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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau und die Entente

füllung" (!), sondern es will ihn zerbrechen/ und es wird die Geschichte der
Wahrheit gemäß schreiben, die mit dem Sichtvermerk der Wilhelmstraße versehenen
Lügen über Kriegsschuld verbrennen wie Luther die Bannbulle 'des Papstes. An
demselben Tage, da wir in der Note an Harding ein neues Dokument der Schmach
über die anderen legten, ein Dokument, das unseren Staat wortlos und willenlos
machte, hat das deutsche Volk in einem seiner kleinsten, ärmsten Und edelsten
Teile den Weg der Selbsthilfe beschritten, Tirol hat abgestimmt! Hier lebt
Deutschland! Die Herrlein von Verona, die an demselben Tag in die Bozener
Mustermesse hincinknallten und aus unbewaffneten Sonntagsspaziergängern fürs
Baterland gestorbene Andreas-Hofer-Enkel machten, haben das rote Siegel unter
das Plebiszit Tirols gesetzt. An dem Tag, da Deutschland das Interesse an
Osterreich oder Elsaß-Lothringen verlöre, gäbe es sich selber auf. Aber das
Interesse wächst, es wächst mit Naturgewalt, denn nicht um Macht, sondern um
Freiheit geht es jetzt. Für Macht hat das deutsche Volk stets nur geringen Sinn
bewiesen. Aber Unfreiheit hat es als ganzes und in seinen Teilen stets nur
kurze Zeit ertragen.




Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau
und die Entente*)

jm Augenblick, wo diese Zeilen vor der Öffentlichkeit erscheinen, wird
aller Voraussicht nach bereits über das Schicksal Oberschlesiens
entschieden, das Urteil gesprochen sein über das größte Verbrechen,
das jemals gegen das oberschlesische Volk begangen worden ist,
. über den oberschlesischen Polenaufruhr. Wie aber auch die Ent¬
scheidung der Ententemächte ausfallen möge, von bleibendem Interesse wird es
>ein, wie sich jene seit der Abstimmung zur oberschlesischen Frage als solcher und
dann zu dem jetzigen Polenaufruhr von Anfang an gestellt haben.

Die polnische Regierung hat seit der Abstimmung kein Mittel gescheut, um
trotz des für Polen ungünstigen Ergebnisses eine ihr günstige Entscheidung des
Obersten Rath in der oberschlesischen Frage zu erringen und zumindest das
ganze Industriegebiet zugeteilt zu erhalten. Sie entfaltete im In- und Ausland
eine außerordentliche rege Werbetätigkeit und suchte besonders in den Haupt¬
städten der Ententeländer diese für die polnischen Pläne zu gewinnen,- denn so
günstig auch naturgemäß die polnischen Aussichten in Frankreich von vornherein
waren, ebenso wenig aussichtsreich waren sie in England und Italien.



*) Aus deutschfreundlichen Warschauer Kreisen erhalten wir nachstehende Zuschrift die
,
Die Schriftleitung sur sich selbst spricht.
Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau und die Entente

füllung" (!), sondern es will ihn zerbrechen/ und es wird die Geschichte der
Wahrheit gemäß schreiben, die mit dem Sichtvermerk der Wilhelmstraße versehenen
Lügen über Kriegsschuld verbrennen wie Luther die Bannbulle 'des Papstes. An
demselben Tage, da wir in der Note an Harding ein neues Dokument der Schmach
über die anderen legten, ein Dokument, das unseren Staat wortlos und willenlos
machte, hat das deutsche Volk in einem seiner kleinsten, ärmsten Und edelsten
Teile den Weg der Selbsthilfe beschritten, Tirol hat abgestimmt! Hier lebt
Deutschland! Die Herrlein von Verona, die an demselben Tag in die Bozener
Mustermesse hincinknallten und aus unbewaffneten Sonntagsspaziergängern fürs
Baterland gestorbene Andreas-Hofer-Enkel machten, haben das rote Siegel unter
das Plebiszit Tirols gesetzt. An dem Tag, da Deutschland das Interesse an
Osterreich oder Elsaß-Lothringen verlöre, gäbe es sich selber auf. Aber das
Interesse wächst, es wächst mit Naturgewalt, denn nicht um Macht, sondern um
Freiheit geht es jetzt. Für Macht hat das deutsche Volk stets nur geringen Sinn
bewiesen. Aber Unfreiheit hat es als ganzes und in seinen Teilen stets nur
kurze Zeit ertragen.




Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau
und die Entente*)

jm Augenblick, wo diese Zeilen vor der Öffentlichkeit erscheinen, wird
aller Voraussicht nach bereits über das Schicksal Oberschlesiens
entschieden, das Urteil gesprochen sein über das größte Verbrechen,
das jemals gegen das oberschlesische Volk begangen worden ist,
. über den oberschlesischen Polenaufruhr. Wie aber auch die Ent¬
scheidung der Ententemächte ausfallen möge, von bleibendem Interesse wird es
>ein, wie sich jene seit der Abstimmung zur oberschlesischen Frage als solcher und
dann zu dem jetzigen Polenaufruhr von Anfang an gestellt haben.

Die polnische Regierung hat seit der Abstimmung kein Mittel gescheut, um
trotz des für Polen ungünstigen Ergebnisses eine ihr günstige Entscheidung des
Obersten Rath in der oberschlesischen Frage zu erringen und zumindest das
ganze Industriegebiet zugeteilt zu erhalten. Sie entfaltete im In- und Ausland
eine außerordentliche rege Werbetätigkeit und suchte besonders in den Haupt¬
städten der Ententeländer diese für die polnischen Pläne zu gewinnen,- denn so
günstig auch naturgemäß die polnischen Aussichten in Frankreich von vornherein
waren, ebenso wenig aussichtsreich waren sie in England und Italien.



*) Aus deutschfreundlichen Warschauer Kreisen erhalten wir nachstehende Zuschrift die
,
Die Schriftleitung sur sich selbst spricht.
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[0139] Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau und die Entente füllung" (!), sondern es will ihn zerbrechen/ und es wird die Geschichte der Wahrheit gemäß schreiben, die mit dem Sichtvermerk der Wilhelmstraße versehenen Lügen über Kriegsschuld verbrennen wie Luther die Bannbulle 'des Papstes. An demselben Tage, da wir in der Note an Harding ein neues Dokument der Schmach über die anderen legten, ein Dokument, das unseren Staat wortlos und willenlos machte, hat das deutsche Volk in einem seiner kleinsten, ärmsten Und edelsten Teile den Weg der Selbsthilfe beschritten, Tirol hat abgestimmt! Hier lebt Deutschland! Die Herrlein von Verona, die an demselben Tag in die Bozener Mustermesse hincinknallten und aus unbewaffneten Sonntagsspaziergängern fürs Baterland gestorbene Andreas-Hofer-Enkel machten, haben das rote Siegel unter das Plebiszit Tirols gesetzt. An dem Tag, da Deutschland das Interesse an Osterreich oder Elsaß-Lothringen verlöre, gäbe es sich selber auf. Aber das Interesse wächst, es wächst mit Naturgewalt, denn nicht um Macht, sondern um Freiheit geht es jetzt. Für Macht hat das deutsche Volk stets nur geringen Sinn bewiesen. Aber Unfreiheit hat es als ganzes und in seinen Teilen stets nur kurze Zeit ertragen. Der oberschlesische Polenaufruhr, Warschau und die Entente*) jm Augenblick, wo diese Zeilen vor der Öffentlichkeit erscheinen, wird aller Voraussicht nach bereits über das Schicksal Oberschlesiens entschieden, das Urteil gesprochen sein über das größte Verbrechen, das jemals gegen das oberschlesische Volk begangen worden ist, . über den oberschlesischen Polenaufruhr. Wie aber auch die Ent¬ scheidung der Ententemächte ausfallen möge, von bleibendem Interesse wird es >ein, wie sich jene seit der Abstimmung zur oberschlesischen Frage als solcher und dann zu dem jetzigen Polenaufruhr von Anfang an gestellt haben. Die polnische Regierung hat seit der Abstimmung kein Mittel gescheut, um trotz des für Polen ungünstigen Ergebnisses eine ihr günstige Entscheidung des Obersten Rath in der oberschlesischen Frage zu erringen und zumindest das ganze Industriegebiet zugeteilt zu erhalten. Sie entfaltete im In- und Ausland eine außerordentliche rege Werbetätigkeit und suchte besonders in den Haupt¬ städten der Ententeländer diese für die polnischen Pläne zu gewinnen,- denn so günstig auch naturgemäß die polnischen Aussichten in Frankreich von vornherein waren, ebenso wenig aussichtsreich waren sie in England und Italien. *) Aus deutschfreundlichen Warschauer Kreisen erhalten wir nachstehende Zuschrift die , Die Schriftleitung sur sich selbst spricht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/139>, abgerufen am 28.04.2024.