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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg
Professor Hesse i vonn
(Schluß)

Ähnlich wie in Frankreich steht die Sache in Italien,- denn die italienische
Freimaurerei ist von jeher völlig vom Groß-Orient von Frankreich abhängig
gewesen.

In Italien fand die Freimaurerei um 1733 Eingang. Die Kirche und
die ihr ergebenen Regierungen sorgten aber hier erst recht durch ihre Ver¬
folgungen dafür, daß die Freimaurer von Anfang an im schärfsten Gegensatz
Zum Papsttum und zu jeder anderen Macht traten, von der sie annahmen,
daß das Papsttum bei ihr Stütze und Förderung fand. Ein Verständnis für
die Aufgaben der echten Freimaurerei ist schon deshalb den italienischen Logen
nirgends und zu keiner Zeit aufgegangen. Gegen Ende des achtzehnten Jahr¬
hunderts hatte die Kirche dafür gesorgt, daß die Freimaurerei so gut wie
verschwunden war.

Erst mit der französischen Herrschaft begann wieder ein neues Ausleben.
Von Frankreich aus wurden in Italien neue Logen gegründet, die französische
Namen führten und ganz unter dem Einfluß des Groß-Orients standen. Der
Vizekönig von Italien, Napoleons Stiefsohn Prinz Eugen Beaucharnais, wurde
1805 Großmeister des Grand Orient d'Jtalie, und der König von Neapel,
des Kaisers Schwager Joachim Murat, übernahm das Großmeisteramt über
den 1809 gegründeten Grand Orient de Naples. Mit dem Sturze der
Napoleonischen Herrschaft setzten aber die Verfolgungen der Curie aufs neue
^u. In seiner Bulle SolliLituäo omnium vom 13. August 1814 verdammte
Pius der Siebente die Freimaurerei, indem er behauptete, sie sei gleichbedeutend,
oder nur der Deckname für den politischen Geheimbund der Carbonari, der
unter anderem den nationalen Einheitsstaat in Italien anstrebte. Zum zweiten
Male wurde die kann: ins Leben gerufene Freimaurerei fast ganz wieder
ausgerottet.

In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wagte man es wieder
neue Freimaurerlogen in Italien zu gründen. Auch diesmal geschah das wieder
von Frankreich aus. Es entstanden Logen in Livorno, Turin, Genua, Mai-




Die Freimaurer und der Weltkrieg
Professor Hesse i vonn
(Schluß)

Ähnlich wie in Frankreich steht die Sache in Italien,- denn die italienische
Freimaurerei ist von jeher völlig vom Groß-Orient von Frankreich abhängig
gewesen.

In Italien fand die Freimaurerei um 1733 Eingang. Die Kirche und
die ihr ergebenen Regierungen sorgten aber hier erst recht durch ihre Ver¬
folgungen dafür, daß die Freimaurer von Anfang an im schärfsten Gegensatz
Zum Papsttum und zu jeder anderen Macht traten, von der sie annahmen,
daß das Papsttum bei ihr Stütze und Förderung fand. Ein Verständnis für
die Aufgaben der echten Freimaurerei ist schon deshalb den italienischen Logen
nirgends und zu keiner Zeit aufgegangen. Gegen Ende des achtzehnten Jahr¬
hunderts hatte die Kirche dafür gesorgt, daß die Freimaurerei so gut wie
verschwunden war.

Erst mit der französischen Herrschaft begann wieder ein neues Ausleben.
Von Frankreich aus wurden in Italien neue Logen gegründet, die französische
Namen führten und ganz unter dem Einfluß des Groß-Orients standen. Der
Vizekönig von Italien, Napoleons Stiefsohn Prinz Eugen Beaucharnais, wurde
1805 Großmeister des Grand Orient d'Jtalie, und der König von Neapel,
des Kaisers Schwager Joachim Murat, übernahm das Großmeisteramt über
den 1809 gegründeten Grand Orient de Naples. Mit dem Sturze der
Napoleonischen Herrschaft setzten aber die Verfolgungen der Curie aufs neue
^u. In seiner Bulle SolliLituäo omnium vom 13. August 1814 verdammte
Pius der Siebente die Freimaurerei, indem er behauptete, sie sei gleichbedeutend,
oder nur der Deckname für den politischen Geheimbund der Carbonari, der
unter anderem den nationalen Einheitsstaat in Italien anstrebte. Zum zweiten
Male wurde die kann: ins Leben gerufene Freimaurerei fast ganz wieder
ausgerottet.

In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wagte man es wieder
neue Freimaurerlogen in Italien zu gründen. Auch diesmal geschah das wieder
von Frankreich aus. Es entstanden Logen in Livorno, Turin, Genua, Mai-


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[0373] [Abbildung] Die Freimaurer und der Weltkrieg Professor Hesse i vonn (Schluß) Ähnlich wie in Frankreich steht die Sache in Italien,- denn die italienische Freimaurerei ist von jeher völlig vom Groß-Orient von Frankreich abhängig gewesen. In Italien fand die Freimaurerei um 1733 Eingang. Die Kirche und die ihr ergebenen Regierungen sorgten aber hier erst recht durch ihre Ver¬ folgungen dafür, daß die Freimaurer von Anfang an im schärfsten Gegensatz Zum Papsttum und zu jeder anderen Macht traten, von der sie annahmen, daß das Papsttum bei ihr Stütze und Förderung fand. Ein Verständnis für die Aufgaben der echten Freimaurerei ist schon deshalb den italienischen Logen nirgends und zu keiner Zeit aufgegangen. Gegen Ende des achtzehnten Jahr¬ hunderts hatte die Kirche dafür gesorgt, daß die Freimaurerei so gut wie verschwunden war. Erst mit der französischen Herrschaft begann wieder ein neues Ausleben. Von Frankreich aus wurden in Italien neue Logen gegründet, die französische Namen führten und ganz unter dem Einfluß des Groß-Orients standen. Der Vizekönig von Italien, Napoleons Stiefsohn Prinz Eugen Beaucharnais, wurde 1805 Großmeister des Grand Orient d'Jtalie, und der König von Neapel, des Kaisers Schwager Joachim Murat, übernahm das Großmeisteramt über den 1809 gegründeten Grand Orient de Naples. Mit dem Sturze der Napoleonischen Herrschaft setzten aber die Verfolgungen der Curie aufs neue ^u. In seiner Bulle SolliLituäo omnium vom 13. August 1814 verdammte Pius der Siebente die Freimaurerei, indem er behauptete, sie sei gleichbedeutend, oder nur der Deckname für den politischen Geheimbund der Carbonari, der unter anderem den nationalen Einheitsstaat in Italien anstrebte. Zum zweiten Male wurde die kann: ins Leben gerufene Freimaurerei fast ganz wieder ausgerottet. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wagte man es wieder neue Freimaurerlogen in Italien zu gründen. Auch diesmal geschah das wieder von Frankreich aus. Es entstanden Logen in Livorno, Turin, Genua, Mai-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/373>, abgerufen am 26.05.2024.