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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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§. 39.
Von den Farbennuancen.

Jeder beliebige Farbenton kann in sehr verschiedener
Reinheit auftreten. Man nennt im gewöhnlichen Leben die
möglichst rein erscheinende Farbe wohl auch gesättigt. Wir
könnten also die verschiedenen Grade der Reinheit auch als
Grade der Sättigung bezeichnen; nur müßten wir bedenken,
daß wir dann auch mit demselben Rechte von gesättigtem Weiß
und Schwarz sprechen könnten. Auf die einseitige Verwendung
des Begriffes der Sättigung in der modernen Farbenlehre komme
ich anderwärts zurück. Jedenfalls drückt das Wort Reinheit das,
worauf es ankommt, treffender aus, als das Wort Sättigung.

Die Beimischungen, durch welche die Reinheit eines em-
pfundenen Farbentones beeinträchtigt wird, sind nur die schwarz-
weißen Empfindungen, denn jede Beimischung einer anderen
Farbenempfindung würde den Ton, nicht die Reinheit der ge-
gebenen Farbe ändern. Eine Grundfarbe kann allerdings eigent-
lich auch durch eine andere verunreinigt werden, aber das pflegt
man eben eine Änderung des Tones zu nennen. Wie eine ab-
solut reine Farbenempfindung sein würde, wissen wir nicht, denn
alle wirklich vorkommenden Farbenempfindungen sind mehr oder
weniger unrein.

Die Verunreinigung einer Farbe kann durch jedes beliebige
Glied der schwarzweißen Empfindungsreihe stattfinden. Mischt
sich einer Farbe eine dem Weiß naheliegende Empfindung dieser
Reihe bei, so wird die Farbe weißlich, Beimischung einer sehr
dunklen schwarzweißen Empfindung macht die Farbe schwärz-
lich, Beimischung einer dem mittlen Grau naheliegenden Empfin-
dung läßt die Farbe in's Graue spielen.

Alle diese Übergänge zwischen einer ideal reinen Farbe
einerseits und einem beliebigen Gliede der schwarzweißen Em-
pfindungsreihe anderseits will ich, um einen bereits üblichen
Ausdruck zu benutzen, als Nuancen der Farbe bezeichnen.
Wir haben also schwarze, weiße, hellgraue, dunkelgraue, mittel-
graue etc. Nuancen jeder Farbe zu unterscheiden.

Denkt man sich ein gleichseitiges Dreieck, an dessen einer
Ecke eine absolut rein gedachte einfache oder zusammengesetzte

§. 39.
Von den Farbennuancen.

Jeder beliebige Farbenton kann in sehr verschiedener
Reinheit auftreten. Man nennt im gewöhnlichen Leben die
möglichst rein erscheinende Farbe wohl auch gesättigt. Wir
könnten also die verschiedenen Grade der Reinheit auch als
Grade der Sättigung bezeichnen; nur müßten wir bedenken,
daß wir dann auch mit demselben Rechte von gesättigtem Weiß
und Schwarz sprechen könnten. Auf die einseitige Verwendung
des Begriffes der Sättigung in der modernen Farbenlehre komme
ich anderwärts zurück. Jedenfalls drückt das Wort Reinheit das,
worauf es ankommt, treffender aus, als das Wort Sättigung.

Die Beimischungen, durch welche die Reinheit eines em-
pfundenen Farbentones beeinträchtigt wird, sind nur die schwarz-
weißen Empfindungen, denn jede Beimischung einer anderen
Farbenempfindung würde den Ton, nicht die Reinheit der ge-
gebenen Farbe ändern. Eine Grundfarbe kann allerdings eigent-
lich auch durch eine andere verunreinigt werden, aber das pflegt
man eben eine Änderung des Tones zu nennen. Wie eine ab-
solut reine Farbenempfindung sein würde, wissen wir nicht, denn
alle wirklich vorkommenden Farbenempfindungen sind mehr oder
weniger unrein.

Die Verunreinigung einer Farbe kann durch jedes beliebige
Glied der schwarzweißen Empfindungsreihe stattfinden. Mischt
sich einer Farbe eine dem Weiß naheliegende Empfindung dieser
Reihe bei, so wird die Farbe weißlich, Beimischung einer sehr
dunklen schwarzweißen Empfindung macht die Farbe schwärz-
lich, Beimischung einer dem mittlen Grau naheliegenden Empfin-
dung läßt die Farbe in’s Graue spielen.

Alle diese Übergänge zwischen einer ideal reinen Farbe
einerseits und einem beliebigen Gliede der schwarzweißen Em-
pfindungsreihe anderseits will ich, um einen bereits üblichen
Ausdruck zu benutzen, als Nuancen der Farbe bezeichnen.
Wir haben also schwarze, weiße, hellgraue, dunkelgraue, mittel-
graue etc. Nuancen jeder Farbe zu unterscheiden.

Denkt man sich ein gleichseitiges Dreieck, an dessen einer
Ecke eine absolut rein gedachte einfache oder zusammengesetzte

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[111/0119] §. 39. Von den Farbennuancen. Jeder beliebige Farbenton kann in sehr verschiedener Reinheit auftreten. Man nennt im gewöhnlichen Leben die möglichst rein erscheinende Farbe wohl auch gesättigt. Wir könnten also die verschiedenen Grade der Reinheit auch als Grade der Sättigung bezeichnen; nur müßten wir bedenken, daß wir dann auch mit demselben Rechte von gesättigtem Weiß und Schwarz sprechen könnten. Auf die einseitige Verwendung des Begriffes der Sättigung in der modernen Farbenlehre komme ich anderwärts zurück. Jedenfalls drückt das Wort Reinheit das, worauf es ankommt, treffender aus, als das Wort Sättigung. Die Beimischungen, durch welche die Reinheit eines em- pfundenen Farbentones beeinträchtigt wird, sind nur die schwarz- weißen Empfindungen, denn jede Beimischung einer anderen Farbenempfindung würde den Ton, nicht die Reinheit der ge- gebenen Farbe ändern. Eine Grundfarbe kann allerdings eigent- lich auch durch eine andere verunreinigt werden, aber das pflegt man eben eine Änderung des Tones zu nennen. Wie eine ab- solut reine Farbenempfindung sein würde, wissen wir nicht, denn alle wirklich vorkommenden Farbenempfindungen sind mehr oder weniger unrein. Die Verunreinigung einer Farbe kann durch jedes beliebige Glied der schwarzweißen Empfindungsreihe stattfinden. Mischt sich einer Farbe eine dem Weiß naheliegende Empfindung dieser Reihe bei, so wird die Farbe weißlich, Beimischung einer sehr dunklen schwarzweißen Empfindung macht die Farbe schwärz- lich, Beimischung einer dem mittlen Grau naheliegenden Empfin- dung läßt die Farbe in’s Graue spielen. Alle diese Übergänge zwischen einer ideal reinen Farbe einerseits und einem beliebigen Gliede der schwarzweißen Em- pfindungsreihe anderseits will ich, um einen bereits üblichen Ausdruck zu benutzen, als Nuancen der Farbe bezeichnen. Wir haben also schwarze, weiße, hellgraue, dunkelgraue, mittel- graue etc. Nuancen jeder Farbe zu unterscheiden. Denkt man sich ein gleichseitiges Dreieck, an dessen einer Ecke eine absolut rein gedachte einfache oder zusammengesetzte

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/119>, abgerufen am 19.03.2024.