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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reform der inneren Verwaltung

werden. Es läßt sich z. B. nicht einsehen, warum Breslau mit 259,2 soweit
hinter dem Reichsdurchschnitt zurückbleibt und vergleichen wir den letzteren mit
der Ziffer für London (114,0), so sehen wir, was noch zu tun übrig bleibt.
Krebskrankheiten zeigen ähnlich großen Unterschied: London 88,2, Berlin 117,6.

Das sind nur einige Anregungen, in großen Umrissen gegeben. Es leuchtet
ein, daß daneben noch unzählige andere Wege möglich sind, einmal, um den
neugeboren.er Leben und Gesundheit zu sichern und dann, um die durchschnitt¬
liche Lebensdauer zu verlängern und dadurch größere Zeugungsmöglichkeit herbei¬
zuführen. Derartige Maßnahmen sind zwecksicherer, als die Predigt gegen
Beschränkung der.Minderzahl. Diese würde sich vollständig erübrigen, wenn es
uns gelingen könnte, die Säuglingssterblichkeit von 16 °/<> auf ungefähr 3 bis
4 °/g herabzudrücken und alle Krankheiten der späteren Altersstufen so einzu¬
schränken, wie es bei Typhus und Influenza möglich gewesen ist.




Reform der inneren Verwaltung
(Schluß)
Personalverwaltung

Es bleibt noch das wichtige Gebiet der Personalverwaltung zu besprechen.
Sicher ist es wohl sogar das wichtigste; denn es läßt sich kaum bestreiten:
keine Organisation der Verwaltung, mag sie noch so vorzüglich sein, wird je
Segen bringen können, wenn es nicht gelingt, die hierfür geeigneten Personen
ausfindig zu machen und dieser Verwaltung dauernd zuzuführen, wie denn auch
keine Organisation so schlecht ist, daß nicht befähigte Persönlichkeiten mit ihr
bis zu einem gewissen Grade Gutes schaffen könnten. Überhaupt sind im
staatlichen Leben nicht gerade die Einrichtungen selbst daran schuld, wenn diese
sich zu überleben und unbrauchbar zu werden scheinen. Weit mehr ist hierfür
der Umstand von Bedeutung, daß die geeigneten Persönlichkeiten sich für die
vorhandenen Einrichtungen nicht mehr finden, oder auch nicht mehr gesucht
werden. So könnte man denn zu dem Glauben gelangen, daß die ganze
Organisationsfrage der Verwaltung nur von geringer Bedeutung ist, und daß man
eigentlich nur nötig hat. sich mit der Personenfrage abzugeben. Gewiß wäre
hiermit das Spiel gewonnen, wenn nur die Personenfrage selbst sich zur Zu¬
friedenheit erledigen ließe. Leider ist das nicht der Fall. Um fähige oder
auch nur geeignete Köpfe zu erkennen, gehört für den Erkennenden selbst wieder
ein gewisses Maß von Fähigkeiten und Eigenschaften, die nun einmal nicht
immer zu finden sind. Und irgendwelche Leitsätze und allgemeine Regeln


Reform der inneren Verwaltung

werden. Es läßt sich z. B. nicht einsehen, warum Breslau mit 259,2 soweit
hinter dem Reichsdurchschnitt zurückbleibt und vergleichen wir den letzteren mit
der Ziffer für London (114,0), so sehen wir, was noch zu tun übrig bleibt.
Krebskrankheiten zeigen ähnlich großen Unterschied: London 88,2, Berlin 117,6.

Das sind nur einige Anregungen, in großen Umrissen gegeben. Es leuchtet
ein, daß daneben noch unzählige andere Wege möglich sind, einmal, um den
neugeboren.er Leben und Gesundheit zu sichern und dann, um die durchschnitt¬
liche Lebensdauer zu verlängern und dadurch größere Zeugungsmöglichkeit herbei¬
zuführen. Derartige Maßnahmen sind zwecksicherer, als die Predigt gegen
Beschränkung der.Minderzahl. Diese würde sich vollständig erübrigen, wenn es
uns gelingen könnte, die Säuglingssterblichkeit von 16 °/<> auf ungefähr 3 bis
4 °/g herabzudrücken und alle Krankheiten der späteren Altersstufen so einzu¬
schränken, wie es bei Typhus und Influenza möglich gewesen ist.




Reform der inneren Verwaltung
(Schluß)
Personalverwaltung

Es bleibt noch das wichtige Gebiet der Personalverwaltung zu besprechen.
Sicher ist es wohl sogar das wichtigste; denn es läßt sich kaum bestreiten:
keine Organisation der Verwaltung, mag sie noch so vorzüglich sein, wird je
Segen bringen können, wenn es nicht gelingt, die hierfür geeigneten Personen
ausfindig zu machen und dieser Verwaltung dauernd zuzuführen, wie denn auch
keine Organisation so schlecht ist, daß nicht befähigte Persönlichkeiten mit ihr
bis zu einem gewissen Grade Gutes schaffen könnten. Überhaupt sind im
staatlichen Leben nicht gerade die Einrichtungen selbst daran schuld, wenn diese
sich zu überleben und unbrauchbar zu werden scheinen. Weit mehr ist hierfür
der Umstand von Bedeutung, daß die geeigneten Persönlichkeiten sich für die
vorhandenen Einrichtungen nicht mehr finden, oder auch nicht mehr gesucht
werden. So könnte man denn zu dem Glauben gelangen, daß die ganze
Organisationsfrage der Verwaltung nur von geringer Bedeutung ist, und daß man
eigentlich nur nötig hat. sich mit der Personenfrage abzugeben. Gewiß wäre
hiermit das Spiel gewonnen, wenn nur die Personenfrage selbst sich zur Zu¬
friedenheit erledigen ließe. Leider ist das nicht der Fall. Um fähige oder
auch nur geeignete Köpfe zu erkennen, gehört für den Erkennenden selbst wieder
ein gewisses Maß von Fähigkeiten und Eigenschaften, die nun einmal nicht
immer zu finden sind. Und irgendwelche Leitsätze und allgemeine Regeln


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[0504] Reform der inneren Verwaltung werden. Es läßt sich z. B. nicht einsehen, warum Breslau mit 259,2 soweit hinter dem Reichsdurchschnitt zurückbleibt und vergleichen wir den letzteren mit der Ziffer für London (114,0), so sehen wir, was noch zu tun übrig bleibt. Krebskrankheiten zeigen ähnlich großen Unterschied: London 88,2, Berlin 117,6. Das sind nur einige Anregungen, in großen Umrissen gegeben. Es leuchtet ein, daß daneben noch unzählige andere Wege möglich sind, einmal, um den neugeboren.er Leben und Gesundheit zu sichern und dann, um die durchschnitt¬ liche Lebensdauer zu verlängern und dadurch größere Zeugungsmöglichkeit herbei¬ zuführen. Derartige Maßnahmen sind zwecksicherer, als die Predigt gegen Beschränkung der.Minderzahl. Diese würde sich vollständig erübrigen, wenn es uns gelingen könnte, die Säuglingssterblichkeit von 16 °/<> auf ungefähr 3 bis 4 °/g herabzudrücken und alle Krankheiten der späteren Altersstufen so einzu¬ schränken, wie es bei Typhus und Influenza möglich gewesen ist. Reform der inneren Verwaltung (Schluß) Personalverwaltung Es bleibt noch das wichtige Gebiet der Personalverwaltung zu besprechen. Sicher ist es wohl sogar das wichtigste; denn es läßt sich kaum bestreiten: keine Organisation der Verwaltung, mag sie noch so vorzüglich sein, wird je Segen bringen können, wenn es nicht gelingt, die hierfür geeigneten Personen ausfindig zu machen und dieser Verwaltung dauernd zuzuführen, wie denn auch keine Organisation so schlecht ist, daß nicht befähigte Persönlichkeiten mit ihr bis zu einem gewissen Grade Gutes schaffen könnten. Überhaupt sind im staatlichen Leben nicht gerade die Einrichtungen selbst daran schuld, wenn diese sich zu überleben und unbrauchbar zu werden scheinen. Weit mehr ist hierfür der Umstand von Bedeutung, daß die geeigneten Persönlichkeiten sich für die vorhandenen Einrichtungen nicht mehr finden, oder auch nicht mehr gesucht werden. So könnte man denn zu dem Glauben gelangen, daß die ganze Organisationsfrage der Verwaltung nur von geringer Bedeutung ist, und daß man eigentlich nur nötig hat. sich mit der Personenfrage abzugeben. Gewiß wäre hiermit das Spiel gewonnen, wenn nur die Personenfrage selbst sich zur Zu¬ friedenheit erledigen ließe. Leider ist das nicht der Fall. Um fähige oder auch nur geeignete Köpfe zu erkennen, gehört für den Erkennenden selbst wieder ein gewisses Maß von Fähigkeiten und Eigenschaften, die nun einmal nicht immer zu finden sind. Und irgendwelche Leitsätze und allgemeine Regeln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/504>, abgerufen am 28.04.2024.