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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Letten in den baltischen Provinzen,
besonders in Aurland
s. Broedrich von

der Deutsche Orden im dreizehnten Jahrhundert mit fester
Hand seinen Staat am Ostgestade der Ostsee errichtete, unterwarf
U°M er sich die vorgefundene Bevölkerung, die finnischen Kuren und
^et^^^W Liven, aber auch die Scmgallen und die Letten. Diese waren
KL^^Ä^M ihm am wenigsten gefährlich, da sie von Kuren und Liven.
weiter nördlich von den finnischen Ehlen, bedrängt waren. Der Orden spielte
sie daher gegen die kriegerischen Gegner aus und förderte ihr Vordringen in
die Gebiete, die damals Kuren und Liven einnahmen, das heißt besonders in
die mittleren und westlichen Teile des heutigen Gouvernements Kurland. Die
Letten, deren Hauptmasse im Südosten des heutigen Livland und in den an¬
grenzenden Teilen des Gouvernements Witebsk (Polnisch-Livland) gewohnt hatten,
waren eine friedfertige Ackerbevölkerung, die wir nun im ganzen Lande aus
Emzelhöfen auf dem Grund und Boden des Ordens, aber auch auf den zahl¬
reichen Gütern finden, mit denen er seine Hintersassen belehnte. Aus diesen
erwuchsen die deutschen Ritterschaften der Ostseeprovinzen, die noch heute den
ganzen Großgrundbesitz der Provinzen in fester Hand halten. Nach dem
Zusammenbruch des Ordens nahm der letzte Ordensmeister Kurland als Herzogtum
von Polen zum Lehen. Livland wurde polnisch, später wurde es von Gustav
Adolf erobert. Während den livländisch-lettischen Bauern dadurch die Segnungen
schwedischer Agrarverfafsung zuteil wurden, ließen sich die Herzöge in Kurland
die gedeihliche Entwicklung der Bauern angelegen sein, denn ein Drittel des
gesamten Landes war herzoglicher Hausbesitz, und mit dem Wohlstande der
Domünenbauern hing der Reichtum der kurländischen Herzöge eng zusammen.
Als nach der dritten Teilung Polens der letzte Herzog von Kurland abdankte,
und Kurland an Rußland siel, kaufte die Krone Nußland den gesamten herzog¬
lichen Hausbesitz, der heute noch staatliche Domäne ist. Die Kaiserin Katharina
die Zweite bestätigte damals der Ritterschaft die alten Gerechtsame, deutsche
Rechtspflege, deutsche Verwaltung und Herrschaft der evangelisch-protestantischen
Kirche. Die Ritterschaft hat nun die wirtschaftliche und kulturelle Arbeit der
Herzöge fortgeführt, die Hörigkeit der lettischen Bauern 1816 bis 1818 auf-


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Die Letten in den baltischen Provinzen,
besonders in Aurland
s. Broedrich von

der Deutsche Orden im dreizehnten Jahrhundert mit fester
Hand seinen Staat am Ostgestade der Ostsee errichtete, unterwarf
U°M er sich die vorgefundene Bevölkerung, die finnischen Kuren und
^et^^^W Liven, aber auch die Scmgallen und die Letten. Diese waren
KL^^Ä^M ihm am wenigsten gefährlich, da sie von Kuren und Liven.
weiter nördlich von den finnischen Ehlen, bedrängt waren. Der Orden spielte
sie daher gegen die kriegerischen Gegner aus und förderte ihr Vordringen in
die Gebiete, die damals Kuren und Liven einnahmen, das heißt besonders in
die mittleren und westlichen Teile des heutigen Gouvernements Kurland. Die
Letten, deren Hauptmasse im Südosten des heutigen Livland und in den an¬
grenzenden Teilen des Gouvernements Witebsk (Polnisch-Livland) gewohnt hatten,
waren eine friedfertige Ackerbevölkerung, die wir nun im ganzen Lande aus
Emzelhöfen auf dem Grund und Boden des Ordens, aber auch auf den zahl¬
reichen Gütern finden, mit denen er seine Hintersassen belehnte. Aus diesen
erwuchsen die deutschen Ritterschaften der Ostseeprovinzen, die noch heute den
ganzen Großgrundbesitz der Provinzen in fester Hand halten. Nach dem
Zusammenbruch des Ordens nahm der letzte Ordensmeister Kurland als Herzogtum
von Polen zum Lehen. Livland wurde polnisch, später wurde es von Gustav
Adolf erobert. Während den livländisch-lettischen Bauern dadurch die Segnungen
schwedischer Agrarverfafsung zuteil wurden, ließen sich die Herzöge in Kurland
die gedeihliche Entwicklung der Bauern angelegen sein, denn ein Drittel des
gesamten Landes war herzoglicher Hausbesitz, und mit dem Wohlstande der
Domünenbauern hing der Reichtum der kurländischen Herzöge eng zusammen.
Als nach der dritten Teilung Polens der letzte Herzog von Kurland abdankte,
und Kurland an Rußland siel, kaufte die Krone Nußland den gesamten herzog¬
lichen Hausbesitz, der heute noch staatliche Domäne ist. Die Kaiserin Katharina
die Zweite bestätigte damals der Ritterschaft die alten Gerechtsame, deutsche
Rechtspflege, deutsche Verwaltung und Herrschaft der evangelisch-protestantischen
Kirche. Die Ritterschaft hat nun die wirtschaftliche und kulturelle Arbeit der
Herzöge fortgeführt, die Hörigkeit der lettischen Bauern 1816 bis 1818 auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/31>, abgerufen am 26.05.2024.