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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

schreiten von einfachsten Weltansichten durch
großartige grundlegende Gegensätze hindurch
zu im Grundriß wie in den Einzelheiten
feiner ausgebildeten Lehren dar. Nur hätte
zweckmäßig aus der von A, Fischer gegebenen
sehr anregenden Darstellung im vorliegenden
Werke nach dem Vorgange Windelbands De-
mokrit abgesondert werden können als glän¬
zendste klarste Verkörperung der durchge¬
führten materialistischen Weltanschauung, die
so oft in späteren Zeiten, im günstigsten Falle
erweitert, meist aber vergröbert und getrübt,
wiederzufinden ist.

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bei Vergleichung einzelner Abhandlungen an
Vorbildung und Denkkraft des Lesers gestellt
findet, im allgemeinen der Wirksamkeit des
Werkes keinen Abbruch tun; der eine wird
diesen, der andere jenen sich gewachsen fühlen
und in jedem Falle wertvollen Stoff zu seiner
Belehrung finden. Anerkennung verdient
vornehmlich die überwiegend kritische Behand¬
lung, die innerhalb der großen Gedanken¬
welten das Bedeutsame herauszuheben und
daS durch die Besonderheit der Persönlichkeit
oder des jeweiligen Zeitgeistes Bedingte von
den den Fortschritt des menschlichen Geistes
fördernden Ideen und dem zeitlos Wertvollen
zu sondern strebt. Der durch solche kritische
Führung geübte Sinn des Lesers wird dann
auch nicht beirrt werden, wenn in der letzten,
von A. Pfänder verfaßten Monographie eine
leidenschaftliche Persönlichkeit wie Nietzsche,
als ganz außerhalb der wissenschaftlichen
Philosophie stehend, unter geflissentlicher Ver¬
meidung jeder Kritik in einem fesselnden Bilde
festgehalten und im Hinblick auf ihre Bedeu¬
tung für die Kultur unserer Zeit liebevoll
gewürdigt wird; und dies um so weniger, da
der Abschluß der beiden Bände von dem
Meister der Geschichte der Philosophie, Windel¬
band, eine Übersicht über die Philosophischen
Richtungen der Gegenwart bringt, welche nach¬
drücklichst auf die Aufgaben der wissenschaft¬
lichen Philosophie hinweist.

Nur dies Allgemeinere ließ sich über ein
derartiges Sammelwerk in kurzem sagen; es
erübrigt nur der lebhafte Wunsch, daß es
einer der höchsten Betätigungen des mensch¬
lichen Geistes viele Freunde und, wenn mög¬
lich, auch tätige Mitarbeiter werben möge.

Dr. Heinrich Tevy i
Schöne Literatur

Neue Dichterausgaben. Es hat seine
Vorteile und seine Nachteile, wenn uns der
Buchhandel heute so viele ältere Dichter¬
werke in Neuausgaben bietet und wenn er
sich nicht erschöpfen kann in Wiederholungen;
seine Nachteile, weil die Masse zu verwirren
und abzustumpfen droht, seine Vorteile, weil
doch auch noch immer Wertvolles ausgegraben
wird, und weil durch die Fülle der Kor-

[Ende Spaltensatz]

Trotz dieser und anderer Zusammen¬
fassungen und trotz des Verzichts auf manchen
"großen Denker" -- man vermißt z. B. Hobbes
-- sind in den beiden Bänden des Werkes
noch zwanzig von achtzehn verschiedenen Ver¬
fassern gelieferte Abhandlungen vereinigt;
naturgemäß können sie nicht alle gleichwertig,
insbesondere auch mit Rücksicht auf den Zweck
der Einführung in die Philosophie nicht gleich
gelungen sein. Verschiedenen Darstellungen
gebührt in jeder Beziehung hohes Lob; zu
ihnen kommt die größere Zahl der Aufsätze,
die, bald mehr bald weniger tief eindringend,
jedenfalls fast durchweg ihren Zweck erfüllen.
Allgemeinsten Interesse werden die Abhand¬
lungen begegnen, welche Persönlichkeiten von
sozusagen Populärstem Ruf gewidmet sind
iber Bekanntheit des Namens entspricht frei¬
lich im Publikum häufig nur eine verschwommene
oder unkritische Vorstellung von dem eigent¬
lichen Wesen dieser Denker). Herausgegriffen
seien unter diesem Gesichtspunkt die klare
kritische Studie über Giordano Bruno von
Hönigswald; die feinsinnige, meisterhaft den
Stoff beherrschende Zeichnung Spinozas von
O. Baensch und die treffende Charakteristik
Schopenhauers aus der gewandten Feder
Rudolf Lehmanns. Durchaus nicht zu tadeln
ist es übrigens, wenn besonders die beiden
Erstgenannten ein energischeres Mitdenken des
Lesers verlangen; allerdings finden sich dann
auch einzelne Aufsätze innerhalb der "großen
Denker", die, zum Teil zwar wissenschaftlich
interessant oder wertvoll, ihren Stoff einem
größeren Kreise nicht leicht genug zugänglich
oder nicht fesselnd genug gestaltet haben dürften.
Doch wird die, in manchen Punkten auffällige,
Verschiedenheit der Anforderungen, die man


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

schreiten von einfachsten Weltansichten durch
großartige grundlegende Gegensätze hindurch
zu im Grundriß wie in den Einzelheiten
feiner ausgebildeten Lehren dar. Nur hätte
zweckmäßig aus der von A, Fischer gegebenen
sehr anregenden Darstellung im vorliegenden
Werke nach dem Vorgange Windelbands De-
mokrit abgesondert werden können als glän¬
zendste klarste Verkörperung der durchge¬
führten materialistischen Weltanschauung, die
so oft in späteren Zeiten, im günstigsten Falle
erweitert, meist aber vergröbert und getrübt,
wiederzufinden ist.

[Spaltenumbruch]

bei Vergleichung einzelner Abhandlungen an
Vorbildung und Denkkraft des Lesers gestellt
findet, im allgemeinen der Wirksamkeit des
Werkes keinen Abbruch tun; der eine wird
diesen, der andere jenen sich gewachsen fühlen
und in jedem Falle wertvollen Stoff zu seiner
Belehrung finden. Anerkennung verdient
vornehmlich die überwiegend kritische Behand¬
lung, die innerhalb der großen Gedanken¬
welten das Bedeutsame herauszuheben und
daS durch die Besonderheit der Persönlichkeit
oder des jeweiligen Zeitgeistes Bedingte von
den den Fortschritt des menschlichen Geistes
fördernden Ideen und dem zeitlos Wertvollen
zu sondern strebt. Der durch solche kritische
Führung geübte Sinn des Lesers wird dann
auch nicht beirrt werden, wenn in der letzten,
von A. Pfänder verfaßten Monographie eine
leidenschaftliche Persönlichkeit wie Nietzsche,
als ganz außerhalb der wissenschaftlichen
Philosophie stehend, unter geflissentlicher Ver¬
meidung jeder Kritik in einem fesselnden Bilde
festgehalten und im Hinblick auf ihre Bedeu¬
tung für die Kultur unserer Zeit liebevoll
gewürdigt wird; und dies um so weniger, da
der Abschluß der beiden Bände von dem
Meister der Geschichte der Philosophie, Windel¬
band, eine Übersicht über die Philosophischen
Richtungen der Gegenwart bringt, welche nach¬
drücklichst auf die Aufgaben der wissenschaft¬
lichen Philosophie hinweist.

Nur dies Allgemeinere ließ sich über ein
derartiges Sammelwerk in kurzem sagen; es
erübrigt nur der lebhafte Wunsch, daß es
einer der höchsten Betätigungen des mensch¬
lichen Geistes viele Freunde und, wenn mög¬
lich, auch tätige Mitarbeiter werben möge.

Dr. Heinrich Tevy i
Schöne Literatur

Neue Dichterausgaben. Es hat seine
Vorteile und seine Nachteile, wenn uns der
Buchhandel heute so viele ältere Dichter¬
werke in Neuausgaben bietet und wenn er
sich nicht erschöpfen kann in Wiederholungen;
seine Nachteile, weil die Masse zu verwirren
und abzustumpfen droht, seine Vorteile, weil
doch auch noch immer Wertvolles ausgegraben
wird, und weil durch die Fülle der Kor-

[Ende Spaltensatz]

Trotz dieser und anderer Zusammen¬
fassungen und trotz des Verzichts auf manchen
„großen Denker" — man vermißt z. B. Hobbes
— sind in den beiden Bänden des Werkes
noch zwanzig von achtzehn verschiedenen Ver¬
fassern gelieferte Abhandlungen vereinigt;
naturgemäß können sie nicht alle gleichwertig,
insbesondere auch mit Rücksicht auf den Zweck
der Einführung in die Philosophie nicht gleich
gelungen sein. Verschiedenen Darstellungen
gebührt in jeder Beziehung hohes Lob; zu
ihnen kommt die größere Zahl der Aufsätze,
die, bald mehr bald weniger tief eindringend,
jedenfalls fast durchweg ihren Zweck erfüllen.
Allgemeinsten Interesse werden die Abhand¬
lungen begegnen, welche Persönlichkeiten von
sozusagen Populärstem Ruf gewidmet sind
iber Bekanntheit des Namens entspricht frei¬
lich im Publikum häufig nur eine verschwommene
oder unkritische Vorstellung von dem eigent¬
lichen Wesen dieser Denker). Herausgegriffen
seien unter diesem Gesichtspunkt die klare
kritische Studie über Giordano Bruno von
Hönigswald; die feinsinnige, meisterhaft den
Stoff beherrschende Zeichnung Spinozas von
O. Baensch und die treffende Charakteristik
Schopenhauers aus der gewandten Feder
Rudolf Lehmanns. Durchaus nicht zu tadeln
ist es übrigens, wenn besonders die beiden
Erstgenannten ein energischeres Mitdenken des
Lesers verlangen; allerdings finden sich dann
auch einzelne Aufsätze innerhalb der „großen
Denker", die, zum Teil zwar wissenschaftlich
interessant oder wertvoll, ihren Stoff einem
größeren Kreise nicht leicht genug zugänglich
oder nicht fesselnd genug gestaltet haben dürften.
Doch wird die, in manchen Punkten auffällige,
Verschiedenheit der Anforderungen, die man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/487>, abgerufen am 28.04.2024.