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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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gestellt werden konnte. Der Weltkrieg von 1914--18 erfüllte den britischen
Wunsch nach gegenseitiger Zerreibung der deutschen und russischen Macht. Das
britische Imperium sah sich als Alleinherrscher von der Nordsee durch das Mittel¬
meer und rund um den Indischen Ozean.

Ein paar Jahre des neuen Friedens haben freilich genügt, den nach end¬
lichem Frieden lechzender Völkern der Erde die Augen darüber zu öffnen, daß
sich das Dreieck von Gegnerschaften, das für die britische Eroberungspolitik charak¬
teristisch ist, in anderer Mächtekonstellation neu Lebildet hat. Das englische Welt¬
reich, das ostasiatische Inselreich und die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
dre Sieger des Weltkrieges von 1914--18, stehen sich im Wettbewerb um die
Herrschaft im Großen Ozean gegenüber. Alle drei.sind heute noch durch Allianz
oder Assoziativ" mit einander verbunden. Alle drei fühlen sich gegeneinander im
Interessenkonflikt. Noch einmal soll --- wie vor jedem großen Zusammenstoß
in der Weltgeschichte -- der Versuch eines radikalen Ausgleichs gemacht werden.
Aber hinter der Washingtoner Konferenz steht schon die traditionelle Taktik Groß"
britanniens bereit, die beiden Gegner der englischen Weltmachtstellung sich gegen¬
seitig schwächen oder gar zerreiben zu lassen.




Verwaltungsreform
Dr. Alfred Karli von

on Zeit zu Zeit rauscht es im Blätterwalde von allerlei Reformen
im Verwaltungsdienst. Meist sind es Ankündigungen großer Um¬
wälzungen, die zu ungeahnten Ersparnissen führen sollen. Neuer¬
dings hat man in der Person des Geheimrath Carl vom Finanz¬
ministerium sogar einen eigenen Staatskommissar zu diesem Zweck
ernannt. Wie stets, so ging es hier. Man hörte eine Zeit hindurch allerlei von
schönen Plänen, dann wurde es still. Auch dieser Kommissar zog es vor, sein
dornenvolles Amt niederzulegen und einen erfreulicheren Posten zu übernehmen.

Ich möchte als alter Praktiker hier einmal wenigstens andeutungsweise er¬
örtern, warum dieser Seeschlange "Verwaltung" eigentlich durchaus nicht oder
so schwer beizukommen ist. Wollte man die Frage gründlich behandeln, müßte
man ein dickes Buch schreiben.

Ursachen der verschiedensten Art wirken zusammen: Zuerst die große Zahl
der verschiedenen Behörden, die von einander ganz unabhängig sind und sich
niemandem unterordnen wollen, z. B. die Neichsbehörden, die Staats¬
behörden, die Kommunalverwaltungen. Nehmen wir als Beispiel die städti¬
schen Behörden. Die Stadtverordneten haben nach der Städteordnung nicht das
Recht, Mängel in der Verwaltung, so offenkundig sie auch fein mögen, abzu-


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gestellt werden konnte. Der Weltkrieg von 1914—18 erfüllte den britischen
Wunsch nach gegenseitiger Zerreibung der deutschen und russischen Macht. Das
britische Imperium sah sich als Alleinherrscher von der Nordsee durch das Mittel¬
meer und rund um den Indischen Ozean.

Ein paar Jahre des neuen Friedens haben freilich genügt, den nach end¬
lichem Frieden lechzender Völkern der Erde die Augen darüber zu öffnen, daß
sich das Dreieck von Gegnerschaften, das für die britische Eroberungspolitik charak¬
teristisch ist, in anderer Mächtekonstellation neu Lebildet hat. Das englische Welt¬
reich, das ostasiatische Inselreich und die Vereinigten Staaten von Nordamerika,
dre Sieger des Weltkrieges von 1914—18, stehen sich im Wettbewerb um die
Herrschaft im Großen Ozean gegenüber. Alle drei.sind heute noch durch Allianz
oder Assoziativ» mit einander verbunden. Alle drei fühlen sich gegeneinander im
Interessenkonflikt. Noch einmal soll —- wie vor jedem großen Zusammenstoß
in der Weltgeschichte — der Versuch eines radikalen Ausgleichs gemacht werden.
Aber hinter der Washingtoner Konferenz steht schon die traditionelle Taktik Groß"
britanniens bereit, die beiden Gegner der englischen Weltmachtstellung sich gegen¬
seitig schwächen oder gar zerreiben zu lassen.




Verwaltungsreform
Dr. Alfred Karli von

on Zeit zu Zeit rauscht es im Blätterwalde von allerlei Reformen
im Verwaltungsdienst. Meist sind es Ankündigungen großer Um¬
wälzungen, die zu ungeahnten Ersparnissen führen sollen. Neuer¬
dings hat man in der Person des Geheimrath Carl vom Finanz¬
ministerium sogar einen eigenen Staatskommissar zu diesem Zweck
ernannt. Wie stets, so ging es hier. Man hörte eine Zeit hindurch allerlei von
schönen Plänen, dann wurde es still. Auch dieser Kommissar zog es vor, sein
dornenvolles Amt niederzulegen und einen erfreulicheren Posten zu übernehmen.

Ich möchte als alter Praktiker hier einmal wenigstens andeutungsweise er¬
örtern, warum dieser Seeschlange „Verwaltung" eigentlich durchaus nicht oder
so schwer beizukommen ist. Wollte man die Frage gründlich behandeln, müßte
man ein dickes Buch schreiben.

Ursachen der verschiedensten Art wirken zusammen: Zuerst die große Zahl
der verschiedenen Behörden, die von einander ganz unabhängig sind und sich
niemandem unterordnen wollen, z. B. die Neichsbehörden, die Staats¬
behörden, die Kommunalverwaltungen. Nehmen wir als Beispiel die städti¬
schen Behörden. Die Stadtverordneten haben nach der Städteordnung nicht das
Recht, Mängel in der Verwaltung, so offenkundig sie auch fein mögen, abzu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/21>, abgerufen am 29.04.2024.