Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Topfe bis zu seinem Standpunkte vorher
abmessen lassen. -- In seine Hand bekömmt er
einen derben Stock, womit er den Topf zu zer-
trümmern Willens ist, und so bewaffnet ist es sei-
ne Pflicht, vor Eröffnung des Feldzuges sich mit
zugebundenen Augen 2 bis 3 mal umzudrehen. Diess
nun so zu vollbringen, dass die Nase nach dem
3ten Umwenden wieder genau nach dem Topfe
hinweist, dann grade aus, ohne links noch rechts
auszuweichen, fortzugehen; die Entfernung bis
zum Topfe wieder gehörig auszumessen und den
Schlag von oben nach unten, also nicht hori-
zontal, grade auf den Topf zu führen, hierin be-
steht die Kunst des Spiels. Es glückt selten. Die
Blindekuh dreht sich, und bey jedem Male weicht
sie von der ersten Richtung etwas ab. Ein ver-
bissenes Gelächter zischt durch die ganze Gesell-
schaft. Er marschirt vorwärts, und zwar nach
einer ganz andern Weltgegend; er schlägt zu
und mit dem Schlage bricht ein allgemeines
Gelächter los; denn er ist weit vom Topfe ent-
fernt. Da steht er nun, nach abgerissenem Tu-
che, mit grossen Augen und sucht den Topf, des-
sen Zertrümmerung er so sicher berechnet zu ha-
ben glaubte.

Man kann es, wenn man will, zum Gesetz
machen, dass niemand einen Laut von sich gebe,
so lange der Schlag noch nicht geschehen ist; die

vom Topfe bis zu ſeinem Standpunkte vorher
abmeſſen laſſen. — In ſeine Hand bekömmt er
einen derben Stock, womit er den Topf zu zer-
trümmern Willens iſt, und ſo bewaffnet iſt es ſei-
ne Pflicht, vor Eröffnung des Feldzuges ſich mit
zugebundenen Augen 2 bis 3 mal umzudrehen. Dieſs
nun ſo zu vollbringen, daſs die Naſe nach dem
3ten Umwenden wieder genau nach dem Topfe
hinweiſt, dann grade aus, ohne links noch rechts
auszuweichen, fortzugehen; die Entfernung bis
zum Topfe wieder gehörig auszumeſſen und den
Schlag von oben nach unten, alſo nicht hori-
zontal, grade auf den Topf zu führen, hierin be-
ſteht die Kunſt des Spiels. Es glückt ſelten. Die
Blindekuh dreht ſich, und bey jedem Male weicht
ſie von der erſten Richtung etwas ab. Ein ver-
biſſenes Gelächter ziſcht durch die ganze Geſell-
ſchaft. Er marſchirt vorwärts, und zwar nach
einer ganz andern Weltgegend; er ſchlägt zu
und mit dem Schlage bricht ein allgemeines
Gelächter los; denn er iſt weit vom Topfe ent-
fernt. Da ſteht er nun, nach abgeriſſenem Tu-
che, mit groſsen Augen und ſucht den Topf, deſ-
ſen Zertrümmerung er ſo ſicher berechnet zu ha-
ben glaubte.

Man kann es, wenn man will, zum Geſetz
machen, daſs niemand einen Laut von ſich gebe,
ſo lange der Schlag noch nicht geſchehen iſt; die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0234" n="202"/>
vom Topfe bis zu &#x017F;einem Standpunkte vorher<lb/>
abme&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; In &#x017F;eine Hand bekömmt er<lb/>
einen derben Stock, womit er den <choice><sic>Top&#x017F;</sic><corr>Topf</corr></choice> zu zer-<lb/>
trümmern Willens i&#x017F;t, und &#x017F;o bewaffnet i&#x017F;t es &#x017F;ei-<lb/>
ne Pflicht, vor Eröffnung des Feldzuges &#x017F;ich mit<lb/>
zugebundenen Augen 2 bis 3 mal <hi rendition="#i">umzudrehen</hi>. Die&#x017F;s<lb/>
nun &#x017F;o zu vollbringen, da&#x017F;s die Na&#x017F;e nach dem<lb/>
3ten Umwenden wieder genau nach dem Topfe<lb/>
hinwei&#x017F;t, dann grade aus, ohne links noch rechts<lb/>
auszuweichen, fortzugehen; die Entfernung bis<lb/>
zum Topfe wieder gehörig auszume&#x017F;&#x017F;en und den<lb/>
Schlag von oben nach unten, al&#x017F;o nicht hori-<lb/>
zontal, grade auf den Topf zu führen, hierin be-<lb/>
&#x017F;teht die Kun&#x017F;t des Spiels. Es glückt &#x017F;elten. Die<lb/>
Blindekuh dreht &#x017F;ich, und bey jedem Male weicht<lb/>
&#x017F;ie von der er&#x017F;ten Richtung etwas ab. Ein ver-<lb/>
bi&#x017F;&#x017F;enes Gelächter zi&#x017F;cht durch die ganze Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft. Er mar&#x017F;chirt vorwärts, und zwar nach<lb/>
einer ganz andern Weltgegend; er &#x017F;chlägt zu<lb/>
und mit dem Schlage bricht ein allgemeines<lb/>
Gelächter los; denn er i&#x017F;t weit vom Topfe ent-<lb/>
fernt. Da &#x017F;teht er nun, nach abgeri&#x017F;&#x017F;enem Tu-<lb/>
che, mit gro&#x017F;sen Augen und &#x017F;ucht den Topf, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Zertrümmerung er &#x017F;o &#x017F;icher berechnet zu ha-<lb/>
ben glaubte.</p><lb/>
              <p>Man kann es, wenn man will, zum Ge&#x017F;etz<lb/>
machen, da&#x017F;s niemand einen Laut von &#x017F;ich gebe,<lb/>
&#x017F;o lange der Schlag noch nicht ge&#x017F;chehen i&#x017F;t; die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0234] vom Topfe bis zu ſeinem Standpunkte vorher abmeſſen laſſen. — In ſeine Hand bekömmt er einen derben Stock, womit er den Topf zu zer- trümmern Willens iſt, und ſo bewaffnet iſt es ſei- ne Pflicht, vor Eröffnung des Feldzuges ſich mit zugebundenen Augen 2 bis 3 mal umzudrehen. Dieſs nun ſo zu vollbringen, daſs die Naſe nach dem 3ten Umwenden wieder genau nach dem Topfe hinweiſt, dann grade aus, ohne links noch rechts auszuweichen, fortzugehen; die Entfernung bis zum Topfe wieder gehörig auszumeſſen und den Schlag von oben nach unten, alſo nicht hori- zontal, grade auf den Topf zu führen, hierin be- ſteht die Kunſt des Spiels. Es glückt ſelten. Die Blindekuh dreht ſich, und bey jedem Male weicht ſie von der erſten Richtung etwas ab. Ein ver- biſſenes Gelächter ziſcht durch die ganze Geſell- ſchaft. Er marſchirt vorwärts, und zwar nach einer ganz andern Weltgegend; er ſchlägt zu und mit dem Schlage bricht ein allgemeines Gelächter los; denn er iſt weit vom Topfe ent- fernt. Da ſteht er nun, nach abgeriſſenem Tu- che, mit groſsen Augen und ſucht den Topf, deſ- ſen Zertrümmerung er ſo ſicher berechnet zu ha- ben glaubte. Man kann es, wenn man will, zum Geſetz machen, daſs niemand einen Laut von ſich gebe, ſo lange der Schlag noch nicht geſchehen iſt; die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/234
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/234>, abgerufen am 26.04.2024.