Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands
in Übersee
(Ägypten, Indien, Australien, Südafrika)
to. Ncumcnin von

M! cum dereinst vielleicht ein Edo. Gibbon der Zukunft die "Geschichte
des Verfalles und Sinkens des Britischen Weltreiches" in ihren
Ursachen und einzelnen Phasen verfolgen wird, -- so mag er
wohl bei keinem Kapitel den letzten Gründen und Ursachen dieses
^Zerfalles näher kommen, als bei der Erörterung des großen
Problems der Rassenherrschaft jenes Reiches, das als erstes und einziges an
eigentlich allen Rassen und Völkern der Erde mindestens einen beträchtlichen
Anteil besitzt; mag er wohl nirgends so lange mit Staunen verweilen, als bei
der Erörterung der merkwürdigen Tatsache, daß jener Staat als erster und
einziger von allen großen Kolonialgründern der Geschichte eine lange dauernde
Herrschaft über eine Vielzahl von Rassen und Rassenteilen behaupten konnte,
ohne eigentlich ein bestimmtes, greifbares Rassenprinzip zu besitzen, ja ohne sich
um die innere Bildung und Weiterentwicklung dieser Rassen auch nur im mindesten
bekümmert zu haben. Erstaunlich ist und bleibt zunächst schon das bloße Faktum,
daß im britischen Weltreiche die herrschende weiße Rasse rein zahlenmäßig so gering
vertreten ist, daß eine wirkliche Durchsetzung und Beherrschung staatsrechtlich
und praktisch überhaupt ein Wunder heißen müßte, solange man eben nicht die
politische und vor allem soziale Struktur oder besser Strukturlosigkeit jener
Rassenelemente genauer bedacht hat.

In Ägypten zum Beispiel, wo die englische Weltherrschaft eigentlich unter allen
großen Domänen Großbritanniens mit am raschesten erfolgt ist, machen die Euro¬
päer -- also nicht etwa die Briten allein -- nur ein gutes Prozent der Bevölkerung
aus; und in Indien kommen sogar auf einen weißen Einwohner mehrere hundert
farbige Ureinwohner; ja selbst in der regierenden Okkupationsarmee Gro߬
britanniens entfallen in diesem Lande auf einen einzigen weißen Soldaten
gegen 1500 Eingeborene, -- im Gegensatz zu anderen Kolonialarmeen, wie
zum Beispiel der französischen in Algerien, wo das Verhältnis der weißen zu




Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands
in Übersee
(Ägypten, Indien, Australien, Südafrika)
to. Ncumcnin von

M! cum dereinst vielleicht ein Edo. Gibbon der Zukunft die „Geschichte
des Verfalles und Sinkens des Britischen Weltreiches" in ihren
Ursachen und einzelnen Phasen verfolgen wird, — so mag er
wohl bei keinem Kapitel den letzten Gründen und Ursachen dieses
^Zerfalles näher kommen, als bei der Erörterung des großen
Problems der Rassenherrschaft jenes Reiches, das als erstes und einziges an
eigentlich allen Rassen und Völkern der Erde mindestens einen beträchtlichen
Anteil besitzt; mag er wohl nirgends so lange mit Staunen verweilen, als bei
der Erörterung der merkwürdigen Tatsache, daß jener Staat als erster und
einziger von allen großen Kolonialgründern der Geschichte eine lange dauernde
Herrschaft über eine Vielzahl von Rassen und Rassenteilen behaupten konnte,
ohne eigentlich ein bestimmtes, greifbares Rassenprinzip zu besitzen, ja ohne sich
um die innere Bildung und Weiterentwicklung dieser Rassen auch nur im mindesten
bekümmert zu haben. Erstaunlich ist und bleibt zunächst schon das bloße Faktum,
daß im britischen Weltreiche die herrschende weiße Rasse rein zahlenmäßig so gering
vertreten ist, daß eine wirkliche Durchsetzung und Beherrschung staatsrechtlich
und praktisch überhaupt ein Wunder heißen müßte, solange man eben nicht die
politische und vor allem soziale Struktur oder besser Strukturlosigkeit jener
Rassenelemente genauer bedacht hat.

In Ägypten zum Beispiel, wo die englische Weltherrschaft eigentlich unter allen
großen Domänen Großbritanniens mit am raschesten erfolgt ist, machen die Euro¬
päer — also nicht etwa die Briten allein — nur ein gutes Prozent der Bevölkerung
aus; und in Indien kommen sogar auf einen weißen Einwohner mehrere hundert
farbige Ureinwohner; ja selbst in der regierenden Okkupationsarmee Gro߬
britanniens entfallen in diesem Lande auf einen einzigen weißen Soldaten
gegen 1500 Eingeborene, — im Gegensatz zu anderen Kolonialarmeen, wie
zum Beispiel der französischen in Algerien, wo das Verhältnis der weißen zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323197"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323097/figures/grenzboten_341901_323097_323197_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands<lb/>
in Übersee<lb/>
(Ägypten, Indien, Australien, Südafrika)<lb/><note type="byline"> to. Ncumcnin</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_248"> M! cum dereinst vielleicht ein Edo. Gibbon der Zukunft die &#x201E;Geschichte<lb/>
des Verfalles und Sinkens des Britischen Weltreiches" in ihren<lb/>
Ursachen und einzelnen Phasen verfolgen wird, &#x2014; so mag er<lb/>
wohl bei keinem Kapitel den letzten Gründen und Ursachen dieses<lb/>
^Zerfalles näher kommen, als bei der Erörterung des großen<lb/>
Problems der Rassenherrschaft jenes Reiches, das als erstes und einziges an<lb/>
eigentlich allen Rassen und Völkern der Erde mindestens einen beträchtlichen<lb/>
Anteil besitzt; mag er wohl nirgends so lange mit Staunen verweilen, als bei<lb/>
der Erörterung der merkwürdigen Tatsache, daß jener Staat als erster und<lb/>
einziger von allen großen Kolonialgründern der Geschichte eine lange dauernde<lb/>
Herrschaft über eine Vielzahl von Rassen und Rassenteilen behaupten konnte,<lb/>
ohne eigentlich ein bestimmtes, greifbares Rassenprinzip zu besitzen, ja ohne sich<lb/>
um die innere Bildung und Weiterentwicklung dieser Rassen auch nur im mindesten<lb/>
bekümmert zu haben. Erstaunlich ist und bleibt zunächst schon das bloße Faktum,<lb/>
daß im britischen Weltreiche die herrschende weiße Rasse rein zahlenmäßig so gering<lb/>
vertreten ist, daß eine wirkliche Durchsetzung und Beherrschung staatsrechtlich<lb/>
und praktisch überhaupt ein Wunder heißen müßte, solange man eben nicht die<lb/>
politische und vor allem soziale Struktur oder besser Strukturlosigkeit jener<lb/>
Rassenelemente genauer bedacht hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_249" next="#ID_250"> In Ägypten zum Beispiel, wo die englische Weltherrschaft eigentlich unter allen<lb/>
großen Domänen Großbritanniens mit am raschesten erfolgt ist, machen die Euro¬<lb/>
päer &#x2014; also nicht etwa die Briten allein &#x2014; nur ein gutes Prozent der Bevölkerung<lb/>
aus; und in Indien kommen sogar auf einen weißen Einwohner mehrere hundert<lb/>
farbige Ureinwohner; ja selbst in der regierenden Okkupationsarmee Gro߬<lb/>
britanniens entfallen in diesem Lande auf einen einzigen weißen Soldaten<lb/>
gegen 1500 Eingeborene, &#x2014; im Gegensatz zu anderen Kolonialarmeen, wie<lb/>
zum Beispiel der französischen in Algerien, wo das Verhältnis der weißen zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0100] [Abbildung] Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands in Übersee (Ägypten, Indien, Australien, Südafrika) to. Ncumcnin von M! cum dereinst vielleicht ein Edo. Gibbon der Zukunft die „Geschichte des Verfalles und Sinkens des Britischen Weltreiches" in ihren Ursachen und einzelnen Phasen verfolgen wird, — so mag er wohl bei keinem Kapitel den letzten Gründen und Ursachen dieses ^Zerfalles näher kommen, als bei der Erörterung des großen Problems der Rassenherrschaft jenes Reiches, das als erstes und einziges an eigentlich allen Rassen und Völkern der Erde mindestens einen beträchtlichen Anteil besitzt; mag er wohl nirgends so lange mit Staunen verweilen, als bei der Erörterung der merkwürdigen Tatsache, daß jener Staat als erster und einziger von allen großen Kolonialgründern der Geschichte eine lange dauernde Herrschaft über eine Vielzahl von Rassen und Rassenteilen behaupten konnte, ohne eigentlich ein bestimmtes, greifbares Rassenprinzip zu besitzen, ja ohne sich um die innere Bildung und Weiterentwicklung dieser Rassen auch nur im mindesten bekümmert zu haben. Erstaunlich ist und bleibt zunächst schon das bloße Faktum, daß im britischen Weltreiche die herrschende weiße Rasse rein zahlenmäßig so gering vertreten ist, daß eine wirkliche Durchsetzung und Beherrschung staatsrechtlich und praktisch überhaupt ein Wunder heißen müßte, solange man eben nicht die politische und vor allem soziale Struktur oder besser Strukturlosigkeit jener Rassenelemente genauer bedacht hat. In Ägypten zum Beispiel, wo die englische Weltherrschaft eigentlich unter allen großen Domänen Großbritanniens mit am raschesten erfolgt ist, machen die Euro¬ päer — also nicht etwa die Briten allein — nur ein gutes Prozent der Bevölkerung aus; und in Indien kommen sogar auf einen weißen Einwohner mehrere hundert farbige Ureinwohner; ja selbst in der regierenden Okkupationsarmee Gro߬ britanniens entfallen in diesem Lande auf einen einzigen weißen Soldaten gegen 1500 Eingeborene, — im Gegensatz zu anderen Kolonialarmeen, wie zum Beispiel der französischen in Algerien, wo das Verhältnis der weißen zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/100
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/100>, abgerufen am 29.04.2024.