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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Aus Preußens Gstmark
von Professor Aranz

le Ansiedlungskommission sagt in ihrer Denkschrift für das
Jahr 1914, wo im ganzen 14 614 Hektar erworben wurden,
daß seit Beginn des Krieges der Güterkauf und die Anlage
neuer Siedlungen eingestellt, die eingeleiteten Abschlüsse aber
erledigt worden seien. In der für 1915 bemerkt sie, der Land¬
erwerb (364 Hektar) und das Siedlungsgeschäft hätten fast ganz gestockt; um
so mehr Arbeit hätte die Güterverwaltung und die Fürsorge für die Ansiedler
verursacht. Obwohl sie von ihren Beamten und Angestellten zwei Drittel für
den Kriegsdienst abgegeben hat. steht sie den Familien vor dem Feinde stehen¬
der oder gefallener Ansiedler tatkräftig zur Seite und bewahrt so die meisten
vor Vermögensverfall. Ende 1915 waren von den etwa 22 000 Ansiedlern
7252 mit 7775 Söhnen und 2534 Knechten, im ganzen also ein stattlicher
Heerbann von 17 561 Feldgrauen, ins Feld gerückt; 1080 waren bereits für
das Vaterland gefallen und 51 wurden vermißt; Frauen mußten 2208 An¬
wesen im Umfange von 29 500 Hektar ohne männliche Arbeitskraft bewirt¬
schaften. Nach einer -- vielleicht unvollständigen -- Zusammenstellung steht
sich die Kommission 1916 zu Ausnahmen von jener Regel, d. h. zum Erwerb
solcher Güter (bisher 5--6000 Morgen) gezwungen, die anderenfalls Gefahr
laufen, aus deutscher Erde polnische zu werden. In einem Falle handelte es
sich um ein großes Rittergut, dessen deutsche Besitzerin, eine Witwe, der Schwierig¬
keiten der Bewirtschaftung wohl nicht Herr wurde, in drei anderen um mittlere
Güter, deren Zwangsverkauf beantragt war oder stattfand. Das eine war
das wertvollste Objekt der Konkursmasse des Breslauer Beamten-Spar- und
Darlehnsvereins, das zweite in schnellem Wechsel aus einer Hand in die andere
gewandert und zuletzt, am Tage der Zwangsversteigerung, vermutlich in pol¬
nischer, ein drittes mit ähnlichem Schicksal zuletzt in deutscher Hand gewesen.

Unsere polnischen Mitbürger haben während des Weltkrieges von ihren
bisherigen Bemühungen, Boden innerhalb der Ansiedlungsprovinzen und außer¬
halb zu erwerben, nicht abgelassen. Durch unerbittliche Brandmarkung ihrer
"Kolonisatoren", der "Verschacherer polnischer Erde", als Verräter an Volk und
Vaterland hatten die Leiter der polnischen Aktion erreicht, daß deutsche Unter-
Händler an verschlossene polnische Türen klopften. In den ersten zehn Jahren
hatte die Kommission zu mäßigen Preisen von Polen 67 500 Hektar erstanden;




Aus Preußens Gstmark
von Professor Aranz

le Ansiedlungskommission sagt in ihrer Denkschrift für das
Jahr 1914, wo im ganzen 14 614 Hektar erworben wurden,
daß seit Beginn des Krieges der Güterkauf und die Anlage
neuer Siedlungen eingestellt, die eingeleiteten Abschlüsse aber
erledigt worden seien. In der für 1915 bemerkt sie, der Land¬
erwerb (364 Hektar) und das Siedlungsgeschäft hätten fast ganz gestockt; um
so mehr Arbeit hätte die Güterverwaltung und die Fürsorge für die Ansiedler
verursacht. Obwohl sie von ihren Beamten und Angestellten zwei Drittel für
den Kriegsdienst abgegeben hat. steht sie den Familien vor dem Feinde stehen¬
der oder gefallener Ansiedler tatkräftig zur Seite und bewahrt so die meisten
vor Vermögensverfall. Ende 1915 waren von den etwa 22 000 Ansiedlern
7252 mit 7775 Söhnen und 2534 Knechten, im ganzen also ein stattlicher
Heerbann von 17 561 Feldgrauen, ins Feld gerückt; 1080 waren bereits für
das Vaterland gefallen und 51 wurden vermißt; Frauen mußten 2208 An¬
wesen im Umfange von 29 500 Hektar ohne männliche Arbeitskraft bewirt¬
schaften. Nach einer — vielleicht unvollständigen — Zusammenstellung steht
sich die Kommission 1916 zu Ausnahmen von jener Regel, d. h. zum Erwerb
solcher Güter (bisher 5—6000 Morgen) gezwungen, die anderenfalls Gefahr
laufen, aus deutscher Erde polnische zu werden. In einem Falle handelte es
sich um ein großes Rittergut, dessen deutsche Besitzerin, eine Witwe, der Schwierig¬
keiten der Bewirtschaftung wohl nicht Herr wurde, in drei anderen um mittlere
Güter, deren Zwangsverkauf beantragt war oder stattfand. Das eine war
das wertvollste Objekt der Konkursmasse des Breslauer Beamten-Spar- und
Darlehnsvereins, das zweite in schnellem Wechsel aus einer Hand in die andere
gewandert und zuletzt, am Tage der Zwangsversteigerung, vermutlich in pol¬
nischer, ein drittes mit ähnlichem Schicksal zuletzt in deutscher Hand gewesen.

Unsere polnischen Mitbürger haben während des Weltkrieges von ihren
bisherigen Bemühungen, Boden innerhalb der Ansiedlungsprovinzen und außer¬
halb zu erwerben, nicht abgelassen. Durch unerbittliche Brandmarkung ihrer
„Kolonisatoren", der „Verschacherer polnischer Erde", als Verräter an Volk und
Vaterland hatten die Leiter der polnischen Aktion erreicht, daß deutsche Unter-
Händler an verschlossene polnische Türen klopften. In den ersten zehn Jahren
hatte die Kommission zu mäßigen Preisen von Polen 67 500 Hektar erstanden;


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[0017] [Abbildung] Aus Preußens Gstmark von Professor Aranz le Ansiedlungskommission sagt in ihrer Denkschrift für das Jahr 1914, wo im ganzen 14 614 Hektar erworben wurden, daß seit Beginn des Krieges der Güterkauf und die Anlage neuer Siedlungen eingestellt, die eingeleiteten Abschlüsse aber erledigt worden seien. In der für 1915 bemerkt sie, der Land¬ erwerb (364 Hektar) und das Siedlungsgeschäft hätten fast ganz gestockt; um so mehr Arbeit hätte die Güterverwaltung und die Fürsorge für die Ansiedler verursacht. Obwohl sie von ihren Beamten und Angestellten zwei Drittel für den Kriegsdienst abgegeben hat. steht sie den Familien vor dem Feinde stehen¬ der oder gefallener Ansiedler tatkräftig zur Seite und bewahrt so die meisten vor Vermögensverfall. Ende 1915 waren von den etwa 22 000 Ansiedlern 7252 mit 7775 Söhnen und 2534 Knechten, im ganzen also ein stattlicher Heerbann von 17 561 Feldgrauen, ins Feld gerückt; 1080 waren bereits für das Vaterland gefallen und 51 wurden vermißt; Frauen mußten 2208 An¬ wesen im Umfange von 29 500 Hektar ohne männliche Arbeitskraft bewirt¬ schaften. Nach einer — vielleicht unvollständigen — Zusammenstellung steht sich die Kommission 1916 zu Ausnahmen von jener Regel, d. h. zum Erwerb solcher Güter (bisher 5—6000 Morgen) gezwungen, die anderenfalls Gefahr laufen, aus deutscher Erde polnische zu werden. In einem Falle handelte es sich um ein großes Rittergut, dessen deutsche Besitzerin, eine Witwe, der Schwierig¬ keiten der Bewirtschaftung wohl nicht Herr wurde, in drei anderen um mittlere Güter, deren Zwangsverkauf beantragt war oder stattfand. Das eine war das wertvollste Objekt der Konkursmasse des Breslauer Beamten-Spar- und Darlehnsvereins, das zweite in schnellem Wechsel aus einer Hand in die andere gewandert und zuletzt, am Tage der Zwangsversteigerung, vermutlich in pol¬ nischer, ein drittes mit ähnlichem Schicksal zuletzt in deutscher Hand gewesen. Unsere polnischen Mitbürger haben während des Weltkrieges von ihren bisherigen Bemühungen, Boden innerhalb der Ansiedlungsprovinzen und außer¬ halb zu erwerben, nicht abgelassen. Durch unerbittliche Brandmarkung ihrer „Kolonisatoren", der „Verschacherer polnischer Erde", als Verräter an Volk und Vaterland hatten die Leiter der polnischen Aktion erreicht, daß deutsche Unter- Händler an verschlossene polnische Türen klopften. In den ersten zehn Jahren hatte die Kommission zu mäßigen Preisen von Polen 67 500 Hektar erstanden;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/17>, abgerufen am 28.04.2024.