Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
LII.
Grabschrift.
Sein oder Nichtsein ist hier keine Frage;
Ich bin gewesen, was ich konnte sein.
Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein,
Der auch sein Lämpchen brannt' am hellen Tage.
Kein Turner, aber doch von deutschem Schlage;
Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein,
So ruhete diß dichterlich Gebein
Dereinst in einem stolzen Sarkophage.
Ich nahm das Leben für ein Würfelspiel,
Das Keinem seine stete Gunst geschworen,
Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel;
Ich trieb's, ein Thor, wie tausend andre Thoren,
Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl,
Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.
LII.
Grabſchrift.
Sein oder Nichtſein iſt hier keine Frage;
Ich bin geweſen, was ich konnte ſein.
Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein,
Der auch ſein Lämpchen brannt' am hellen Tage.
Kein Turner, aber doch von deutſchem Schlage;
Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein,
So ruhete diß dichterlich Gebein
Dereinſt in einem ſtolzen Sarkophage.
Ich nahm das Leben für ein Würfelſpiel,
Das Keinem ſeine ſtete Gunſt geſchworen,
Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel;
Ich trieb's, ein Thor, wie tauſend andre Thoren,
Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl,
Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0188" n="182"/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LII.</hi><lb/>
          </head>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Grab&#x017F;chrift.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Sein oder Nicht&#x017F;ein i&#x017F;t hier keine Frage;</l><lb/>
                <l>Ich bin gewe&#x017F;en, was ich konnte &#x017F;ein.</l><lb/>
                <l>Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein,</l><lb/>
                <l>Der auch &#x017F;ein Lämpchen brannt' am hellen Tage.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Kein Turner, aber doch von deut&#x017F;chem Schlage;</l><lb/>
                <l>Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein,</l><lb/>
                <l>So ruhete diß dichterlich Gebein</l><lb/>
                <l>Derein&#x017F;t in einem &#x017F;tolzen Sarkophage.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Ich nahm das Leben für ein Würfel&#x017F;piel,</l><lb/>
                <l>Das Keinem &#x017F;eine &#x017F;tete Gun&#x017F;t ge&#x017F;chworen,</l><lb/>
                <l>Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Ich trieb's, ein Thor, wie tau&#x017F;end andre Thoren,</l><lb/>
                <l>Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl,</l><lb/>
                <l>Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0188] LII. Grabſchrift. Sein oder Nichtſein iſt hier keine Frage; Ich bin geweſen, was ich konnte ſein. Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein, Der auch ſein Lämpchen brannt' am hellen Tage. Kein Turner, aber doch von deutſchem Schlage; Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein, So ruhete diß dichterlich Gebein Dereinſt in einem ſtolzen Sarkophage. Ich nahm das Leben für ein Würfelſpiel, Das Keinem ſeine ſtete Gunſt geſchworen, Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel; Ich trieb's, ein Thor, wie tauſend andre Thoren, Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl, Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/188
Zitationshilfe: [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/188>, abgerufen am 26.04.2024.