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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Italienische Stimmungen vor der Kriegserklärung
an die Türkei
Werner ZVeisbach von

achten die große Offensive gegen Oesterreich, die in dem
Hochgefühl der ersten Kriegsbegeisterung die unerlösten Kinder
in die Arme der Mutter zurückreißen sollte, gescheitert ist und
demnach der Beginn des Kampfes anders verlief, als man es
gehofft und erwartet hatte, rückte für Italien die Frage in drohende
Nähe, was geschehen sollte, wenn die Hemmnisse nicht zu überwinden sein
würden. Die offiziellen Schlachtberichte und die sich daran anschließenden
Kommentare der Presse lauten zwar nach wie vor günstig und lassen darüber
Unklaren, daß die Offensivkraft der Front erschöpft, der geplante energische
Vorstoß ins Stocken geraten ist. Man kann sich auch nicht Genüge tun, immer
wieder Stimmen des Auslandes heranzuziehen, um die eigene Leistungsfähigkeit
ein möglichst günstiges Größenverhältnis einzustellen. Sogar ein Bericht des
Berliner Lokalanzeigers machte die Runde durch die Zeitungen und sollte dazu
dienen, der italienischen Armee ihre heroischen Leistungen zu attestieren. Der
Moniere della sera bemerkte dazu, daß dort gesagt würde, die Du^chbruchs-
schlacht Tarnow-Gorlice ließe sich an Wucht garnicht mit der am Jsonzo ver¬
gleichen, und fügt hinzu: Die Wucht ist natürlich auf unserer Seite. Allmählich
°ber machten sich Anzeichen bemerkbar, daß die Lage kritischer und pessimistischer
^gesehen wird. Zum ersten Mal ließ sich das aus einem Leitartikel des
Generals Mazziotti im Giornale d'Italia vom 2, August herauslesen, wo es
^ißt: "Es ist klar, daß angesichts der furchtbaren Verteidigungswerke des
Gegners die Schwierigkeit einer vollständigen Besetzung der italienischen Gebiete
Österreichs sehr groß ist." Und weiter wird angedeutet, daß man sich vielleicht
auf einen langwierigen und mühevollen Stellungskrieg werde vorbereiten müssen,
"'e ex sich g" der deutsch-französischen Grenze abspiele. Diese Auffassung
gewinnt immer mehr an Boden. Der Justizminister Orlando, der die Jsonzo-
front besucht und über seine Eindrücke dem Corriere della sera einen Bericht
gesandt hat. stellt den Befestigungen, in deren Anlegung die Oesterreicher wahre
Künstler seien, das glänzendste Zeugnis aus und schließt aus deren Beschaffenheit
gleichfalls, daß der Sieg nur an Geduld und Durchhalten geknüpft sein würde.




Italienische Stimmungen vor der Kriegserklärung
an die Türkei
Werner ZVeisbach von

achten die große Offensive gegen Oesterreich, die in dem
Hochgefühl der ersten Kriegsbegeisterung die unerlösten Kinder
in die Arme der Mutter zurückreißen sollte, gescheitert ist und
demnach der Beginn des Kampfes anders verlief, als man es
gehofft und erwartet hatte, rückte für Italien die Frage in drohende
Nähe, was geschehen sollte, wenn die Hemmnisse nicht zu überwinden sein
würden. Die offiziellen Schlachtberichte und die sich daran anschließenden
Kommentare der Presse lauten zwar nach wie vor günstig und lassen darüber
Unklaren, daß die Offensivkraft der Front erschöpft, der geplante energische
Vorstoß ins Stocken geraten ist. Man kann sich auch nicht Genüge tun, immer
wieder Stimmen des Auslandes heranzuziehen, um die eigene Leistungsfähigkeit
ein möglichst günstiges Größenverhältnis einzustellen. Sogar ein Bericht des
Berliner Lokalanzeigers machte die Runde durch die Zeitungen und sollte dazu
dienen, der italienischen Armee ihre heroischen Leistungen zu attestieren. Der
Moniere della sera bemerkte dazu, daß dort gesagt würde, die Du^chbruchs-
schlacht Tarnow-Gorlice ließe sich an Wucht garnicht mit der am Jsonzo ver¬
gleichen, und fügt hinzu: Die Wucht ist natürlich auf unserer Seite. Allmählich
°ber machten sich Anzeichen bemerkbar, daß die Lage kritischer und pessimistischer
^gesehen wird. Zum ersten Mal ließ sich das aus einem Leitartikel des
Generals Mazziotti im Giornale d'Italia vom 2, August herauslesen, wo es
^ißt: „Es ist klar, daß angesichts der furchtbaren Verteidigungswerke des
Gegners die Schwierigkeit einer vollständigen Besetzung der italienischen Gebiete
Österreichs sehr groß ist." Und weiter wird angedeutet, daß man sich vielleicht
auf einen langwierigen und mühevollen Stellungskrieg werde vorbereiten müssen,
"'e ex sich g„ der deutsch-französischen Grenze abspiele. Diese Auffassung
gewinnt immer mehr an Boden. Der Justizminister Orlando, der die Jsonzo-
front besucht und über seine Eindrücke dem Corriere della sera einen Bericht
gesandt hat. stellt den Befestigungen, in deren Anlegung die Oesterreicher wahre
Künstler seien, das glänzendste Zeugnis aus und schließt aus deren Beschaffenheit
gleichfalls, daß der Sieg nur an Geduld und Durchhalten geknüpft sein würde.


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[0315] [Abbildung] Italienische Stimmungen vor der Kriegserklärung an die Türkei Werner ZVeisbach von achten die große Offensive gegen Oesterreich, die in dem Hochgefühl der ersten Kriegsbegeisterung die unerlösten Kinder in die Arme der Mutter zurückreißen sollte, gescheitert ist und demnach der Beginn des Kampfes anders verlief, als man es gehofft und erwartet hatte, rückte für Italien die Frage in drohende Nähe, was geschehen sollte, wenn die Hemmnisse nicht zu überwinden sein würden. Die offiziellen Schlachtberichte und die sich daran anschließenden Kommentare der Presse lauten zwar nach wie vor günstig und lassen darüber Unklaren, daß die Offensivkraft der Front erschöpft, der geplante energische Vorstoß ins Stocken geraten ist. Man kann sich auch nicht Genüge tun, immer wieder Stimmen des Auslandes heranzuziehen, um die eigene Leistungsfähigkeit ein möglichst günstiges Größenverhältnis einzustellen. Sogar ein Bericht des Berliner Lokalanzeigers machte die Runde durch die Zeitungen und sollte dazu dienen, der italienischen Armee ihre heroischen Leistungen zu attestieren. Der Moniere della sera bemerkte dazu, daß dort gesagt würde, die Du^chbruchs- schlacht Tarnow-Gorlice ließe sich an Wucht garnicht mit der am Jsonzo ver¬ gleichen, und fügt hinzu: Die Wucht ist natürlich auf unserer Seite. Allmählich °ber machten sich Anzeichen bemerkbar, daß die Lage kritischer und pessimistischer ^gesehen wird. Zum ersten Mal ließ sich das aus einem Leitartikel des Generals Mazziotti im Giornale d'Italia vom 2, August herauslesen, wo es ^ißt: „Es ist klar, daß angesichts der furchtbaren Verteidigungswerke des Gegners die Schwierigkeit einer vollständigen Besetzung der italienischen Gebiete Österreichs sehr groß ist." Und weiter wird angedeutet, daß man sich vielleicht auf einen langwierigen und mühevollen Stellungskrieg werde vorbereiten müssen, "'e ex sich g„ der deutsch-französischen Grenze abspiele. Diese Auffassung gewinnt immer mehr an Boden. Der Justizminister Orlando, der die Jsonzo- front besucht und über seine Eindrücke dem Corriere della sera einen Bericht gesandt hat. stellt den Befestigungen, in deren Anlegung die Oesterreicher wahre Künstler seien, das glänzendste Zeugnis aus und schließt aus deren Beschaffenheit gleichfalls, daß der Sieg nur an Geduld und Durchhalten geknüpft sein würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/315>, abgerufen am 26.05.2024.