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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Gberschlesien als Freistaat

handelt sich ja nicht allein um uns, sondern es handelt sich um die ganze deutsche
Zukunft. Die Last, die wir unsern Nachkommen mit dem verlorenen KricL und
der Revolution aufgcbürder haben, ist schon groß genug. Da müssen wir ihnen
wenigstens den Staat als die, soweit geschichtliche Erfahrung reicht, unentbehrliche
Grundlage des nationalen Lebens erhalten und müssen die Gefühle, die uns zu
einer nach außen und im Innern energischeren und glänzenderen Politik ver¬
leiten wollen, zurückdämmen. Deun jede Überspannung der Macht des Staates
führt unter deu heutigen Umständen zur Gefährdung des Staates überhaupt.




Oberschlesien als Freistaat
Mentis von

seltsam: zu derselben Zeit, da uns die angeblich besonders gut unter¬
richteten Kreise versichern, die Teilung Oberschlesiens werde
nach den Wünschen Englands mit einigen Abänderungen demnächst
vollzogen werden, taucht auch der Plan wieder auf, Oberschlesien
zu einem Freistaate zu machen. Die Befürworter dieses
Planes stellen sich so an, als handele es sich um eine für Deutschland günstige
Sache, und zweifellos besteht diese Ansicht bei manchen. In Wirklichkeit ist
gberschlesien für uns verloren, wenn es ein Freistaat wird, denn
der französisch-polnische Einfluß wird dann dort zweifellos vorherrschend sein, und
was wir davon zu erwarten hätten, ist ja zur Genüge bekannt.

Daß sich Deutsche mit dem Plane, Oberschlesien zu einem Freistaate zu
Machen, beschäftigen, ohne ihn sofort in schärfster Form zurückzuweisen, ist nur
Möglich bei unserer nationalen Schwäche und Waschlappigkeit. Denn sonst müßte
doch jeder erkannt haben, daß die Polen (und Franzosen) darin ihre letzte Hoff¬
nung erblicken. Oberschlesien wäre an Fläche und Einwohnerzahl zu klein, um
politische Selbständigkeit sich zu erhalten. In industrieller Beziehung geradezu
glänzend gestellt, würde es sich nicht selbst ernähren können, und hier würden die
polnischen Machenschaften einsetzen, denen es sicher gelingen würde, eine (ziemlich
geringe) Anhängerschaft sich in Oberschlesien zu erhalten. Die Tatsache, daß diese
polnische Opposition Oberschlesiens im Auslande eine ganz rücksichtslose Unter-
"ützung und Förderung erfahren würde, ist wohl in Rechnung zu stellen. Man
erinnere sich der Zustände in den letzten Jahrzehnten bei der polnischen Republik
vor IM Jahren; was damals zur Teilung Polens führte, soll in kurzer Zeit den
Anschluß Oberschlesiens an Polen herbeiführen. Wir könnten das jedenfalls nicht
Andern, denn wir sind militärisch machtlos, und welcher Lügen sich die polnische
Propaganda bedienen würde, haben wir ja jetzt erfahren. Da erklärten die pol¬
nischen Insurgenten: "Wir kämpfen für eine gute Sache, wir sind die Soldaten
der heiligen Hedwigl". Daß die Herzogin Hedwig -- sie gründete das Kloster
Tabnitz -- durchaus deutsch gedacht und gehandelt hat, focht die polnischen
Aufrührer nicht an. Welche Gewaltherrschaft die Korfcmtyjchen Banden ausgeübt


Gberschlesien als Freistaat

handelt sich ja nicht allein um uns, sondern es handelt sich um die ganze deutsche
Zukunft. Die Last, die wir unsern Nachkommen mit dem verlorenen KricL und
der Revolution aufgcbürder haben, ist schon groß genug. Da müssen wir ihnen
wenigstens den Staat als die, soweit geschichtliche Erfahrung reicht, unentbehrliche
Grundlage des nationalen Lebens erhalten und müssen die Gefühle, die uns zu
einer nach außen und im Innern energischeren und glänzenderen Politik ver¬
leiten wollen, zurückdämmen. Deun jede Überspannung der Macht des Staates
führt unter deu heutigen Umständen zur Gefährdung des Staates überhaupt.




Oberschlesien als Freistaat
Mentis von

seltsam: zu derselben Zeit, da uns die angeblich besonders gut unter¬
richteten Kreise versichern, die Teilung Oberschlesiens werde
nach den Wünschen Englands mit einigen Abänderungen demnächst
vollzogen werden, taucht auch der Plan wieder auf, Oberschlesien
zu einem Freistaate zu machen. Die Befürworter dieses
Planes stellen sich so an, als handele es sich um eine für Deutschland günstige
Sache, und zweifellos besteht diese Ansicht bei manchen. In Wirklichkeit ist
gberschlesien für uns verloren, wenn es ein Freistaat wird, denn
der französisch-polnische Einfluß wird dann dort zweifellos vorherrschend sein, und
was wir davon zu erwarten hätten, ist ja zur Genüge bekannt.

Daß sich Deutsche mit dem Plane, Oberschlesien zu einem Freistaate zu
Machen, beschäftigen, ohne ihn sofort in schärfster Form zurückzuweisen, ist nur
Möglich bei unserer nationalen Schwäche und Waschlappigkeit. Denn sonst müßte
doch jeder erkannt haben, daß die Polen (und Franzosen) darin ihre letzte Hoff¬
nung erblicken. Oberschlesien wäre an Fläche und Einwohnerzahl zu klein, um
politische Selbständigkeit sich zu erhalten. In industrieller Beziehung geradezu
glänzend gestellt, würde es sich nicht selbst ernähren können, und hier würden die
polnischen Machenschaften einsetzen, denen es sicher gelingen würde, eine (ziemlich
geringe) Anhängerschaft sich in Oberschlesien zu erhalten. Die Tatsache, daß diese
polnische Opposition Oberschlesiens im Auslande eine ganz rücksichtslose Unter-
"ützung und Förderung erfahren würde, ist wohl in Rechnung zu stellen. Man
erinnere sich der Zustände in den letzten Jahrzehnten bei der polnischen Republik
vor IM Jahren; was damals zur Teilung Polens führte, soll in kurzer Zeit den
Anschluß Oberschlesiens an Polen herbeiführen. Wir könnten das jedenfalls nicht
Andern, denn wir sind militärisch machtlos, und welcher Lügen sich die polnische
Propaganda bedienen würde, haben wir ja jetzt erfahren. Da erklärten die pol¬
nischen Insurgenten: „Wir kämpfen für eine gute Sache, wir sind die Soldaten
der heiligen Hedwigl". Daß die Herzogin Hedwig — sie gründete das Kloster
Tabnitz — durchaus deutsch gedacht und gehandelt hat, focht die polnischen
Aufrührer nicht an. Welche Gewaltherrschaft die Korfcmtyjchen Banden ausgeübt


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[0079] Gberschlesien als Freistaat handelt sich ja nicht allein um uns, sondern es handelt sich um die ganze deutsche Zukunft. Die Last, die wir unsern Nachkommen mit dem verlorenen KricL und der Revolution aufgcbürder haben, ist schon groß genug. Da müssen wir ihnen wenigstens den Staat als die, soweit geschichtliche Erfahrung reicht, unentbehrliche Grundlage des nationalen Lebens erhalten und müssen die Gefühle, die uns zu einer nach außen und im Innern energischeren und glänzenderen Politik ver¬ leiten wollen, zurückdämmen. Deun jede Überspannung der Macht des Staates führt unter deu heutigen Umständen zur Gefährdung des Staates überhaupt. Oberschlesien als Freistaat Mentis von seltsam: zu derselben Zeit, da uns die angeblich besonders gut unter¬ richteten Kreise versichern, die Teilung Oberschlesiens werde nach den Wünschen Englands mit einigen Abänderungen demnächst vollzogen werden, taucht auch der Plan wieder auf, Oberschlesien zu einem Freistaate zu machen. Die Befürworter dieses Planes stellen sich so an, als handele es sich um eine für Deutschland günstige Sache, und zweifellos besteht diese Ansicht bei manchen. In Wirklichkeit ist gberschlesien für uns verloren, wenn es ein Freistaat wird, denn der französisch-polnische Einfluß wird dann dort zweifellos vorherrschend sein, und was wir davon zu erwarten hätten, ist ja zur Genüge bekannt. Daß sich Deutsche mit dem Plane, Oberschlesien zu einem Freistaate zu Machen, beschäftigen, ohne ihn sofort in schärfster Form zurückzuweisen, ist nur Möglich bei unserer nationalen Schwäche und Waschlappigkeit. Denn sonst müßte doch jeder erkannt haben, daß die Polen (und Franzosen) darin ihre letzte Hoff¬ nung erblicken. Oberschlesien wäre an Fläche und Einwohnerzahl zu klein, um politische Selbständigkeit sich zu erhalten. In industrieller Beziehung geradezu glänzend gestellt, würde es sich nicht selbst ernähren können, und hier würden die polnischen Machenschaften einsetzen, denen es sicher gelingen würde, eine (ziemlich geringe) Anhängerschaft sich in Oberschlesien zu erhalten. Die Tatsache, daß diese polnische Opposition Oberschlesiens im Auslande eine ganz rücksichtslose Unter- "ützung und Förderung erfahren würde, ist wohl in Rechnung zu stellen. Man erinnere sich der Zustände in den letzten Jahrzehnten bei der polnischen Republik vor IM Jahren; was damals zur Teilung Polens führte, soll in kurzer Zeit den Anschluß Oberschlesiens an Polen herbeiführen. Wir könnten das jedenfalls nicht Andern, denn wir sind militärisch machtlos, und welcher Lügen sich die polnische Propaganda bedienen würde, haben wir ja jetzt erfahren. Da erklärten die pol¬ nischen Insurgenten: „Wir kämpfen für eine gute Sache, wir sind die Soldaten der heiligen Hedwigl". Daß die Herzogin Hedwig — sie gründete das Kloster Tabnitz — durchaus deutsch gedacht und gehandelt hat, focht die polnischen Aufrührer nicht an. Welche Gewaltherrschaft die Korfcmtyjchen Banden ausgeübt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/79>, abgerufen am 29.04.2024.