Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aleine Hauskomödien mit Musik
Dr. Erich Fischer von

le Zeit hat sich erfüllt; über Deutschland leuchtet ein heiliger
Auferstehungstag. Heute können wir es offen eingestehen: wir
hatten uns bereits mit dem traurigen Gedanken abgefunden, daß
jene hehren und kühnen Eigenschaften des Gemütes und Charakters,
die einstmals an unseren Vorfahren gepriesen wurden, längst ver¬
blichen seien, daß sie nur noch im Liede und in den Träumen eines Idealisten
lebten. Wie grundfalsch dieser Unglaube war, hat sich nun herrlich erwiesen,
da jene alten deutschen Tugenden, von der Posaune des Völkergerichts plötzlich
erweckt, zu einem neuen sieghaften Dasein auferstanden. Mit einer Gewißheit,
deren gewaltige Leuchtkraft auch den letzten Zweifel durchdringt und vernichtet,
erkannten wir, daß es mit den: deutschen Geist kein leeres Gefasel ist. In
kraftvoller Wirklichkeit webt und waltet er als treuer Schutzpatron seines Volkes.
Doch wie ein kluger Vater mit seinen leichtfertigen Kindern verfährt, um sie
wieder auf den rechten Weg zu bringen, wie er sie ruhig im Finstern tappen,
straucheln und Irrlichtern nachjagen läßt, bis sie endlich selber merken, wo der
lichte Pfad läuft, der sie zweckvoll zum bestimmten, ihrem Wesen einzig ange¬
messenen Ziele führt, so war auch der deutsche Geist scheinbar von uns ge¬
wichen und hatte uns -- nicht uns selbst, sondern dem Ungeklärten, dem Ver¬
worrenen und Verschrobenen in unserem Wesen überlassen. So viel Schönes,
Edles und Großes die verträumte Weichheit und die romantische Leichtgläubigkeit
des deutschen Gemütes geschaffen haben, solange sie sich auf dem altvertrauten
Heimatboden bewegten --, auf dem glatten Parkett der neuzeitlichen inter¬
nationalen Kultur, in dem hastigen Gedränge und Gedrücke des modernen
Alltags mußten uns diese Eigenschaften gefährlich werden, und einzig durch ein
rückhaltloses Erkennen der Gefahr konnten wir uns vor dem Falle bewahren,
konnten uns wieder auf feste Füße stellen. Wir mußten uns selbst entfremdet
werden, um uns endlich wieder zu finden. -- Und jetzt haben wir uns wieder¬
gefunden, haben ein unvergänglich schönes Wiedersehen gefeiert. Trotz aller
Wirrnisse der letzten Jahrzehnte sind wir im innersten Grunde unseres Wesens




Aleine Hauskomödien mit Musik
Dr. Erich Fischer von

le Zeit hat sich erfüllt; über Deutschland leuchtet ein heiliger
Auferstehungstag. Heute können wir es offen eingestehen: wir
hatten uns bereits mit dem traurigen Gedanken abgefunden, daß
jene hehren und kühnen Eigenschaften des Gemütes und Charakters,
die einstmals an unseren Vorfahren gepriesen wurden, längst ver¬
blichen seien, daß sie nur noch im Liede und in den Träumen eines Idealisten
lebten. Wie grundfalsch dieser Unglaube war, hat sich nun herrlich erwiesen,
da jene alten deutschen Tugenden, von der Posaune des Völkergerichts plötzlich
erweckt, zu einem neuen sieghaften Dasein auferstanden. Mit einer Gewißheit,
deren gewaltige Leuchtkraft auch den letzten Zweifel durchdringt und vernichtet,
erkannten wir, daß es mit den: deutschen Geist kein leeres Gefasel ist. In
kraftvoller Wirklichkeit webt und waltet er als treuer Schutzpatron seines Volkes.
Doch wie ein kluger Vater mit seinen leichtfertigen Kindern verfährt, um sie
wieder auf den rechten Weg zu bringen, wie er sie ruhig im Finstern tappen,
straucheln und Irrlichtern nachjagen läßt, bis sie endlich selber merken, wo der
lichte Pfad läuft, der sie zweckvoll zum bestimmten, ihrem Wesen einzig ange¬
messenen Ziele führt, so war auch der deutsche Geist scheinbar von uns ge¬
wichen und hatte uns — nicht uns selbst, sondern dem Ungeklärten, dem Ver¬
worrenen und Verschrobenen in unserem Wesen überlassen. So viel Schönes,
Edles und Großes die verträumte Weichheit und die romantische Leichtgläubigkeit
des deutschen Gemütes geschaffen haben, solange sie sich auf dem altvertrauten
Heimatboden bewegten —, auf dem glatten Parkett der neuzeitlichen inter¬
nationalen Kultur, in dem hastigen Gedränge und Gedrücke des modernen
Alltags mußten uns diese Eigenschaften gefährlich werden, und einzig durch ein
rückhaltloses Erkennen der Gefahr konnten wir uns vor dem Falle bewahren,
konnten uns wieder auf feste Füße stellen. Wir mußten uns selbst entfremdet
werden, um uns endlich wieder zu finden. — Und jetzt haben wir uns wieder¬
gefunden, haben ein unvergänglich schönes Wiedersehen gefeiert. Trotz aller
Wirrnisse der letzten Jahrzehnte sind wir im innersten Grunde unseres Wesens


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323388"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323097/figures/grenzboten_341901_323097_323388_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aleine Hauskomödien mit Musik<lb/><note type="byline"> Dr. Erich Fischer</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_921" next="#ID_922"> le Zeit hat sich erfüllt; über Deutschland leuchtet ein heiliger<lb/>
Auferstehungstag. Heute können wir es offen eingestehen: wir<lb/>
hatten uns bereits mit dem traurigen Gedanken abgefunden, daß<lb/>
jene hehren und kühnen Eigenschaften des Gemütes und Charakters,<lb/>
die einstmals an unseren Vorfahren gepriesen wurden, längst ver¬<lb/>
blichen seien, daß sie nur noch im Liede und in den Träumen eines Idealisten<lb/>
lebten. Wie grundfalsch dieser Unglaube war, hat sich nun herrlich erwiesen,<lb/>
da jene alten deutschen Tugenden, von der Posaune des Völkergerichts plötzlich<lb/>
erweckt, zu einem neuen sieghaften Dasein auferstanden. Mit einer Gewißheit,<lb/>
deren gewaltige Leuchtkraft auch den letzten Zweifel durchdringt und vernichtet,<lb/>
erkannten wir, daß es mit den: deutschen Geist kein leeres Gefasel ist. In<lb/>
kraftvoller Wirklichkeit webt und waltet er als treuer Schutzpatron seines Volkes.<lb/>
Doch wie ein kluger Vater mit seinen leichtfertigen Kindern verfährt, um sie<lb/>
wieder auf den rechten Weg zu bringen, wie er sie ruhig im Finstern tappen,<lb/>
straucheln und Irrlichtern nachjagen läßt, bis sie endlich selber merken, wo der<lb/>
lichte Pfad läuft, der sie zweckvoll zum bestimmten, ihrem Wesen einzig ange¬<lb/>
messenen Ziele führt, so war auch der deutsche Geist scheinbar von uns ge¬<lb/>
wichen und hatte uns &#x2014; nicht uns selbst, sondern dem Ungeklärten, dem Ver¬<lb/>
worrenen und Verschrobenen in unserem Wesen überlassen. So viel Schönes,<lb/>
Edles und Großes die verträumte Weichheit und die romantische Leichtgläubigkeit<lb/>
des deutschen Gemütes geschaffen haben, solange sie sich auf dem altvertrauten<lb/>
Heimatboden bewegten &#x2014;, auf dem glatten Parkett der neuzeitlichen inter¬<lb/>
nationalen Kultur, in dem hastigen Gedränge und Gedrücke des modernen<lb/>
Alltags mußten uns diese Eigenschaften gefährlich werden, und einzig durch ein<lb/>
rückhaltloses Erkennen der Gefahr konnten wir uns vor dem Falle bewahren,<lb/>
konnten uns wieder auf feste Füße stellen. Wir mußten uns selbst entfremdet<lb/>
werden, um uns endlich wieder zu finden. &#x2014; Und jetzt haben wir uns wieder¬<lb/>
gefunden, haben ein unvergänglich schönes Wiedersehen gefeiert. Trotz aller<lb/>
Wirrnisse der letzten Jahrzehnte sind wir im innersten Grunde unseres Wesens</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] [Abbildung] Aleine Hauskomödien mit Musik Dr. Erich Fischer von le Zeit hat sich erfüllt; über Deutschland leuchtet ein heiliger Auferstehungstag. Heute können wir es offen eingestehen: wir hatten uns bereits mit dem traurigen Gedanken abgefunden, daß jene hehren und kühnen Eigenschaften des Gemütes und Charakters, die einstmals an unseren Vorfahren gepriesen wurden, längst ver¬ blichen seien, daß sie nur noch im Liede und in den Träumen eines Idealisten lebten. Wie grundfalsch dieser Unglaube war, hat sich nun herrlich erwiesen, da jene alten deutschen Tugenden, von der Posaune des Völkergerichts plötzlich erweckt, zu einem neuen sieghaften Dasein auferstanden. Mit einer Gewißheit, deren gewaltige Leuchtkraft auch den letzten Zweifel durchdringt und vernichtet, erkannten wir, daß es mit den: deutschen Geist kein leeres Gefasel ist. In kraftvoller Wirklichkeit webt und waltet er als treuer Schutzpatron seines Volkes. Doch wie ein kluger Vater mit seinen leichtfertigen Kindern verfährt, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen, wie er sie ruhig im Finstern tappen, straucheln und Irrlichtern nachjagen läßt, bis sie endlich selber merken, wo der lichte Pfad läuft, der sie zweckvoll zum bestimmten, ihrem Wesen einzig ange¬ messenen Ziele führt, so war auch der deutsche Geist scheinbar von uns ge¬ wichen und hatte uns — nicht uns selbst, sondern dem Ungeklärten, dem Ver¬ worrenen und Verschrobenen in unserem Wesen überlassen. So viel Schönes, Edles und Großes die verträumte Weichheit und die romantische Leichtgläubigkeit des deutschen Gemütes geschaffen haben, solange sie sich auf dem altvertrauten Heimatboden bewegten —, auf dem glatten Parkett der neuzeitlichen inter¬ nationalen Kultur, in dem hastigen Gedränge und Gedrücke des modernen Alltags mußten uns diese Eigenschaften gefährlich werden, und einzig durch ein rückhaltloses Erkennen der Gefahr konnten wir uns vor dem Falle bewahren, konnten uns wieder auf feste Füße stellen. Wir mußten uns selbst entfremdet werden, um uns endlich wieder zu finden. — Und jetzt haben wir uns wieder¬ gefunden, haben ein unvergänglich schönes Wiedersehen gefeiert. Trotz aller Wirrnisse der letzten Jahrzehnte sind wir im innersten Grunde unseres Wesens

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/291>, abgerufen am 29.04.2024.