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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Akademische Ariegsliteratur
Professor or. Paul Ssymank Line hochschulgeschichtliche Zeitstudie von
II.

Aber mehr nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft muß jedem
Freund unseres deutschen Hochschulwesens am Herzen liegen. Und da ist es
denn für die gesamte kommende Entwicklung eine Lebensfrage, ob die Wissen¬
schaft imstande sein wird, die tiefen Klüfte zu überbrücken, die der Krieg zwischen
den verschiedenen Kulturvölkern hat entstehen lassen. In der Beantwortung
dieser Frage herrscht augenblicklich noch große Meinungsverschiedenheit. Der
Kieler Mediziner Professor Lubarsch zeigt in einer Rede, wie sich in der neueren
Entwicklung der Wissenschaft die Zunahme des völkischen Bewußtseins bei allen
Nationen offenbare. Er kommt zu dem Schluß: "Der Vorsprung der Deutschen
ist nur ein Ausdruck des Einflusses des Volkstums auf die Wissenschaft" und
sieht "als eine sichere Lehre des Krieges die Tatsache an, daß man den Ge¬
danken aufgeben muß. als ob die Wissenschaften geeignet seien, die Gegensätze
zwischen den Völkern zu mildern und die dunklen Mächte zu bannen, die Leiden¬
schaft bis zur Naserei in ihnen entfacht." An eine national bedingte, fest im
Volkstum verankerte Wissenschaft denkt letzten Endes auch die von mehr denn
3000 Hochschullehrern unterzeichnete Erklärung, welche sich dagegen wendet, daß
man im Ausland einen Unterschied zwischen dem Geiste der deutschen Wissen¬
schaft und dem des preußischen Militarismus mache.*) Vom gleichen nationalen
Stolze zeigt sich auch der Schreiber des Aphorismus: "Weltwissenschaft" erfüllt,
wenn er sagt:**) "Eine Zeit friedlichen Zusammenarbeitens und -forschens der
Gelehrten aller Völker wird kommen, wenn Europa in harter Schule gelernt
hat. sich zu beugen vor dem Volk, das sein Herz ist. zu ahnen, daß an dem
deutschen Wesen die Welt genesen soll .... Hilf sie erstreiten, die deutsche
Weltwissenschaft I Sie. nur sie gewährleistet jetzt der Wissenschaft das. was sie
braucht: Jnternationalität."

In schroffem Gegensatz zu Professor Lnbarsch steht dagegen Professor von
Wilamowitz.Moellendorff, der in seiner Bismarckansprache begeistert ausruft:




*) In gedrungener Kürze spricht dies in der schönen Schrift: "Deutschlands geistiges
Leben im Weltkrieg" (Gotha, Friedrich Andreas Perthes, A.°G.. 1916) auch der Nachfolger
Lamprechts, Professor Walter Götz aus, indem er sagt: "Die deutsche Wissenschaft darf es
für sich in Anspruch nehmen, dem nationalen Ziel in vollster Hingabe gedient zu haben."
"Wenn es gilt fürs Vaterland."


Akademische Ariegsliteratur
Professor or. Paul Ssymank Line hochschulgeschichtliche Zeitstudie von
II.

Aber mehr nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft muß jedem
Freund unseres deutschen Hochschulwesens am Herzen liegen. Und da ist es
denn für die gesamte kommende Entwicklung eine Lebensfrage, ob die Wissen¬
schaft imstande sein wird, die tiefen Klüfte zu überbrücken, die der Krieg zwischen
den verschiedenen Kulturvölkern hat entstehen lassen. In der Beantwortung
dieser Frage herrscht augenblicklich noch große Meinungsverschiedenheit. Der
Kieler Mediziner Professor Lubarsch zeigt in einer Rede, wie sich in der neueren
Entwicklung der Wissenschaft die Zunahme des völkischen Bewußtseins bei allen
Nationen offenbare. Er kommt zu dem Schluß: „Der Vorsprung der Deutschen
ist nur ein Ausdruck des Einflusses des Volkstums auf die Wissenschaft" und
sieht „als eine sichere Lehre des Krieges die Tatsache an, daß man den Ge¬
danken aufgeben muß. als ob die Wissenschaften geeignet seien, die Gegensätze
zwischen den Völkern zu mildern und die dunklen Mächte zu bannen, die Leiden¬
schaft bis zur Naserei in ihnen entfacht." An eine national bedingte, fest im
Volkstum verankerte Wissenschaft denkt letzten Endes auch die von mehr denn
3000 Hochschullehrern unterzeichnete Erklärung, welche sich dagegen wendet, daß
man im Ausland einen Unterschied zwischen dem Geiste der deutschen Wissen¬
schaft und dem des preußischen Militarismus mache.*) Vom gleichen nationalen
Stolze zeigt sich auch der Schreiber des Aphorismus: „Weltwissenschaft" erfüllt,
wenn er sagt:**) „Eine Zeit friedlichen Zusammenarbeitens und -forschens der
Gelehrten aller Völker wird kommen, wenn Europa in harter Schule gelernt
hat. sich zu beugen vor dem Volk, das sein Herz ist. zu ahnen, daß an dem
deutschen Wesen die Welt genesen soll .... Hilf sie erstreiten, die deutsche
Weltwissenschaft I Sie. nur sie gewährleistet jetzt der Wissenschaft das. was sie
braucht: Jnternationalität."

In schroffem Gegensatz zu Professor Lnbarsch steht dagegen Professor von
Wilamowitz.Moellendorff, der in seiner Bismarckansprache begeistert ausruft:




*) In gedrungener Kürze spricht dies in der schönen Schrift: „Deutschlands geistiges
Leben im Weltkrieg" (Gotha, Friedrich Andreas Perthes, A.°G.. 1916) auch der Nachfolger
Lamprechts, Professor Walter Götz aus, indem er sagt: „Die deutsche Wissenschaft darf es
für sich in Anspruch nehmen, dem nationalen Ziel in vollster Hingabe gedient zu haben."
„Wenn es gilt fürs Vaterland."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/33>, abgerufen am 27.04.2024.