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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Aus Preußens Gstmark

1907--13 konnte sie, trotz hoher Preise, von Polen nur noch 20 000 Hektar
kaufen, von Deutschen dagegen rund 90 000. Seit 1896, namentlich seit
Wawrzynia?, der "Lenker des gesamten polnischen Finanzwesens", wie ein Pole
ihn nennt, energisch und zielbewußt das polnische Genossenschaftswesen der pol¬
nischen Bodenpolitik dienstbar gemacht hatte, ging der deutsche Grundbesitz in
beiden Provinzen dauernd zurück, während der polnische entsprechend (1896 --1911
um 96 000 Hektar) zunahm. Wer, der unsere Polen kennt, hat erwartet, daß
sie, weil 1912 ein leiser Rückschlag zu deutschen Gunsten eintrat, den bis dahin
siegreichen Kampf aufgeben, oder nicht vielmehr, daß sie ihre Anstrengungen
verdoppeln werden? Es steht für sie zuviel auf dem Spiele. Nicht die Ver¬
hetzung der Massen, nicht Zeltungslärm und Intellektuellen-Geschwätz, nicht die
Verdrängung der deutschen Handwerker und Kleinhändler, auch nicht die all¬
mähliche, vorläufig recht mäßige Erstarkung ihres Großhandels oder gar ihrer
in den Anfängen befindlichen Industrie, nur die Erhaltung und Mehrung ihres
Bodenbesitzes, des kleinen, wie des gut fundierten und so umfangreichen großen,
des Hauptfaktors ihrer nationalen Existenz in Preußen, vermag, das wissen sie,
den Bestand ihres Volkstums diesseits von Drewenz uno Prosna auf die
Dauer zu sichern.

Der Güterhandel ist auch in Posen und Westpreußen, trotz des Krieges,
recht lebhaft. Die Subhastationskalender oftmürkischer Blätter weisen jedesmal
eine stattliche Reihe überwiegend kleinerer Begüterungen auf, deren in Not
geratene Eigentümer auffallend oft polnische Namen tragen. Deutsche Käufer
kommen aus dem Westen, bis aus dem Rheinlande, und machen sich, wenn
möglich, ansässig. Bei der Zwangsversteigerung werden nicht selten erhebliche
Summen an Hypotheken verloren; der Inhaber einer letzten Forderung über¬
nimmt dann und wann die Last der Bewirtschaftung, bis er auf einen Wag¬
halsigeren oder Dümmeren stößt. Weit häufiger freilich bewahrt die organisierte,
wohl von einer Zentrale aus geleitete polnische Wachsamkeit polnischen Besitz,
auch größeren, vor dem Übergange an Deutsche und erwirbt die polnische
Begehrlichkeit mit raffinierter Schlauheit deutschen, selbst unter Überzahlung, in
rnaiorem poloniae Zloriam. Es würde zu weit führen, wollte ich die
deutschen größeren, mittleren und kleinen Begüterungen, die bisher in diesem
Jahre in polnische Hand gelangt sind, sämtlich aufzählen. Erinnert sei an
die freihändigen Verkäufe Deutscher von Obiecanowo an Dr. von Brodnicki,
von Nieder-Lissa in Nieder-Schlesien an Herrn von Grabski-Grieser, von
Grabin in Westpreußen für mehr als eine Million an den bekannten Parla¬
mentarier Saß von Jaworski und vor wenigen Tagen von Nieder-Alt Driebitz
bei Fraustadt an Frau Stanislawa Maciejewska.

Gibt es auf deutscher Seite eine ähnliche -- private -- Organisation?
Wirkt sie gleichfalls mit tödlicher Sicherheit? Was bisher in die Erscheinung
trat, war jedenfalls von Staatswegen, im Zusammenhange mit der großzügigen
Ostmarkenpolitik von 1886, geschaffen. Vom Gesamtbesttz beider Provinzen,


Aus Preußens Gstmark

1907—13 konnte sie, trotz hoher Preise, von Polen nur noch 20 000 Hektar
kaufen, von Deutschen dagegen rund 90 000. Seit 1896, namentlich seit
Wawrzynia?, der „Lenker des gesamten polnischen Finanzwesens", wie ein Pole
ihn nennt, energisch und zielbewußt das polnische Genossenschaftswesen der pol¬
nischen Bodenpolitik dienstbar gemacht hatte, ging der deutsche Grundbesitz in
beiden Provinzen dauernd zurück, während der polnische entsprechend (1896 —1911
um 96 000 Hektar) zunahm. Wer, der unsere Polen kennt, hat erwartet, daß
sie, weil 1912 ein leiser Rückschlag zu deutschen Gunsten eintrat, den bis dahin
siegreichen Kampf aufgeben, oder nicht vielmehr, daß sie ihre Anstrengungen
verdoppeln werden? Es steht für sie zuviel auf dem Spiele. Nicht die Ver¬
hetzung der Massen, nicht Zeltungslärm und Intellektuellen-Geschwätz, nicht die
Verdrängung der deutschen Handwerker und Kleinhändler, auch nicht die all¬
mähliche, vorläufig recht mäßige Erstarkung ihres Großhandels oder gar ihrer
in den Anfängen befindlichen Industrie, nur die Erhaltung und Mehrung ihres
Bodenbesitzes, des kleinen, wie des gut fundierten und so umfangreichen großen,
des Hauptfaktors ihrer nationalen Existenz in Preußen, vermag, das wissen sie,
den Bestand ihres Volkstums diesseits von Drewenz uno Prosna auf die
Dauer zu sichern.

Der Güterhandel ist auch in Posen und Westpreußen, trotz des Krieges,
recht lebhaft. Die Subhastationskalender oftmürkischer Blätter weisen jedesmal
eine stattliche Reihe überwiegend kleinerer Begüterungen auf, deren in Not
geratene Eigentümer auffallend oft polnische Namen tragen. Deutsche Käufer
kommen aus dem Westen, bis aus dem Rheinlande, und machen sich, wenn
möglich, ansässig. Bei der Zwangsversteigerung werden nicht selten erhebliche
Summen an Hypotheken verloren; der Inhaber einer letzten Forderung über¬
nimmt dann und wann die Last der Bewirtschaftung, bis er auf einen Wag¬
halsigeren oder Dümmeren stößt. Weit häufiger freilich bewahrt die organisierte,
wohl von einer Zentrale aus geleitete polnische Wachsamkeit polnischen Besitz,
auch größeren, vor dem Übergange an Deutsche und erwirbt die polnische
Begehrlichkeit mit raffinierter Schlauheit deutschen, selbst unter Überzahlung, in
rnaiorem poloniae Zloriam. Es würde zu weit führen, wollte ich die
deutschen größeren, mittleren und kleinen Begüterungen, die bisher in diesem
Jahre in polnische Hand gelangt sind, sämtlich aufzählen. Erinnert sei an
die freihändigen Verkäufe Deutscher von Obiecanowo an Dr. von Brodnicki,
von Nieder-Lissa in Nieder-Schlesien an Herrn von Grabski-Grieser, von
Grabin in Westpreußen für mehr als eine Million an den bekannten Parla¬
mentarier Saß von Jaworski und vor wenigen Tagen von Nieder-Alt Driebitz
bei Fraustadt an Frau Stanislawa Maciejewska.

Gibt es auf deutscher Seite eine ähnliche — private — Organisation?
Wirkt sie gleichfalls mit tödlicher Sicherheit? Was bisher in die Erscheinung
trat, war jedenfalls von Staatswegen, im Zusammenhange mit der großzügigen
Ostmarkenpolitik von 1886, geschaffen. Vom Gesamtbesttz beider Provinzen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/18>, abgerufen am 13.05.2024.