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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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"wo kommt das Geld her?"

Bauern in den neuen Herren auf Bisem, den in der Hofburg sehr gut
angeschriebenen Grasen Trazz ebenso zähe und dabei rücksichtslose Gegner
fanden, welche selbst vor bewaffneten Überfällen des Dorfes und Einkerkern der
weggeschleppten Bauern nicht zurückschreckten. Endlich blieben aber die Bauern
wiederum Sieger und Kaiser Leopold bestätigte ihnen um 1693 die Gerechtsame
ihrer Unabhängkeit.

Wenn dieser ungleiche fünfhundertjährige Freiheitskampf von Bauern gegen
mächtige adelige Geschlechter in der Schweiz gespielt hätte, so wäre er in der
ganzen Welt berühmt geworden; so aber ist es einem glücklichen Stern zuzuschreiben,
daß ein würdiger Priester sich verpflichtet gefühlt hat, aus dem Moder ver¬
schimmelnder Akten "der Jugend seiner Gemeinde die Taten der Vorfahren zur
Nachahmung an das Licht zu ziehen".




"Wo kommt das Geld her?"
Dr. Franz Gppenheimer von

er Weltkrieg wird, wenn "r noch länger als bis zum Spätherbst
dauert, das Deutsche Reich kaum weniger, vielleicht mehr als
zwanzig Milliarden, zwanzigtausend Millionen Mark, an unmittel¬
baren Kriegsausgaben gekostet haben -- ganz abgesehen von den
Kosten der Fürsorge für die Kriegsinvaliden und die Hinter¬
bliebenen. Sollte für diesen Zweck nach dem Beispiel von 1871 ein "Jn.validen-
fonds" niedergelegt werden, so würde er wahrscheinlich nicht viel hinter der
Summe der unmittelbaren Kriegsaufwendungen zurückbleiben.

Sehen wir von diesem zweiten Posten einmal ganz ab, da er noch nicht
angefordert ist, und da die Möglichkeit besteht, daß man dieses Mal von der
Legung eines Fonds Abstand nehmen und statt dessen die notwendigen Aus¬
gaben für diese Zwecke aus den laufenden Einnahmen decken wird. Dann
blieben noch immer rund zwanzig Milliarden Mark, die zum großen Teil schon
aufgebracht sind und bis zum Friedensschluß ausgegeben sein werden. Wo
kommt dieses Geld her?

Zunächst ist es klar, daß es gar nicht "Geld" im landläufigen Sinne sein
kann. Der Goldschatz der ganzen Welt an gemünzten Gelde wurde vor dem Kriege
auf etwa dreißig Milliarden, der Deutschlands auf drei Milliarden geschätzt,
von denen ein Teil als Hilstgelder an Verbündete und zur Bezahlung von


„wo kommt das Geld her?"

Bauern in den neuen Herren auf Bisem, den in der Hofburg sehr gut
angeschriebenen Grasen Trazz ebenso zähe und dabei rücksichtslose Gegner
fanden, welche selbst vor bewaffneten Überfällen des Dorfes und Einkerkern der
weggeschleppten Bauern nicht zurückschreckten. Endlich blieben aber die Bauern
wiederum Sieger und Kaiser Leopold bestätigte ihnen um 1693 die Gerechtsame
ihrer Unabhängkeit.

Wenn dieser ungleiche fünfhundertjährige Freiheitskampf von Bauern gegen
mächtige adelige Geschlechter in der Schweiz gespielt hätte, so wäre er in der
ganzen Welt berühmt geworden; so aber ist es einem glücklichen Stern zuzuschreiben,
daß ein würdiger Priester sich verpflichtet gefühlt hat, aus dem Moder ver¬
schimmelnder Akten „der Jugend seiner Gemeinde die Taten der Vorfahren zur
Nachahmung an das Licht zu ziehen".




„Wo kommt das Geld her?"
Dr. Franz Gppenheimer von

er Weltkrieg wird, wenn «r noch länger als bis zum Spätherbst
dauert, das Deutsche Reich kaum weniger, vielleicht mehr als
zwanzig Milliarden, zwanzigtausend Millionen Mark, an unmittel¬
baren Kriegsausgaben gekostet haben — ganz abgesehen von den
Kosten der Fürsorge für die Kriegsinvaliden und die Hinter¬
bliebenen. Sollte für diesen Zweck nach dem Beispiel von 1871 ein „Jn.validen-
fonds" niedergelegt werden, so würde er wahrscheinlich nicht viel hinter der
Summe der unmittelbaren Kriegsaufwendungen zurückbleiben.

Sehen wir von diesem zweiten Posten einmal ganz ab, da er noch nicht
angefordert ist, und da die Möglichkeit besteht, daß man dieses Mal von der
Legung eines Fonds Abstand nehmen und statt dessen die notwendigen Aus¬
gaben für diese Zwecke aus den laufenden Einnahmen decken wird. Dann
blieben noch immer rund zwanzig Milliarden Mark, die zum großen Teil schon
aufgebracht sind und bis zum Friedensschluß ausgegeben sein werden. Wo
kommt dieses Geld her?

Zunächst ist es klar, daß es gar nicht „Geld" im landläufigen Sinne sein
kann. Der Goldschatz der ganzen Welt an gemünzten Gelde wurde vor dem Kriege
auf etwa dreißig Milliarden, der Deutschlands auf drei Milliarden geschätzt,
von denen ein Teil als Hilstgelder an Verbündete und zur Bezahlung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/59>, abgerufen am 26.05.2024.