬
deutung sein wird. Paulsen fand sich einst
durch die Veröffentlichung seines Werkes:
„Geschichte des gelehrten Unterrichts" zu seiner
„eigenen Überraschung mitten in den Schul¬
kampf hineingestellt". Auf der Delegierten¬
versammlung des Vereins der Realschulmänner
hielt er im Jahre 1839 jenen Vortrag über
„Das Realgymnasium und die humanistische


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Bildung", der als Programm seiner Wirk¬
amkeit gelten darf und in der vorliegenden
Sammlung an erster Stelle abgedruckt ist.
Es ist sehr wertvoll, daß der Herausgeber
der „Gesammelten Pädagogischen Abhand¬
ungen" zu den den Schulstreit betreffenden
Aufsätzen in seiner „Einleitung" gleichsam
inen Kommentar geschrieben hat, der sie so¬
weit wie möglich in Zusammenhang bringt
und Paniscus Stellung klar hervortreten läßt.
Er kennzeichnet die Leistung Paniscus in dein
Satze, daß dieser als Vorkämpfer seiner Zeit
das Gymnasialmonopol gebrochen habe.

Auch Paniscus Eingreifen in die An¬
gelegenheiten der Universität, das ebenfalls
durch eine umfangreiche Gruppe von Aufsätzen
veranschaulicht wird, erhält in gleicher Weise
durch den Einleitungstext des Herausgebers
in zweckmäßiges Relief. Wie hoch man aber
auch den sachlichen Wert aller dieser Arbeiten
Paniscus einschätzen mag, so kommt doch seine
nnere Persönlichkeit, seine Lebensweisheit
nirgends so sehr zum Ausdruck als in den
Aufsätzen allgemein-Pädagogischen Inhalts, die
die Sammlung enthält. Wir finden hier unter
anderen den schönen Aufsatz aus Rems „Enzy¬
lopädischem Handbuch der Pädagogik" über
„Bildung" wieder, der anch in den Grenz¬
boten abgedruckt worden ist (Jahrg. 62, Heft 48
und 49, 1893), und den Artikel „Deutsche
Bildung — Menschheitsbildung", der von den
Beziehungen deutscher Nationalkultur zu der
allgemeinen Geisteskultur der Menschheit han¬
delt und mit den stolzen Worten Schillers
eingeleitet wird: „Ihm ist das Höchste be¬
timmt. Und so wie er in der Mitte von
Europas Völkern sich befindet, so ist er der
Kern der Menschheit. Er ist erwählt von dem
Zeitgeist, während des Zeitkampfes an dem
wigen Bau der Menschenbildung zu arbeiten.
Daher hat er bisher Fremdes sich angeeignet
und es in sich bewahrt. Alles, was schätz¬
bares bei anderen Zeiten und Völkern auf¬
am, hat er aufbewahrt, es ist ihm unverloren,
die Schätze von Jahrhunderten. — Jedes
Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der
Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit."

Aber nicht alle Äußerungen Paniscus sind
auf diesen Ton freudigen Stolzes gestimmt.
Der Mann, der in der Härte und dem
Konservativismus des Bauerntums in un-

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[0437] Maßgebliches und Unmaßgebliches als er sich gefaßt gemacht hatte. Das ver¬ drießt vielleicht manchen! Anderseits erhält gerade durch dieses Hervortreten der Persön¬ lichkeit der erzählenden Schwester das neue Nietzschebuch einen dokumentarischen Wert, einen Wert für die Beurteilung des Blutes, aus dem der große Individualist entsprang. Das Monument auf dem Grabe eines Toten zeugt nicht nur von seiner Größe, sondern auch von der Sinnesart derer, die ihm das Mal errichteten. Dr. w. Warsta Pädagogik Friedrich Pansen, Gesammelte Päda¬ gogische Abhandlungen. Herausgegeben und eingeleitet von Eduard Sprangcr. I. G. Cotwsche Buchhandlung Nachfolger. Stutt¬ gart und Berlin 1912. Pietätvolle Hände haben eine stattliche Reihe pädagogischer Aufsätze aus der Feder Friedrich Paniscus, die im Laufe von beinahe zwei Jahrzehnten (1889 bis 1903) entstanden und veröffentlicht worden sind, zu einem starken Bande zusammengefügt — lose Blätter, die nicht nüchterne Forschungsergebnisse dar¬ stellen, sondern Persönliche Überzeugungen künden und Überzeugungen wirken wollen. Der Hauch rastloser Tätigkeit, in der sich Paniscus kernige Ratnr verzehrte, weht uns hier entgegen, aber wir gewahren auch mit Wehmut die Erbitterung des alternden Mannes, der im Antlitz der Gegenwart die Züge seiner Jngendtage nicht mehr zu finden vermochte. Der schnffensfrohe Paulsen, der mit scharfen Augen in die Welt blickte, spricht zu uns in den Abhandlungen, die der Schulbildung und Organisation gelten. Durch die Vereinigung dieser verstreuten Arbeiten im vorliegenden Bande ist uns ein wertvolles Stück deutscher Bildungsgeschichte und Schulpolitik zur An¬ schauung gebracht worden, das auch für spätere Zeiten als Quellensammlung von hoher Be¬ deutung sein wird. Paulsen fand sich einst durch die Veröffentlichung seines Werkes: „Geschichte des gelehrten Unterrichts" zu seiner „eigenen Überraschung mitten in den Schul¬ kampf hineingestellt". Auf der Delegierten¬ versammlung des Vereins der Realschulmänner hielt er im Jahre 1839 jenen Vortrag über „Das Realgymnasium und die humanistische Bildung", der als Programm seiner Wirk¬ amkeit gelten darf und in der vorliegenden Sammlung an erster Stelle abgedruckt ist. Es ist sehr wertvoll, daß der Herausgeber der „Gesammelten Pädagogischen Abhand¬ ungen" zu den den Schulstreit betreffenden Aufsätzen in seiner „Einleitung" gleichsam inen Kommentar geschrieben hat, der sie so¬ weit wie möglich in Zusammenhang bringt und Paniscus Stellung klar hervortreten läßt. Er kennzeichnet die Leistung Paniscus in dein Satze, daß dieser als Vorkämpfer seiner Zeit das Gymnasialmonopol gebrochen habe. Auch Paniscus Eingreifen in die An¬ gelegenheiten der Universität, das ebenfalls durch eine umfangreiche Gruppe von Aufsätzen veranschaulicht wird, erhält in gleicher Weise durch den Einleitungstext des Herausgebers in zweckmäßiges Relief. Wie hoch man aber auch den sachlichen Wert aller dieser Arbeiten Paniscus einschätzen mag, so kommt doch seine nnere Persönlichkeit, seine Lebensweisheit nirgends so sehr zum Ausdruck als in den Aufsätzen allgemein-Pädagogischen Inhalts, die die Sammlung enthält. Wir finden hier unter anderen den schönen Aufsatz aus Rems „Enzy¬ lopädischem Handbuch der Pädagogik" über „Bildung" wieder, der anch in den Grenz¬ boten abgedruckt worden ist (Jahrg. 62, Heft 48 und 49, 1893), und den Artikel „Deutsche Bildung — Menschheitsbildung", der von den Beziehungen deutscher Nationalkultur zu der allgemeinen Geisteskultur der Menschheit han¬ delt und mit den stolzen Worten Schillers eingeleitet wird: „Ihm ist das Höchste be¬ timmt. Und so wie er in der Mitte von Europas Völkern sich befindet, so ist er der Kern der Menschheit. Er ist erwählt von dem Zeitgeist, während des Zeitkampfes an dem wigen Bau der Menschenbildung zu arbeiten. Daher hat er bisher Fremdes sich angeeignet und es in sich bewahrt. Alles, was schätz¬ bares bei anderen Zeiten und Völkern auf¬ am, hat er aufbewahrt, es ist ihm unverloren, die Schätze von Jahrhunderten. — Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit." Aber nicht alle Äußerungen Paniscus sind auf diesen Ton freudigen Stolzes gestimmt. Der Mann, der in der Härte und dem Konservativismus des Bauerntums in un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/437>, abgerufen am 05.05.2024.