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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen

die Kosakenmißhandluugen ausgetrieben worden sein. Immerhin sollte das In¬
teresse Englands an dieser Frage unserer Regierung ein Ansporn sein, die
Vorteile auszunutzen, welche sie als Bundesgenosse der Türkei hat.

So vereinigen sich die verschiedensten Interessen, Idealismus und Realpolitik,
Humanität und nationaler Egoismus, Sorge für die nächste Gegenwart und für eine
ferne Zukunft, zu der Forderung nach einer raschen und tatkräftigen Durchführung
der zionistischen Ideen. Dabei wollen wir aber nicht vergessen, daß unser eigenes
Interesse vor allem auf die Ablenkung der jüdischen Auswanderung von unseren
'Grenzen gerichtet ist, daß uns deshalb mit eine Durchführung der Idee in der
Art der bisherigen Bestrebungen und selbst im Sinne der "rechtlich gesicherten
Heimstätte" nicht gedient ist, sondern nur durch die Erschließung eines großen
aufnahmefähigen Kolonistenlandes.

Seit dieser Aufsatz geschrieben worden ist, ist eine neue Frage in Ver
bindung mit Mesopotamien brennend geworden, die armenische, entstanden-
dadurch, daß die türkische Regierung die aufständische armenische Bevölkerung
nach Mesopotamien abgeschoben hat. Aus den gemachten Ausführungen geht
hervor, daß das Land auch für diese Volkstrümmer noch reichlich Platz bietet.
Es wird nicht schwer sein, die Interessen und Wohnstätten abzugrenzen, wenn
beide Fragen von einer großen Kolonisationsgesellschaft in die Hand genommen
werden.




Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen
Professor Dr. Carl Franke von

achten unser Kaiser Ende des eisten Kriegsjahres nicht bloß
wie schon vorher seine Negierung, die notwendigen militärischen
und politischen, sondern auch die wirtschaftlichen Sicherheiten für
die Zukunft, als Friedensziel bezeichnet hat. fällt es uns wesentlich
leichter, sein Schweigegebot zu erfüllen. Denn dieses Kaiserwott
sagt uns, daß den Sonderwünschen der politischen Parteien und Berusskreisen
gegenüber das Wohl des Reichs das höchste Gesetz sein soll.

Da aber die Geschichte die Lehrmeisterin der Politik sein soll, so ist es
jetzt wohl schon angebracht, die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen
zu betrachten; nicht etwa um sie einfach zurückzufordern, wenn auch unser Ver¬
langen nach der Ahnen alten Sitzen weniger brutal wäre, als die Gewohnheit
der Engländer und Russen, alles das zu fordern, was in ihre Interessensphäre
alle, sondern um ihre Dauer und ihren Wert zu prüfen. Allerdings kann sich
der strategische Wert der mittelalterlichen Grenzen infolge der neuzeitlichen


Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen

die Kosakenmißhandluugen ausgetrieben worden sein. Immerhin sollte das In¬
teresse Englands an dieser Frage unserer Regierung ein Ansporn sein, die
Vorteile auszunutzen, welche sie als Bundesgenosse der Türkei hat.

So vereinigen sich die verschiedensten Interessen, Idealismus und Realpolitik,
Humanität und nationaler Egoismus, Sorge für die nächste Gegenwart und für eine
ferne Zukunft, zu der Forderung nach einer raschen und tatkräftigen Durchführung
der zionistischen Ideen. Dabei wollen wir aber nicht vergessen, daß unser eigenes
Interesse vor allem auf die Ablenkung der jüdischen Auswanderung von unseren
'Grenzen gerichtet ist, daß uns deshalb mit eine Durchführung der Idee in der
Art der bisherigen Bestrebungen und selbst im Sinne der „rechtlich gesicherten
Heimstätte" nicht gedient ist, sondern nur durch die Erschließung eines großen
aufnahmefähigen Kolonistenlandes.

Seit dieser Aufsatz geschrieben worden ist, ist eine neue Frage in Ver
bindung mit Mesopotamien brennend geworden, die armenische, entstanden-
dadurch, daß die türkische Regierung die aufständische armenische Bevölkerung
nach Mesopotamien abgeschoben hat. Aus den gemachten Ausführungen geht
hervor, daß das Land auch für diese Volkstrümmer noch reichlich Platz bietet.
Es wird nicht schwer sein, die Interessen und Wohnstätten abzugrenzen, wenn
beide Fragen von einer großen Kolonisationsgesellschaft in die Hand genommen
werden.




Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen
Professor Dr. Carl Franke von

achten unser Kaiser Ende des eisten Kriegsjahres nicht bloß
wie schon vorher seine Negierung, die notwendigen militärischen
und politischen, sondern auch die wirtschaftlichen Sicherheiten für
die Zukunft, als Friedensziel bezeichnet hat. fällt es uns wesentlich
leichter, sein Schweigegebot zu erfüllen. Denn dieses Kaiserwott
sagt uns, daß den Sonderwünschen der politischen Parteien und Berusskreisen
gegenüber das Wohl des Reichs das höchste Gesetz sein soll.

Da aber die Geschichte die Lehrmeisterin der Politik sein soll, so ist es
jetzt wohl schon angebracht, die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen
zu betrachten; nicht etwa um sie einfach zurückzufordern, wenn auch unser Ver¬
langen nach der Ahnen alten Sitzen weniger brutal wäre, als die Gewohnheit
der Engländer und Russen, alles das zu fordern, was in ihre Interessensphäre
alle, sondern um ihre Dauer und ihren Wert zu prüfen. Allerdings kann sich
der strategische Wert der mittelalterlichen Grenzen infolge der neuzeitlichen


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[0422] Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen die Kosakenmißhandluugen ausgetrieben worden sein. Immerhin sollte das In¬ teresse Englands an dieser Frage unserer Regierung ein Ansporn sein, die Vorteile auszunutzen, welche sie als Bundesgenosse der Türkei hat. So vereinigen sich die verschiedensten Interessen, Idealismus und Realpolitik, Humanität und nationaler Egoismus, Sorge für die nächste Gegenwart und für eine ferne Zukunft, zu der Forderung nach einer raschen und tatkräftigen Durchführung der zionistischen Ideen. Dabei wollen wir aber nicht vergessen, daß unser eigenes Interesse vor allem auf die Ablenkung der jüdischen Auswanderung von unseren 'Grenzen gerichtet ist, daß uns deshalb mit eine Durchführung der Idee in der Art der bisherigen Bestrebungen und selbst im Sinne der „rechtlich gesicherten Heimstätte" nicht gedient ist, sondern nur durch die Erschließung eines großen aufnahmefähigen Kolonistenlandes. Seit dieser Aufsatz geschrieben worden ist, ist eine neue Frage in Ver bindung mit Mesopotamien brennend geworden, die armenische, entstanden- dadurch, daß die türkische Regierung die aufständische armenische Bevölkerung nach Mesopotamien abgeschoben hat. Aus den gemachten Ausführungen geht hervor, daß das Land auch für diese Volkstrümmer noch reichlich Platz bietet. Es wird nicht schwer sein, die Interessen und Wohnstätten abzugrenzen, wenn beide Fragen von einer großen Kolonisationsgesellschaft in die Hand genommen werden. Die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen Professor Dr. Carl Franke von achten unser Kaiser Ende des eisten Kriegsjahres nicht bloß wie schon vorher seine Negierung, die notwendigen militärischen und politischen, sondern auch die wirtschaftlichen Sicherheiten für die Zukunft, als Friedensziel bezeichnet hat. fällt es uns wesentlich leichter, sein Schweigegebot zu erfüllen. Denn dieses Kaiserwott sagt uns, daß den Sonderwünschen der politischen Parteien und Berusskreisen gegenüber das Wohl des Reichs das höchste Gesetz sein soll. Da aber die Geschichte die Lehrmeisterin der Politik sein soll, so ist es jetzt wohl schon angebracht, die Bedeutung der mittelalterlichen Reichsgrenzen zu betrachten; nicht etwa um sie einfach zurückzufordern, wenn auch unser Ver¬ langen nach der Ahnen alten Sitzen weniger brutal wäre, als die Gewohnheit der Engländer und Russen, alles das zu fordern, was in ihre Interessensphäre alle, sondern um ihre Dauer und ihren Wert zu prüfen. Allerdings kann sich der strategische Wert der mittelalterlichen Grenzen infolge der neuzeitlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/422>, abgerufen am 26.05.2024.