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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Das Banner Schwarz-Rot-Gold
Dr. Rarl Hoffmann von

s ist bekannt, daß der Verfassungsausschuß der Nationalversammlung
sich mit einer knappen Mehrheit für die Vorlage der Reichsregierung
erklärt hat, die bisherigen Farben Schwarz-weißrot aufzugeben,
um statt dessen die alte nationale Fahne Schwarz-rot-gold einzu¬
führen. Diese Farben waren nicht nur das Sinnbild unserer
volkstümlichen Nationalbewegung in den früheren Jahrzehnten
des neunzehnten Jahrhunderts, und zwar bis zu den sechziger Jahren, sondern
sie galten ebenso als revolutionäres Symbol der deutschen Demokratie und als
das geschichtliche Banner unserer vollkommenen Volkseinheit im ehemaligen
heiligen römischen Reiche deutscher Nation. Ihre feierliche Erhebung zur Reichs-
fayne der neuen Volksrepublik hätte zum Ausdruck zu bringen, wie die drei
Geschichts- und Entwicklungsgedanken, die in diesen Bedeutungen liegen, zu dem
bisherigen deutschen Reiche im Gegensatz stehen und durch diesen gemeinsamen
Gegensatz sich selber zu einer tieferen Einheit verschmelzen. Denn man meint,
die politische Gestalt der inneren Volksgemeinschaft, so wie man aus der Ver¬
gangenheit hervor sie einstens sich wünschte, sei durch die Form des von Bismarck
geschaffenen Reiches in der Art eines "verlängerten Preußen" nicht wahrhaft
erfüllt, sondern nur vorgetäuscht worden: was den inneren Charakter dieser Volks¬
gemeinschaft angehe, ihre eigentätige Selbstbestimmung in Freiheit oder "Demo¬
kratie", so habe' sich das Bismarcksche Reich darum überhaupt nicht gekümmert,
und für ihre Ausführung und politische Darstellung sei die kleindeutsche Form
ein Irrtum gewesen. Man geht dabei halb unbewußt von der stillschweigenden
Voraussetzung ans, daß im großdeutschen Gedanken, der nicht allein aus ethnischen
Notwendigkeiten herkomme, die demokratische Zusammenfassung und Selbstgestaltung
der gesamten Nation durch die moderne Republik nichtsdestoweniger zusammentreffe
mit unterirdisch weiterwirkenden Geschichtskräften aus der Zeit der heiligen Kaiser.
Oder man bildet sich ein, es wäre so. Während das kleindeutsche Reich in
nationaler Hinsicht geschichtslos und unzulänglich und im übrigen undemokratisch
gewesen sei, soll die schwarz-rot-goldene Fahne jene Jneinswirkung von nationaler
Geschichte, demokratischer "Volkssouveränität" und nationaler Vollständigkeit in
der angestrebten Einheit als Sinnbild darstellen.

Nun weiß aber der nüchterne Kenner der Dinge, daß die schwarz-rot¬
goldenen Farben nicht von einer nationalen Fahne des alten Reiches herstammen,
sondern daß sie ihrer anfänglichen Entstehung nach nichts anderes gewesen sind,
als studentische Farben. Sie entstanden aus der sogenannten Couleur der Burschen-


renzboten II 1919 22


Das Banner Schwarz-Rot-Gold
Dr. Rarl Hoffmann von

s ist bekannt, daß der Verfassungsausschuß der Nationalversammlung
sich mit einer knappen Mehrheit für die Vorlage der Reichsregierung
erklärt hat, die bisherigen Farben Schwarz-weißrot aufzugeben,
um statt dessen die alte nationale Fahne Schwarz-rot-gold einzu¬
führen. Diese Farben waren nicht nur das Sinnbild unserer
volkstümlichen Nationalbewegung in den früheren Jahrzehnten
des neunzehnten Jahrhunderts, und zwar bis zu den sechziger Jahren, sondern
sie galten ebenso als revolutionäres Symbol der deutschen Demokratie und als
das geschichtliche Banner unserer vollkommenen Volkseinheit im ehemaligen
heiligen römischen Reiche deutscher Nation. Ihre feierliche Erhebung zur Reichs-
fayne der neuen Volksrepublik hätte zum Ausdruck zu bringen, wie die drei
Geschichts- und Entwicklungsgedanken, die in diesen Bedeutungen liegen, zu dem
bisherigen deutschen Reiche im Gegensatz stehen und durch diesen gemeinsamen
Gegensatz sich selber zu einer tieferen Einheit verschmelzen. Denn man meint,
die politische Gestalt der inneren Volksgemeinschaft, so wie man aus der Ver¬
gangenheit hervor sie einstens sich wünschte, sei durch die Form des von Bismarck
geschaffenen Reiches in der Art eines „verlängerten Preußen" nicht wahrhaft
erfüllt, sondern nur vorgetäuscht worden: was den inneren Charakter dieser Volks¬
gemeinschaft angehe, ihre eigentätige Selbstbestimmung in Freiheit oder „Demo¬
kratie", so habe' sich das Bismarcksche Reich darum überhaupt nicht gekümmert,
und für ihre Ausführung und politische Darstellung sei die kleindeutsche Form
ein Irrtum gewesen. Man geht dabei halb unbewußt von der stillschweigenden
Voraussetzung ans, daß im großdeutschen Gedanken, der nicht allein aus ethnischen
Notwendigkeiten herkomme, die demokratische Zusammenfassung und Selbstgestaltung
der gesamten Nation durch die moderne Republik nichtsdestoweniger zusammentreffe
mit unterirdisch weiterwirkenden Geschichtskräften aus der Zeit der heiligen Kaiser.
Oder man bildet sich ein, es wäre so. Während das kleindeutsche Reich in
nationaler Hinsicht geschichtslos und unzulänglich und im übrigen undemokratisch
gewesen sei, soll die schwarz-rot-goldene Fahne jene Jneinswirkung von nationaler
Geschichte, demokratischer „Volkssouveränität" und nationaler Vollständigkeit in
der angestrebten Einheit als Sinnbild darstellen.

Nun weiß aber der nüchterne Kenner der Dinge, daß die schwarz-rot¬
goldenen Farben nicht von einer nationalen Fahne des alten Reiches herstammen,
sondern daß sie ihrer anfänglichen Entstehung nach nichts anderes gewesen sind,
als studentische Farben. Sie entstanden aus der sogenannten Couleur der Burschen-


renzboten II 1919 22
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[0285] [Abbildung] Das Banner Schwarz-Rot-Gold Dr. Rarl Hoffmann von s ist bekannt, daß der Verfassungsausschuß der Nationalversammlung sich mit einer knappen Mehrheit für die Vorlage der Reichsregierung erklärt hat, die bisherigen Farben Schwarz-weißrot aufzugeben, um statt dessen die alte nationale Fahne Schwarz-rot-gold einzu¬ führen. Diese Farben waren nicht nur das Sinnbild unserer volkstümlichen Nationalbewegung in den früheren Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts, und zwar bis zu den sechziger Jahren, sondern sie galten ebenso als revolutionäres Symbol der deutschen Demokratie und als das geschichtliche Banner unserer vollkommenen Volkseinheit im ehemaligen heiligen römischen Reiche deutscher Nation. Ihre feierliche Erhebung zur Reichs- fayne der neuen Volksrepublik hätte zum Ausdruck zu bringen, wie die drei Geschichts- und Entwicklungsgedanken, die in diesen Bedeutungen liegen, zu dem bisherigen deutschen Reiche im Gegensatz stehen und durch diesen gemeinsamen Gegensatz sich selber zu einer tieferen Einheit verschmelzen. Denn man meint, die politische Gestalt der inneren Volksgemeinschaft, so wie man aus der Ver¬ gangenheit hervor sie einstens sich wünschte, sei durch die Form des von Bismarck geschaffenen Reiches in der Art eines „verlängerten Preußen" nicht wahrhaft erfüllt, sondern nur vorgetäuscht worden: was den inneren Charakter dieser Volks¬ gemeinschaft angehe, ihre eigentätige Selbstbestimmung in Freiheit oder „Demo¬ kratie", so habe' sich das Bismarcksche Reich darum überhaupt nicht gekümmert, und für ihre Ausführung und politische Darstellung sei die kleindeutsche Form ein Irrtum gewesen. Man geht dabei halb unbewußt von der stillschweigenden Voraussetzung ans, daß im großdeutschen Gedanken, der nicht allein aus ethnischen Notwendigkeiten herkomme, die demokratische Zusammenfassung und Selbstgestaltung der gesamten Nation durch die moderne Republik nichtsdestoweniger zusammentreffe mit unterirdisch weiterwirkenden Geschichtskräften aus der Zeit der heiligen Kaiser. Oder man bildet sich ein, es wäre so. Während das kleindeutsche Reich in nationaler Hinsicht geschichtslos und unzulänglich und im übrigen undemokratisch gewesen sei, soll die schwarz-rot-goldene Fahne jene Jneinswirkung von nationaler Geschichte, demokratischer „Volkssouveränität" und nationaler Vollständigkeit in der angestrebten Einheit als Sinnbild darstellen. Nun weiß aber der nüchterne Kenner der Dinge, daß die schwarz-rot¬ goldenen Farben nicht von einer nationalen Fahne des alten Reiches herstammen, sondern daß sie ihrer anfänglichen Entstehung nach nichts anderes gewesen sind, als studentische Farben. Sie entstanden aus der sogenannten Couleur der Burschen- renzboten II 1919 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/285>, abgerufen am 29.04.2024.