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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Ariegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung
Dr. Georg Zahn von

le Leistungsfähigkeit unseres Heeres im gegenwärtigen Kriege und
die noch immer nicht zum Stillstand gekommene Aushebung und
Einziehung soldatischen Ersatzes haben uns zu unserer Genugtuung
gezeigt, daß trotz aller zweifellos vorhandenen sozial-hygienischen
Schäden der industriellen Entwicklung und der Verstädtischung
unseres Lebens die Gesundheit und körperliche Kraft unseres Volkes im ganzen
ungebrochen erscheint und noch immer eine Kriegsmilitärtauglichkeit vorhanden
ist, die uns gestattet, so ungeheuere Heeresmassen aufzustellen, wie sie zur Nieder¬
zwingung unserer an Kopfzahl stark überlegenen Gegner notwendig sind.
Aber wenn wir das feststellen, so dürfen wir darüber nicht vergessen, daß dieses
günstige Ergebnis ohne die jahrzehntelange Arbeit unserer vorbildlichen Sozial¬
versicherung kaum möglich gewesen wäre. Es zeigt sich jetzt zum greifen deutlich,
daß der immerhin erhebliche Bruchteil des Volkseinkommens und Volksvermögens,
der hier verbraucht und festgelegt worden ist, nationalwirtschaftlich außerordentlich
gut angelegt war. Als besonders wertvoll aber müssen die Früchte bezeichnet
werden, die die Verwirklichung des Gedankens der vorbeugenden Heilbehandlung
gezeitigt hat. Wenn die Träger der Invalidenversicherung, die Reichsversicherungs¬
anstalt für Angestellte und die Krankenkassen in einem von Jahr zu Jahr
steigenden Umfange Mittel für den Kampf gegen die großen, Volkskraft ver¬
zehrenden Seuchen und die Verschlechterung der Volksgesundheit bereitgestellt
und für Heilanstalten, Ärzte und Arzneien Sorge getragen haben, so haben sie
sich damit zweifellos ein erhebliches Verdienst um die physische Kriegsbereitschaft
des deutschen Volkes erworben und Kraftreserven geschaffen, ohne die wir sicherlich
unseren Feinden weniger leicht zu widerstehen vermöchten, als es tatsächlich
geschieht.

Schon von Anfang des Krieges an hat es sich gezeigt, wie sehr die
medizinischen Einrichtungen der Sozialversicherungsorgane unserem Militär¬
sanitätswesen bei der Behandlung der Verwundeten und Kriegskranren zugute
kamen. Unschätzbar waren die Erfahrungen, die von den Berufsgenossenschaften
in den letzten Jahrzehnten bei der Heilung der Unfallverletzten gesammelt worden




Ariegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung
Dr. Georg Zahn von

le Leistungsfähigkeit unseres Heeres im gegenwärtigen Kriege und
die noch immer nicht zum Stillstand gekommene Aushebung und
Einziehung soldatischen Ersatzes haben uns zu unserer Genugtuung
gezeigt, daß trotz aller zweifellos vorhandenen sozial-hygienischen
Schäden der industriellen Entwicklung und der Verstädtischung
unseres Lebens die Gesundheit und körperliche Kraft unseres Volkes im ganzen
ungebrochen erscheint und noch immer eine Kriegsmilitärtauglichkeit vorhanden
ist, die uns gestattet, so ungeheuere Heeresmassen aufzustellen, wie sie zur Nieder¬
zwingung unserer an Kopfzahl stark überlegenen Gegner notwendig sind.
Aber wenn wir das feststellen, so dürfen wir darüber nicht vergessen, daß dieses
günstige Ergebnis ohne die jahrzehntelange Arbeit unserer vorbildlichen Sozial¬
versicherung kaum möglich gewesen wäre. Es zeigt sich jetzt zum greifen deutlich,
daß der immerhin erhebliche Bruchteil des Volkseinkommens und Volksvermögens,
der hier verbraucht und festgelegt worden ist, nationalwirtschaftlich außerordentlich
gut angelegt war. Als besonders wertvoll aber müssen die Früchte bezeichnet
werden, die die Verwirklichung des Gedankens der vorbeugenden Heilbehandlung
gezeitigt hat. Wenn die Träger der Invalidenversicherung, die Reichsversicherungs¬
anstalt für Angestellte und die Krankenkassen in einem von Jahr zu Jahr
steigenden Umfange Mittel für den Kampf gegen die großen, Volkskraft ver¬
zehrenden Seuchen und die Verschlechterung der Volksgesundheit bereitgestellt
und für Heilanstalten, Ärzte und Arzneien Sorge getragen haben, so haben sie
sich damit zweifellos ein erhebliches Verdienst um die physische Kriegsbereitschaft
des deutschen Volkes erworben und Kraftreserven geschaffen, ohne die wir sicherlich
unseren Feinden weniger leicht zu widerstehen vermöchten, als es tatsächlich
geschieht.

Schon von Anfang des Krieges an hat es sich gezeigt, wie sehr die
medizinischen Einrichtungen der Sozialversicherungsorgane unserem Militär¬
sanitätswesen bei der Behandlung der Verwundeten und Kriegskranren zugute
kamen. Unschätzbar waren die Erfahrungen, die von den Berufsgenossenschaften
in den letzten Jahrzehnten bei der Heilung der Unfallverletzten gesammelt worden


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[0158] [Abbildung] Ariegsbeschädigtenfürsorge und Sozialversicherung Dr. Georg Zahn von le Leistungsfähigkeit unseres Heeres im gegenwärtigen Kriege und die noch immer nicht zum Stillstand gekommene Aushebung und Einziehung soldatischen Ersatzes haben uns zu unserer Genugtuung gezeigt, daß trotz aller zweifellos vorhandenen sozial-hygienischen Schäden der industriellen Entwicklung und der Verstädtischung unseres Lebens die Gesundheit und körperliche Kraft unseres Volkes im ganzen ungebrochen erscheint und noch immer eine Kriegsmilitärtauglichkeit vorhanden ist, die uns gestattet, so ungeheuere Heeresmassen aufzustellen, wie sie zur Nieder¬ zwingung unserer an Kopfzahl stark überlegenen Gegner notwendig sind. Aber wenn wir das feststellen, so dürfen wir darüber nicht vergessen, daß dieses günstige Ergebnis ohne die jahrzehntelange Arbeit unserer vorbildlichen Sozial¬ versicherung kaum möglich gewesen wäre. Es zeigt sich jetzt zum greifen deutlich, daß der immerhin erhebliche Bruchteil des Volkseinkommens und Volksvermögens, der hier verbraucht und festgelegt worden ist, nationalwirtschaftlich außerordentlich gut angelegt war. Als besonders wertvoll aber müssen die Früchte bezeichnet werden, die die Verwirklichung des Gedankens der vorbeugenden Heilbehandlung gezeitigt hat. Wenn die Träger der Invalidenversicherung, die Reichsversicherungs¬ anstalt für Angestellte und die Krankenkassen in einem von Jahr zu Jahr steigenden Umfange Mittel für den Kampf gegen die großen, Volkskraft ver¬ zehrenden Seuchen und die Verschlechterung der Volksgesundheit bereitgestellt und für Heilanstalten, Ärzte und Arzneien Sorge getragen haben, so haben sie sich damit zweifellos ein erhebliches Verdienst um die physische Kriegsbereitschaft des deutschen Volkes erworben und Kraftreserven geschaffen, ohne die wir sicherlich unseren Feinden weniger leicht zu widerstehen vermöchten, als es tatsächlich geschieht. Schon von Anfang des Krieges an hat es sich gezeigt, wie sehr die medizinischen Einrichtungen der Sozialversicherungsorgane unserem Militär¬ sanitätswesen bei der Behandlung der Verwundeten und Kriegskranren zugute kamen. Unschätzbar waren die Erfahrungen, die von den Berufsgenossenschaften in den letzten Jahrzehnten bei der Heilung der Unfallverletzten gesammelt worden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/158>, abgerufen am 26.05.2024.