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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische Politik

mus stets verheißt, aber nie erfüllt: für eine vertrauensvolle Znscmnnenarbeit von
Regierung und Volksvertretung.

Meine Denkschrift schloß mit den Worten: "Das Wahlrecht der öffentlichen
Körperschaften ist der Tod des Parlamentarismus in seiner heutigen Gestalt; viel¬
leicht bringt es die Wiedergeburt der Politik." Statt der Wiedergeburt kam der
Zusammenbruch. Er hat die Mächte, gegen die ich damals den Körperschafts¬
gedanken zu Hilfe rief, zur unumschränkten Macht geführt. Um so mehr müssen wir
auf diese Idee unsere Hoffnung setzen. Ich sage "wir"; denn in diesem Gedanken
können wir uns zusammenfinden. Sie riefen selbst einen Nothelfer an, der einer
der mächtigsten Vorkämpfer des ständischen Prinzips gewesen ist: Sie riefen nach
einem neuen Freiherrn vom Stein. Möge der gute Geist unseres Volkes uns einen
Mann seines Schlages senden, wenn es reif ist, ihm zu folgen! Mich werden Sie
unter seinem Banner finden.




Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische
- Politik
Lari Georg Bru'us von

as jetzt hinter uns liegende erste Jahr nach dem Inkrafttreten des
Versailler Friedensvertrages hat gezeigt/ daß der Frieden nirgends,
und so auch nicht im verlorenen Osten zu einer Befriedigung führen
konnte. Hatten schon die Mittelmächte es nicht verstanden/ für das
polnische Problem einleuchtende sachlich gegebene Lösungen auf¬
zuzeigen, so gilt das in gleichem Maße von dem Lösungsversuche der alliierten und
assoziierten Mächte. Aber schon der Lösungsversuch ist eine Realität, die Aufgaben
stellt. Für deutsche Betrachtungsweise liegt es nahe, als einzige Aufgabe die Ver¬
nichtung dieser wie jeder anderen aus dem Friedensverträge erwachsenen Realität
anzusehen. Einer Klärung der deutsch-polnischen Beziehungen kann man mit solcher
Einstellung nicht näher kommen. Ob das Polentum den Beweis seiner staaten¬
bildenden Kraft bereits erbracht hat, mag strittig sein. Der polnische Staat ist
ein Geschenk aus fremden Händen, aber es bleibt die geschichtliche Leistung des
Polentums, nach dem Geschenk die Hände ausgestreckt und es ergriffen zu haben.
Und die nationale Kraft des Polentums, die sich durch iVs Jahrhunderte nicht
brechen ließ, hat durch den Friedensvertrag einen Aufschwung erlebt, der jeden
Versuch zur Lösung des polnischen Problems auf alten Wegen ausschließt. Da¬
mit wird der Friedensvertrag der Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung der
polnischen Frage. Im Kampfe zwischen völkischer und staatlicher Idee hat diesmal


Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische Politik

mus stets verheißt, aber nie erfüllt: für eine vertrauensvolle Znscmnnenarbeit von
Regierung und Volksvertretung.

Meine Denkschrift schloß mit den Worten: „Das Wahlrecht der öffentlichen
Körperschaften ist der Tod des Parlamentarismus in seiner heutigen Gestalt; viel¬
leicht bringt es die Wiedergeburt der Politik." Statt der Wiedergeburt kam der
Zusammenbruch. Er hat die Mächte, gegen die ich damals den Körperschafts¬
gedanken zu Hilfe rief, zur unumschränkten Macht geführt. Um so mehr müssen wir
auf diese Idee unsere Hoffnung setzen. Ich sage „wir"; denn in diesem Gedanken
können wir uns zusammenfinden. Sie riefen selbst einen Nothelfer an, der einer
der mächtigsten Vorkämpfer des ständischen Prinzips gewesen ist: Sie riefen nach
einem neuen Freiherrn vom Stein. Möge der gute Geist unseres Volkes uns einen
Mann seines Schlages senden, wenn es reif ist, ihm zu folgen! Mich werden Sie
unter seinem Banner finden.




Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische
- Politik
Lari Georg Bru'us von

as jetzt hinter uns liegende erste Jahr nach dem Inkrafttreten des
Versailler Friedensvertrages hat gezeigt/ daß der Frieden nirgends,
und so auch nicht im verlorenen Osten zu einer Befriedigung führen
konnte. Hatten schon die Mittelmächte es nicht verstanden/ für das
polnische Problem einleuchtende sachlich gegebene Lösungen auf¬
zuzeigen, so gilt das in gleichem Maße von dem Lösungsversuche der alliierten und
assoziierten Mächte. Aber schon der Lösungsversuch ist eine Realität, die Aufgaben
stellt. Für deutsche Betrachtungsweise liegt es nahe, als einzige Aufgabe die Ver¬
nichtung dieser wie jeder anderen aus dem Friedensverträge erwachsenen Realität
anzusehen. Einer Klärung der deutsch-polnischen Beziehungen kann man mit solcher
Einstellung nicht näher kommen. Ob das Polentum den Beweis seiner staaten¬
bildenden Kraft bereits erbracht hat, mag strittig sein. Der polnische Staat ist
ein Geschenk aus fremden Händen, aber es bleibt die geschichtliche Leistung des
Polentums, nach dem Geschenk die Hände ausgestreckt und es ergriffen zu haben.
Und die nationale Kraft des Polentums, die sich durch iVs Jahrhunderte nicht
brechen ließ, hat durch den Friedensvertrag einen Aufschwung erlebt, der jeden
Versuch zur Lösung des polnischen Problems auf alten Wegen ausschließt. Da¬
mit wird der Friedensvertrag der Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung der
polnischen Frage. Im Kampfe zwischen völkischer und staatlicher Idee hat diesmal


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[0121] Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische Politik mus stets verheißt, aber nie erfüllt: für eine vertrauensvolle Znscmnnenarbeit von Regierung und Volksvertretung. Meine Denkschrift schloß mit den Worten: „Das Wahlrecht der öffentlichen Körperschaften ist der Tod des Parlamentarismus in seiner heutigen Gestalt; viel¬ leicht bringt es die Wiedergeburt der Politik." Statt der Wiedergeburt kam der Zusammenbruch. Er hat die Mächte, gegen die ich damals den Körperschafts¬ gedanken zu Hilfe rief, zur unumschränkten Macht geführt. Um so mehr müssen wir auf diese Idee unsere Hoffnung setzen. Ich sage „wir"; denn in diesem Gedanken können wir uns zusammenfinden. Sie riefen selbst einen Nothelfer an, der einer der mächtigsten Vorkämpfer des ständischen Prinzips gewesen ist: Sie riefen nach einem neuen Freiherrn vom Stein. Möge der gute Geist unseres Volkes uns einen Mann seines Schlages senden, wenn es reif ist, ihm zu folgen! Mich werden Sie unter seinem Banner finden. Die völkischen Minderheiten und die deutsch-polnische - Politik Lari Georg Bru'us von as jetzt hinter uns liegende erste Jahr nach dem Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrages hat gezeigt/ daß der Frieden nirgends, und so auch nicht im verlorenen Osten zu einer Befriedigung führen konnte. Hatten schon die Mittelmächte es nicht verstanden/ für das polnische Problem einleuchtende sachlich gegebene Lösungen auf¬ zuzeigen, so gilt das in gleichem Maße von dem Lösungsversuche der alliierten und assoziierten Mächte. Aber schon der Lösungsversuch ist eine Realität, die Aufgaben stellt. Für deutsche Betrachtungsweise liegt es nahe, als einzige Aufgabe die Ver¬ nichtung dieser wie jeder anderen aus dem Friedensverträge erwachsenen Realität anzusehen. Einer Klärung der deutsch-polnischen Beziehungen kann man mit solcher Einstellung nicht näher kommen. Ob das Polentum den Beweis seiner staaten¬ bildenden Kraft bereits erbracht hat, mag strittig sein. Der polnische Staat ist ein Geschenk aus fremden Händen, aber es bleibt die geschichtliche Leistung des Polentums, nach dem Geschenk die Hände ausgestreckt und es ergriffen zu haben. Und die nationale Kraft des Polentums, die sich durch iVs Jahrhunderte nicht brechen ließ, hat durch den Friedensvertrag einen Aufschwung erlebt, der jeden Versuch zur Lösung des polnischen Problems auf alten Wegen ausschließt. Da¬ mit wird der Friedensvertrag der Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung der polnischen Frage. Im Kampfe zwischen völkischer und staatlicher Idee hat diesmal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/121>, abgerufen am 04.05.2024.