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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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er ZMMli Bittende Polens ab WGMZK


Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz
Posen für das Reich. Das deutsche Birnbaum. Das Deutschtum in Stadt und
Kreis Nawitsch. Die Armee Haller und die Danziger Frage. Königsberger
Kundgebung gegen Abtretung deutschen Landes an Polen.


utermlien zur ostdeutschen Früge



Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz Posen
für das Reich

Einst klang es durch die deutschen Lande: "Nach Ostland wollen wir reiten" --
es waren die Jahrhunderte, in denen deutsche Bauern, deutsche Bürger in dichten
Scharen ihre Wohnst litten, die ihnen zu eng geworden waren, verließen und dies¬
seits der Elbe sich eine neue Heimat suchten. Im zwölften Jahrhundert setzte diese
Wanderung ein. Ende des vierzehnten Jahrhunderts war das Land bis zur Oder
u" wesentlichen besetzt und in den wehrhaften Weichselstädten eine Vorpostenlinie
deutscher Wesensart bis in die Weichselgegend vorgeschoben. Zu jener Zeit ent¬
standen im Lande Posen die meisten der jetzt noch vorhandenen Städte, voran
Gnesen (vor 1243), Pvwidz, Meseritz, Kostschin. Hohensalza, die deutsche Stadt
Posen l12K3), Fraustadt, Sabrina, Rogcisen, Sander, Gostyn usw., später Brom¬
berg (1348) u. a, denen polnische Herrscher deutsches (Magdeburger) Stadtrecht
verliehen. Diese vielleicht großartigste Kolonisation aller Zeiten war eine vom
einheitlichen Willen und Gefühl des ganzen deutschen Volkes getragene Bewegung.
Gitter und Mönch, Bauer und Städter gleichmäßig umfassend, steckte sie sich
sowohl ideale wie wirtschaftliche Ziele und fand in beiden ihre Rechnung.
Nicht nur gewann damals das deutsche Volk den Raum in Mitteleuropa, dessen
es bedürfte, um zu seiner jetzigen Größe und Geltung zu gelangen. Es zog auch
retche Vorteile aus den kolonisierten Gebieten, deren Erträgnisse es verdoppelte
und im Austausch mit den eigenen Erzeugnissen und denen der übrigen Welt sich
nutzbar machte.

Die Verschiebung der weltwirtschaftlichen Verhältnisse durch die Entdeckung
des Seeweges nach Indien und von Amerika änderte die Stellung der deutschen
-^Mschaft zum Osten. Handel und Gewerbe verfielen und damit lockerten sich
Ani) die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der deutschen Städte in
^pfer zum deutschen Kernlande. Die Bauern, ihres Rückhalts an den Städten
geraubt, gerieten unter die Hörigkeit des polnischen Adels. Der Friede von
^horn (14M) war der äußere Ausdruck des deutschen Niedergangs. Süd dieser
hört der Nordosten auf, eine Rolle im Gesamtleben deS deutschen Volkes zu
lplelen. Zwar erlebte die Provinz Posen nach denk Dreißigjährigen Kriege eine
nweue deutsche Einwanderung in die allmählicher Polonisierung anheimfallenden
Städte und in ihrem Gefolge auch den Zuzug zahlreicher bäuerlicher Ansiedler,


Mitteilungen 7
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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz
Posen für das Reich. Das deutsche Birnbaum. Das Deutschtum in Stadt und
Kreis Nawitsch. Die Armee Haller und die Danziger Frage. Königsberger
Kundgebung gegen Abtretung deutschen Landes an Polen.


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Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz Posen
für das Reich

Einst klang es durch die deutschen Lande: „Nach Ostland wollen wir reiten" —
es waren die Jahrhunderte, in denen deutsche Bauern, deutsche Bürger in dichten
Scharen ihre Wohnst litten, die ihnen zu eng geworden waren, verließen und dies¬
seits der Elbe sich eine neue Heimat suchten. Im zwölften Jahrhundert setzte diese
Wanderung ein. Ende des vierzehnten Jahrhunderts war das Land bis zur Oder
u» wesentlichen besetzt und in den wehrhaften Weichselstädten eine Vorpostenlinie
deutscher Wesensart bis in die Weichselgegend vorgeschoben. Zu jener Zeit ent¬
standen im Lande Posen die meisten der jetzt noch vorhandenen Städte, voran
Gnesen (vor 1243), Pvwidz, Meseritz, Kostschin. Hohensalza, die deutsche Stadt
Posen l12K3), Fraustadt, Sabrina, Rogcisen, Sander, Gostyn usw., später Brom¬
berg (1348) u. a, denen polnische Herrscher deutsches (Magdeburger) Stadtrecht
verliehen. Diese vielleicht großartigste Kolonisation aller Zeiten war eine vom
einheitlichen Willen und Gefühl des ganzen deutschen Volkes getragene Bewegung.
Gitter und Mönch, Bauer und Städter gleichmäßig umfassend, steckte sie sich
sowohl ideale wie wirtschaftliche Ziele und fand in beiden ihre Rechnung.
Nicht nur gewann damals das deutsche Volk den Raum in Mitteleuropa, dessen
es bedürfte, um zu seiner jetzigen Größe und Geltung zu gelangen. Es zog auch
retche Vorteile aus den kolonisierten Gebieten, deren Erträgnisse es verdoppelte
und im Austausch mit den eigenen Erzeugnissen und denen der übrigen Welt sich
nutzbar machte.

Die Verschiebung der weltwirtschaftlichen Verhältnisse durch die Entdeckung
des Seeweges nach Indien und von Amerika änderte die Stellung der deutschen
-^Mschaft zum Osten. Handel und Gewerbe verfielen und damit lockerten sich
Ani) die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der deutschen Städte in
^pfer zum deutschen Kernlande. Die Bauern, ihres Rückhalts an den Städten
geraubt, gerieten unter die Hörigkeit des polnischen Adels. Der Friede von
^horn (14M) war der äußere Ausdruck des deutschen Niedergangs. Süd dieser
hört der Nordosten auf, eine Rolle im Gesamtleben deS deutschen Volkes zu
lplelen. Zwar erlebte die Provinz Posen nach denk Dreißigjährigen Kriege eine
nweue deutsche Einwanderung in die allmählicher Polonisierung anheimfallenden
Städte und in ihrem Gefolge auch den Zuzug zahlreicher bäuerlicher Ansiedler,


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[0417] Mitteilungen er ZMMli Bittende Polens ab WGMZK Ur. 7Verantwortlich: Dr. Max Hildebert Bochen Schriftleitung: Bvomberg, Weltzienplatz l^i Fernruf Ur, 32123. April 1919 Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz Posen für das Reich. Das deutsche Birnbaum. Das Deutschtum in Stadt und Kreis Nawitsch. Die Armee Haller und die Danziger Frage. Königsberger Kundgebung gegen Abtretung deutschen Landes an Polen. utermlien zur ostdeutschen Früge Die wirtschaftliche Bedeutung der Provinz Posen für das Reich Einst klang es durch die deutschen Lande: „Nach Ostland wollen wir reiten" — es waren die Jahrhunderte, in denen deutsche Bauern, deutsche Bürger in dichten Scharen ihre Wohnst litten, die ihnen zu eng geworden waren, verließen und dies¬ seits der Elbe sich eine neue Heimat suchten. Im zwölften Jahrhundert setzte diese Wanderung ein. Ende des vierzehnten Jahrhunderts war das Land bis zur Oder u» wesentlichen besetzt und in den wehrhaften Weichselstädten eine Vorpostenlinie deutscher Wesensart bis in die Weichselgegend vorgeschoben. Zu jener Zeit ent¬ standen im Lande Posen die meisten der jetzt noch vorhandenen Städte, voran Gnesen (vor 1243), Pvwidz, Meseritz, Kostschin. Hohensalza, die deutsche Stadt Posen l12K3), Fraustadt, Sabrina, Rogcisen, Sander, Gostyn usw., später Brom¬ berg (1348) u. a, denen polnische Herrscher deutsches (Magdeburger) Stadtrecht verliehen. Diese vielleicht großartigste Kolonisation aller Zeiten war eine vom einheitlichen Willen und Gefühl des ganzen deutschen Volkes getragene Bewegung. Gitter und Mönch, Bauer und Städter gleichmäßig umfassend, steckte sie sich sowohl ideale wie wirtschaftliche Ziele und fand in beiden ihre Rechnung. Nicht nur gewann damals das deutsche Volk den Raum in Mitteleuropa, dessen es bedürfte, um zu seiner jetzigen Größe und Geltung zu gelangen. Es zog auch retche Vorteile aus den kolonisierten Gebieten, deren Erträgnisse es verdoppelte und im Austausch mit den eigenen Erzeugnissen und denen der übrigen Welt sich nutzbar machte. Die Verschiebung der weltwirtschaftlichen Verhältnisse durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien und von Amerika änderte die Stellung der deutschen -^Mschaft zum Osten. Handel und Gewerbe verfielen und damit lockerten sich Ani) die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der deutschen Städte in ^pfer zum deutschen Kernlande. Die Bauern, ihres Rückhalts an den Städten geraubt, gerieten unter die Hörigkeit des polnischen Adels. Der Friede von ^horn (14M) war der äußere Ausdruck des deutschen Niedergangs. Süd dieser hört der Nordosten auf, eine Rolle im Gesamtleben deS deutschen Volkes zu lplelen. Zwar erlebte die Provinz Posen nach denk Dreißigjährigen Kriege eine nweue deutsche Einwanderung in die allmählicher Polonisierung anheimfallenden Städte und in ihrem Gefolge auch den Zuzug zahlreicher bäuerlicher Ansiedler, Mitteilungen 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/417>, abgerufen am 29.04.2024.