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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Washingtoner Probleme

Nur wenn wir mit den nahen, greifbaren Zwecken, die der Materialist allein
sieht, auch wieder langsam reifende Jahrhundertziele verbinden, werden wir der
Geschichte wieder Stoff zur Bewunderung geben. Nur wenn wir uns darüber
klar sind, daß deutsche Wiedererhebung und Lebensmöglichkeit nicht mehr uns
selber zuteil werden dürfte, sondern bestenfalls von unseren Kindern für unsere
Enkel erstritten werden kann, werden wir dereinst als die Eltern gerühmt werden,
die solche Kinder erzogen und damit in eigener Not das Beste getan haben, um.
das Schöpferischste unter den Weltvölkern zu erhalten.




Washingtoner Probleme
<v. G. v. Wesendonk von

is sich die Vertreter der Entente zur Vorbereitung des Friedens in
Paris versammelten, da meinten sie im Vollgefühl des SicgeL.
die Welt nach ihren Wünschen ordnen zu können. Freilich mußten
sie auch damals schon Wasser in ihren Wein mengen und auf em^
zelns ihrer Mitglieder besondere Rücksichten nehmen. Japan hatte
sich durch die Teilnahme am Kriege die Bundesgenossen verpflichtet. Es hatte den
Krieg dazu benutzt, um sich, während die übrigen Völker auf dem europäischen
Kriegsschauplatz beschäftigt waren, eine überragende Stellung in Ostasien zu
schaffen. Faktisch war damit der Wettbewerb der europäischen Länder im fernen
Osten ausgeschaltet. In dem Bestreben, Ostasien den Ostasiaten vorzubehalten
und selbst die Führung dort in die Hand zu nehmen, hatte Japan die Gelegenheit
ergriffen, um zunächst das im Kampf mit übermächtigen Feinden verwickelte
Deutschland aus China herauszudrängen, nachdem in einem langwierigen Kriege
Rußlands Drang nach dem Osten ein Riegel vorgeschoben worden war. Gleich¬
zeitig hatte der Weltkrieg den Japanern ein ungeahntes Aufblühen ihrer Finanzen
gebracht. Die Schulden, die aus dem russisch-japanischen Kriege übrig geblieben
waren, konnten abgetragen werden, der Am stieg zu schwindelhafter Höhe empor
und den Japanern wurde es ermöglicht, ihre im Auslande begebenon Anleihen
zurückzukaufen. Die japanische Kriegsindustrie entwickelte sich, und, nachdem die
Zufuhr aus Deutschland und Amerika durch den Krieg abgeschnitten war, nahm
der japanische Export einen ungeahnten Aufschwung. So stand Japan im Augen¬
blick der Friedensverhandlungen achtunggebietend da. Wohlweislich hatte es sich
gehütet, seine Truppen außerhalb Ostasiens zu verwenden und auch seine Flotte
im wesentlichen in seinen eigenen Gewässern zusammengehalten. Nach der Be¬
seitigung des deutschen Stützpunktes Kicmtschau erblickte Japan seine wichtigste
Aufgabe darin, die östlichen Meere zu kontrollieren. Als der Bolschewistensturm
über Rußland fegte, da sandte Japan Truppen nach Sibirien, angeblich zur.


Washingtoner Probleme

Nur wenn wir mit den nahen, greifbaren Zwecken, die der Materialist allein
sieht, auch wieder langsam reifende Jahrhundertziele verbinden, werden wir der
Geschichte wieder Stoff zur Bewunderung geben. Nur wenn wir uns darüber
klar sind, daß deutsche Wiedererhebung und Lebensmöglichkeit nicht mehr uns
selber zuteil werden dürfte, sondern bestenfalls von unseren Kindern für unsere
Enkel erstritten werden kann, werden wir dereinst als die Eltern gerühmt werden,
die solche Kinder erzogen und damit in eigener Not das Beste getan haben, um.
das Schöpferischste unter den Weltvölkern zu erhalten.




Washingtoner Probleme
<v. G. v. Wesendonk von

is sich die Vertreter der Entente zur Vorbereitung des Friedens in
Paris versammelten, da meinten sie im Vollgefühl des SicgeL.
die Welt nach ihren Wünschen ordnen zu können. Freilich mußten
sie auch damals schon Wasser in ihren Wein mengen und auf em^
zelns ihrer Mitglieder besondere Rücksichten nehmen. Japan hatte
sich durch die Teilnahme am Kriege die Bundesgenossen verpflichtet. Es hatte den
Krieg dazu benutzt, um sich, während die übrigen Völker auf dem europäischen
Kriegsschauplatz beschäftigt waren, eine überragende Stellung in Ostasien zu
schaffen. Faktisch war damit der Wettbewerb der europäischen Länder im fernen
Osten ausgeschaltet. In dem Bestreben, Ostasien den Ostasiaten vorzubehalten
und selbst die Führung dort in die Hand zu nehmen, hatte Japan die Gelegenheit
ergriffen, um zunächst das im Kampf mit übermächtigen Feinden verwickelte
Deutschland aus China herauszudrängen, nachdem in einem langwierigen Kriege
Rußlands Drang nach dem Osten ein Riegel vorgeschoben worden war. Gleich¬
zeitig hatte der Weltkrieg den Japanern ein ungeahntes Aufblühen ihrer Finanzen
gebracht. Die Schulden, die aus dem russisch-japanischen Kriege übrig geblieben
waren, konnten abgetragen werden, der Am stieg zu schwindelhafter Höhe empor
und den Japanern wurde es ermöglicht, ihre im Auslande begebenon Anleihen
zurückzukaufen. Die japanische Kriegsindustrie entwickelte sich, und, nachdem die
Zufuhr aus Deutschland und Amerika durch den Krieg abgeschnitten war, nahm
der japanische Export einen ungeahnten Aufschwung. So stand Japan im Augen¬
blick der Friedensverhandlungen achtunggebietend da. Wohlweislich hatte es sich
gehütet, seine Truppen außerhalb Ostasiens zu verwenden und auch seine Flotte
im wesentlichen in seinen eigenen Gewässern zusammengehalten. Nach der Be¬
seitigung des deutschen Stützpunktes Kicmtschau erblickte Japan seine wichtigste
Aufgabe darin, die östlichen Meere zu kontrollieren. Als der Bolschewistensturm
über Rußland fegte, da sandte Japan Truppen nach Sibirien, angeblich zur.


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[0204] Washingtoner Probleme Nur wenn wir mit den nahen, greifbaren Zwecken, die der Materialist allein sieht, auch wieder langsam reifende Jahrhundertziele verbinden, werden wir der Geschichte wieder Stoff zur Bewunderung geben. Nur wenn wir uns darüber klar sind, daß deutsche Wiedererhebung und Lebensmöglichkeit nicht mehr uns selber zuteil werden dürfte, sondern bestenfalls von unseren Kindern für unsere Enkel erstritten werden kann, werden wir dereinst als die Eltern gerühmt werden, die solche Kinder erzogen und damit in eigener Not das Beste getan haben, um. das Schöpferischste unter den Weltvölkern zu erhalten. Washingtoner Probleme <v. G. v. Wesendonk von is sich die Vertreter der Entente zur Vorbereitung des Friedens in Paris versammelten, da meinten sie im Vollgefühl des SicgeL. die Welt nach ihren Wünschen ordnen zu können. Freilich mußten sie auch damals schon Wasser in ihren Wein mengen und auf em^ zelns ihrer Mitglieder besondere Rücksichten nehmen. Japan hatte sich durch die Teilnahme am Kriege die Bundesgenossen verpflichtet. Es hatte den Krieg dazu benutzt, um sich, während die übrigen Völker auf dem europäischen Kriegsschauplatz beschäftigt waren, eine überragende Stellung in Ostasien zu schaffen. Faktisch war damit der Wettbewerb der europäischen Länder im fernen Osten ausgeschaltet. In dem Bestreben, Ostasien den Ostasiaten vorzubehalten und selbst die Führung dort in die Hand zu nehmen, hatte Japan die Gelegenheit ergriffen, um zunächst das im Kampf mit übermächtigen Feinden verwickelte Deutschland aus China herauszudrängen, nachdem in einem langwierigen Kriege Rußlands Drang nach dem Osten ein Riegel vorgeschoben worden war. Gleich¬ zeitig hatte der Weltkrieg den Japanern ein ungeahntes Aufblühen ihrer Finanzen gebracht. Die Schulden, die aus dem russisch-japanischen Kriege übrig geblieben waren, konnten abgetragen werden, der Am stieg zu schwindelhafter Höhe empor und den Japanern wurde es ermöglicht, ihre im Auslande begebenon Anleihen zurückzukaufen. Die japanische Kriegsindustrie entwickelte sich, und, nachdem die Zufuhr aus Deutschland und Amerika durch den Krieg abgeschnitten war, nahm der japanische Export einen ungeahnten Aufschwung. So stand Japan im Augen¬ blick der Friedensverhandlungen achtunggebietend da. Wohlweislich hatte es sich gehütet, seine Truppen außerhalb Ostasiens zu verwenden und auch seine Flotte im wesentlichen in seinen eigenen Gewässern zusammengehalten. Nach der Be¬ seitigung des deutschen Stützpunktes Kicmtschau erblickte Japan seine wichtigste Aufgabe darin, die östlichen Meere zu kontrollieren. Als der Bolschewistensturm über Rußland fegte, da sandte Japan Truppen nach Sibirien, angeblich zur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/204>, abgerufen am 29.04.2024.