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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Der Bücherbesitz der Hohenzollern

auf jeden Fall durch den Bankerott, wenn nicht noch Schlimmeres hindurch, und
ein uns aufgezwungenes Chaos zu verwalten, sollten wir unseren Bedrückern über¬
lassen; die Verantwortung für eine völlig hoffnungslose Negierung zu über-
nehmen, kann keine Aufgabe der Volkspartei sein.




Der Vücherbesitz der Hohenzollern
Dr. Bogdan Rrieger von I.

le Büchersammlung im alten Schloß zu Berlin stellt eine Art
Schreckenskammer der Literatur dar." Also ist auf Seite 112 des
unter dem ebenso anmaßenden wie irreführender Titel "Hohen-
zollern" im Verlag für Sozialwissenschaft kürzlich erschienenen
Buches zu lesen, zu dessen Verfasserschaft sich unter dem Vorwort
Kurt Heinig bekennt. Die Erwähnung der Hausbibliothek dient ihm wie über¬
haupt ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen zur Verherrlichung der Volks¬
marinedivision, die bald nach Ausbruch der Revolution länger als sechs Wochen
im Schloß gehaust hat. Die geringe Einbuße, die die Hausbibliothek während
dieser Schloßbesetzung im Gegensatz zu anderen Zweigen der Verwaltung, zu
verschiedenen Schloßbewohnern und Beamten erlitten hat, nimmt Herr Heinig
zum Anlaß der Kennzeichnung des Kulturstandes der Matrosen. In der "ganz
verblüffenden Fülle von Nichtigkeiten und Bücherschmarren" ihrem literarischen
Bedürfnis Genügendes zu finden, war ihnen -- so möchte Herr Heinig uns
Hlauben machen -- nicht möglich. Daher betrage der Verlustposten der Haus¬
bibliothek nur 48,60 Mark. Wie jedes Wort, aber auch jedes, was der Verfasser
des Buches aus ungefähr einer Seite über die Hausbibliothek sagt, so stimmt auch
diese Zahlenangabo nicht. Denn die Matrosen haben bei ihrem Einbruch in die
Hausbibliothek, wenn auch keine Bücher, so doch alles, was an Garderobcstücken
dort vorhanden war, gestohlen oder, wie Herr Heinig beschönigend sich auszu¬
drücken beliebt, "vergessen liegen zu lassen" oder "zum Andenken fürs Liebchen
mitgehen heißen". Ebenso stahlen sie bares Geld, das nur in kleinerem Betrage
vorhanden war, alle Schreib- und Neinigungsutensilien und ließen nur Scheren
zurück, die ihnen beim Aufbrechen verschlossener Schubfächer als Diebeswerkzeuge
gedient hatten und dabei zerbrochen waren. Bibliothekbücher zu stehlen, hat
etwas besonders Mißliches. Da alle Bände auf dem Titelblatt gestempelt sind,
ist der Verkauf erschwert, und bei Verwertung zu eigenem Bedarf bleibt der


Der Bücherbesitz der Hohenzollern

auf jeden Fall durch den Bankerott, wenn nicht noch Schlimmeres hindurch, und
ein uns aufgezwungenes Chaos zu verwalten, sollten wir unseren Bedrückern über¬
lassen; die Verantwortung für eine völlig hoffnungslose Negierung zu über-
nehmen, kann keine Aufgabe der Volkspartei sein.




Der Vücherbesitz der Hohenzollern
Dr. Bogdan Rrieger von I.

le Büchersammlung im alten Schloß zu Berlin stellt eine Art
Schreckenskammer der Literatur dar." Also ist auf Seite 112 des
unter dem ebenso anmaßenden wie irreführender Titel „Hohen-
zollern" im Verlag für Sozialwissenschaft kürzlich erschienenen
Buches zu lesen, zu dessen Verfasserschaft sich unter dem Vorwort
Kurt Heinig bekennt. Die Erwähnung der Hausbibliothek dient ihm wie über¬
haupt ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen zur Verherrlichung der Volks¬
marinedivision, die bald nach Ausbruch der Revolution länger als sechs Wochen
im Schloß gehaust hat. Die geringe Einbuße, die die Hausbibliothek während
dieser Schloßbesetzung im Gegensatz zu anderen Zweigen der Verwaltung, zu
verschiedenen Schloßbewohnern und Beamten erlitten hat, nimmt Herr Heinig
zum Anlaß der Kennzeichnung des Kulturstandes der Matrosen. In der „ganz
verblüffenden Fülle von Nichtigkeiten und Bücherschmarren" ihrem literarischen
Bedürfnis Genügendes zu finden, war ihnen — so möchte Herr Heinig uns
Hlauben machen — nicht möglich. Daher betrage der Verlustposten der Haus¬
bibliothek nur 48,60 Mark. Wie jedes Wort, aber auch jedes, was der Verfasser
des Buches aus ungefähr einer Seite über die Hausbibliothek sagt, so stimmt auch
diese Zahlenangabo nicht. Denn die Matrosen haben bei ihrem Einbruch in die
Hausbibliothek, wenn auch keine Bücher, so doch alles, was an Garderobcstücken
dort vorhanden war, gestohlen oder, wie Herr Heinig beschönigend sich auszu¬
drücken beliebt, „vergessen liegen zu lassen" oder „zum Andenken fürs Liebchen
mitgehen heißen". Ebenso stahlen sie bares Geld, das nur in kleinerem Betrage
vorhanden war, alle Schreib- und Neinigungsutensilien und ließen nur Scheren
zurück, die ihnen beim Aufbrechen verschlossener Schubfächer als Diebeswerkzeuge
gedient hatten und dabei zerbrochen waren. Bibliothekbücher zu stehlen, hat
etwas besonders Mißliches. Da alle Bände auf dem Titelblatt gestempelt sind,
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[0108] Der Bücherbesitz der Hohenzollern auf jeden Fall durch den Bankerott, wenn nicht noch Schlimmeres hindurch, und ein uns aufgezwungenes Chaos zu verwalten, sollten wir unseren Bedrückern über¬ lassen; die Verantwortung für eine völlig hoffnungslose Negierung zu über- nehmen, kann keine Aufgabe der Volkspartei sein. Der Vücherbesitz der Hohenzollern Dr. Bogdan Rrieger von I. le Büchersammlung im alten Schloß zu Berlin stellt eine Art Schreckenskammer der Literatur dar." Also ist auf Seite 112 des unter dem ebenso anmaßenden wie irreführender Titel „Hohen- zollern" im Verlag für Sozialwissenschaft kürzlich erschienenen Buches zu lesen, zu dessen Verfasserschaft sich unter dem Vorwort Kurt Heinig bekennt. Die Erwähnung der Hausbibliothek dient ihm wie über¬ haupt ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen zur Verherrlichung der Volks¬ marinedivision, die bald nach Ausbruch der Revolution länger als sechs Wochen im Schloß gehaust hat. Die geringe Einbuße, die die Hausbibliothek während dieser Schloßbesetzung im Gegensatz zu anderen Zweigen der Verwaltung, zu verschiedenen Schloßbewohnern und Beamten erlitten hat, nimmt Herr Heinig zum Anlaß der Kennzeichnung des Kulturstandes der Matrosen. In der „ganz verblüffenden Fülle von Nichtigkeiten und Bücherschmarren" ihrem literarischen Bedürfnis Genügendes zu finden, war ihnen — so möchte Herr Heinig uns Hlauben machen — nicht möglich. Daher betrage der Verlustposten der Haus¬ bibliothek nur 48,60 Mark. Wie jedes Wort, aber auch jedes, was der Verfasser des Buches aus ungefähr einer Seite über die Hausbibliothek sagt, so stimmt auch diese Zahlenangabo nicht. Denn die Matrosen haben bei ihrem Einbruch in die Hausbibliothek, wenn auch keine Bücher, so doch alles, was an Garderobcstücken dort vorhanden war, gestohlen oder, wie Herr Heinig beschönigend sich auszu¬ drücken beliebt, „vergessen liegen zu lassen" oder „zum Andenken fürs Liebchen mitgehen heißen". Ebenso stahlen sie bares Geld, das nur in kleinerem Betrage vorhanden war, alle Schreib- und Neinigungsutensilien und ließen nur Scheren zurück, die ihnen beim Aufbrechen verschlossener Schubfächer als Diebeswerkzeuge gedient hatten und dabei zerbrochen waren. Bibliothekbücher zu stehlen, hat etwas besonders Mißliches. Da alle Bände auf dem Titelblatt gestempelt sind, ist der Verkauf erschwert, und bei Verwertung zu eigenem Bedarf bleibt der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/108>, abgerufen am 28.04.2024.